- An der deutsch-polnischen Grenze steigt die Zahl der ankommenden Geflüchteten. Sie gelangen über Belarus und schließlich Polen ins Land.
- Die CDU-Politiker Ralph Brinkhaus und Thorsten Frei fordern die Bundesregierung zum Handeln auf. Innenminister Horst Seehofer setzt offenbar auf deutsch-polnische Grenzpatrouillen.
- Mit dem Thema will die Union auch eine mögliche Ampel-Koalition unter Druck setzen: Brinkhaus warnt vor einer zu offenen Migrationspolitik.
Ralph Brinkhaus spricht von einem "neuen Hotspot". Und von einer "Situation, die immer mehr eskaliert". Der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag und sein Vize Thorsten Frei schlagen am Dienstag bei einem Pressegespräch Alarm: Immer mehr Geflüchtete und Migranten würden die deutsch-polnische Grenze passieren. Die beiden Christdemokraten haben sich zuvor vor Ort bei der Bundespolizei in Frankfurt/Oder ein Bild gemacht.
Ralph Brinkhaus: "Massive Gefahrensituation" für Migranten
Seit dem Sommer gelangt eine steigende Zahl von Menschen über die Grenze von Polen nach Deutschland. Hintergrund ist die Politik des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko, der Geflüchtete nicht mehr an der Weiterreise Richtung Europäische Union hindert. Er setzt sie als Druckmittel ein, weil westliche Länder Sanktionen gegen sein Regime verhängt haben. "Was wir erleben, ist, dass Migration als Waffe eingesetzt wird", sagt Thorsten Frei.
Durch die Grenzübertritte ergebe sich eine "massive Gefahrensituation für Migrantinnen und Migranten", sagt Fraktionschef
Rund 1.800 Menschen im Oktober
Der "Bild"-Zeitung zufolge schrieb der Vorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft, Heiko Teggatz, in einem Brief an Bundesinnenminister
Polizisten treffen in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen nahe der Grenze täglich auf bis zu 200 neue Schutzsuchende. Im Oktober seien bisher insgesamt rund 1.800 Menschen angekommen, im September seien es insgesamt 1.300 gewesen, sagt Brinkhaus am Dienstag.
Nach einer Explosion hört sich das nicht wirklich an. Die CDU-Politiker betonen aber, man müsse dieses Mal frühzeitig aktiv werden – um nicht wieder von der Situation überrascht zu werden wie bei der großen Flüchtlingsbewegung 2015.
Ausdrückliches Lob für Polen
Nach EU-Recht wäre Polen für die Geflüchteten zuständig. Eigentlich müsste das EU-Land die Ankommenden registrieren und ihnen ein Asylverfahren ermöglichen – was aber in vielen Fällen nicht geschieht. Auch die Rückführungen von Deutschland nach Polen gelingen offenbar häufig nicht.
Das polnische Parlament hat zudem eine Änderung des Ausländerrechts beschlossen, die es dem örtlichen Grenzschutzkommandanten ermöglicht, illegal eingereiste Menschen des Landes zu verweisen. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR zeigte sich zutiefst besorgt darüber, dass das Grundrecht auf Asyl untergraben werde.
Wie polnische Grenzschützer an der Grenze zu Belarus agieren, erfährt man meist nur über Umwege. Entlang der Grenze zu Belarus hat Polen den Ausnahmezustand verhängt. Journalisten und unabhängige Beobachter dürfen nicht in die Sperrzone. Selbst Unterstützung durch die europäische Grenzschutzagentur Frontex lehnt Polen bislang ab.
Von den CDU-Politikern kommt am Dienstag allerdings keine Kritik an den polnischen Behörden. Ausdrücklich loben sie die Zusammenarbeit der deutschen und polnischen Polizei beim Grenzschutz. "Unser Eindruck ist, dass Polen sich redlich bemüht", sagt
Seehofer setzt auf gemeinsame Grenzpatrouillen
Aus Sicht von Brinkhaus und Frei muss die Bundesregierung jetzt aktiv werden. In Berlin wird zwar bald über die Bildung einer Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP verhandelt. Noch stellt aber die CSU mit Horst Seehofer den zuständigen Innenminister. Deswegen müssen die Forderungen der Fraktionsspitze konsequenterweise auch an die eigenen Leute gerichtet sein. Man ermutige die Regierung ausdrücklich zum Handeln, sagt Brinkhaus. "Es wäre fahrlässig, wenn in den nächsten zwei Monaten nicht gehandelt wird."
Seehofer will die unerlaubten Einreisen über die Belarus-Route offenbar mit verstärkten deutsch-polnischen Patrouillen bremsen. Diese sollten vorrangig auf polnischem Gebiet stattfinden und lägen unterhalb der Schwelle von Grenzkontrollen, schrieb der CSU-Politiker an seinen Kollegen Mariusz Kaminski in Warschau. Darüber berichtete die Deutsche Presse-Agentur (dpa).
Thorsten Frei will Grenzkontrollen nicht ausschließen
Seehofer will am Mittwoch im Kabinett Maßnahmen präsentieren. Auch Grenzkontrollen sind im Gespräch – obwohl die in einem vereinten Europa eigentlich der Vergangenheit angehören sollen. Die CDU-Fraktion fordert Grenzkontrollen zwar nicht ausdrücklich. Sie lehnt sie aber auch nicht grundsätzlich ab. Eine geschlossene Grenze mit Staus wolle man nicht, sagt Frei. "Das wird von niemandem gefordert, verlangt oder auch nur gewünscht."
Allerdings gebe es beim Thema Grenzkontrollen "ganz viele Grauschattierungen". Umgesetzt wird laut Frei zum Beispiel bereits eine Art der Schleierfahndung. "Es können Situationen entstehen, die Grenzkontrollen an der Binnengrenze erforderlich machen könnten." Stichprobenartige Kontrollen fände er zum Beispiel sinnvoll.
Der SPD-Innenpolitiker Uli Grötsch sieht die Verantwortung vor allem bei Seehofer. "Das ist eine Frage, bei der exekutives Handeln gefragt ist, im Bundesinnenministerium. Außerdem haben wir eine handlungsfähige Bundespolizei", sagt der Bundestagsabgeordnete der dpa. Von stationären Kontrollen an der Grenze zu Polen hält er nichts.
Auch der FDP-Innenpolitiker Stephan Thomae sagte der dpa, innereuropäische Grenzkontrollen sollten nur als letztes Mittel erwogen werden. Nötig seien Druck auf Minsk und ein besserer Schutz der EU-Außengrenzen.
Kritik an Sondierungspapier der "Ampel"
Deutlich wird am Dienstag, dass die Union das Thema auch auf die Agenda setzt, um eine mögliche Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP unter Druck zu setzen. Brinkhaus macht daraus keinen Hehl. "Sehr besorgt" sei man angesichts der Pläne im Sondierungspapier, sagt er. "Dort wird signalisiert, dass wir in Deutschland offener werden."
Dass Asylbewerber künftig leichter einen dauerhaften Aufenthaltsstatus bekommen sollen, ist nach seiner Ansicht ein "Pull-Faktor" – also ein Faktor, der mehr Migranten anzieht. "Das ist eine Mischung, die es schwerer machen wird, das Doppel aus Humanität und Ordnung weiter durchzusetzen", glaubt der Christdemokrat.
Mit dem Pressetermin am Dienstag will er auch deutlich machen, dass die Unionsfraktion sich nicht nur mit dem innerparteilichen Führungsstreit beschäftigt. "Wir sind arbeitsfähig", betont Brinkhaus. (Mit Material von dpa)
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