- Seit 2005 ist Angela Merkel Bundeskanzlerin, bald scheidet sie aus dem Amt.
- In ihrem ersten Interview nach der Bundestagswahl zieht die Kanzlerin Bilanz.
- Mit Blick auf eine mögliche neue Regierung unter SPD-Führung zeigt sich Merkel entspannt.
Nach 16 Jahren als Bundeskanzlerin sieht
Auf die Frage, ob sie überhaupt ruhig schlafen könne bei der Vorstellung, dass künftig wieder ein Sozialdemokrat dieses Land regiere, sagte Merkel: "Ja". Weiter sagte die Kanzlerin: "Es wird politische Unterschiede geben, das ist ja ganz selbstverständlich. Aber ich kann ruhig schlafen."
SPD, Grüne und FDP streben an, in der Woche vom 6. bis zum 10. Dezember eine gemeinsame Bundesregierung zu bilden - mit einem Kanzler
Auf die Frage, welchen Anteil sie am miserablen Ergebnis der Union bei der Bundestagswahl habe, sagte die Kanzlerin: "Das Ergebnis war nicht gut, das ist klar. CDU und CSU sind gerade dabei, es auch mit Blick auf Lehren für die Zukunft aufzuarbeiten. Ich glaube, dass sie das sehr gut machen werden."
Merkel: "Alles, was ich getan habe, habe ich mit Blick auf das Notwendige getan"
Weiter sagte sie auf die Frage, ob die Union Wähler verloren habe, weil sie nicht mehr zur Wahl gestanden habe - oder weil sie die CDU nicht ausreichend auf die Zeit nach ihrer Kanzlerschaft vorbereitet habe: "Jeder arbeitet in seiner Zeit. Die war für mich als Parteivorsitzende 2018 beendet und endet jetzt als Bundeskanzlerin. Alles, was ich getan habe, habe ich mit Blick auf das Notwendige getan, für die Gegenwart und natürlich auch weil solche Entscheidungen für die Zukunft halten sollen."
Zum Klimaschutz sagte Merkel, es sei unstrittig, dass Deutschland in den letzten zehn Jahren noch mal eine erhebliche Reduktion der CO2-Emissionen geschafft habe. Dies sei schwerer gewesen als zum Beispiel in den 1990er-Jahren, als schon die Schließung alter Kraftwerke und Produktionsanlagen erhebliche Einsparungen gebracht habe, sagte sie mit Blick auf Kraftwerke in der DDR. "Gemessen an dem, was wir brauchen, reicht es aber nicht aus. Aber wir haben Pflöcke eingeschlagen."
Zur Corona-Krise sagte die Kanzlerin, sie habe sich das wirklich nicht gewünscht: "Dass ich die Kanzlerin bin, die dafür Verantwortung trägt, dass zum ersten Mal in der Nachkriegszeit Kinder über längere Zeit nicht zur Schule gehen können. Dass solche Beschränkungen eingeführt werden mussten, überstieg auch nach den vorherigen krisenhaften Entwicklungen, die ich zu begleiten hatte, mein Vorstellungsvermögen. Trotzdem musste es bewältigt werden."
Für sie habe eine entscheidende Rolle gespielt, dass das Gesundheitssystem nicht überlastet werde, sodass jeder die bestmögliche Behandlung bekommen könne und möglichst wenige Menschen sterben: "In beiden Punkten konnten wir in Deutschland viel Schlimmes verhindern, das andere Länder leider durchmachen mussten. Nach diesen Kriterien sind wir bislang also vergleichsweise glimpflich durch die Pandemie gekommen."
Merkel räumt Fehler in der Corona-Krise ein
Merkel räumte zugleich Fehler ein: "Über eine Phase bin ich nach wie vor traurig: Das war Weihnachten vorigen Jahres. Damals waren die Tests vorhanden. Und dennoch wurde in den Alten-und Pflegeheimen zu wenig getestet. Ich habe noch persönlich versucht, das um Weihnachten herum in Telefongesprächen mit örtlich Verantwortlichen zu forcieren. Wir haben die Tests kostenlos bereitgestellt und auch die Personalkosten übernommen. Trotzdem hat es zu lange gedauert, bis das in den Pflegeheimen umgesetzt war. Das war der schwächste Moment der Pandemiebekämpfung."
Was sie in den ersten Tagen nach ihrem Abschied machen werde, wisse sie noch nicht, sagte Merkel. Ihr Mann Joachim Sauer habe allerdings keine Sorge, sie werde demnächst nur zu Hause rumsitzen. "Ich glaube, davor hat er nicht solche Angst", sagte Merkel. "Erstens hat er selbst genug zu tun, und zweitens habe ich mich noch nie dadurch ausgezeichnet, nur zu Hause rumzusitzen."
Merkel sagte weiter, es werde ein Bild von ihr geben in der Ahnengalerie des Kanzleramts. Sie habe aber noch keine Entscheidung getroffen, wer es malen werde. "Ich habe gelernt, dass es Kanzler gab, die das erst nach mehreren Jahren gemacht haben." (dpa/fra)
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