- Bei der Blauhelm-Mission MINUSMA im westafrikanischen Mali häufen sich die Probleme.
- In Deutschland muss der Bundestag bald entscheiden: Soll die Bundeswehr dort weiter aktiv sein oder abziehen? Einfach ist die Frage nicht zu beantworten.
- Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann wirbt für eine Verlängerung – mit einem Aber: "Es muss einiges auf den Prüfstand."
Das Land ist dreimal so groß wie Deutschland, verfügt über eine reiche Kultur und Geschichte – und kommt doch nicht zur Ruhe. Seit mehr als zehn Jahren befindet sich Mali in einer politischen Krise, die auch in Deutschland verstärkt in den Blick gerät. Denn in dem westafrikanischen Land sind rund 1.300 deutsche Soldatinnen und Soldaten stationiert. Er ist der derzeit größte Einsatz der Bundeswehr. Und wohl auch der gefährlichste.
Die Zukunft des Blauhelm-Mandats der Vereinten Nationen wird in Berlin verstärkt diskutiert. Das hat nicht nur mit den jüngsten Geschehnissen im Land zu tun. Die Frage drängt sich schon seit dem vergangenen Sommer auf: Droht Mali, ein zweites Afghanistan zu werden?
Mali: Konflikte mit Separatisten und Terroristen
Zunächst ein Blick auf die Hintergründe: Bis zum Jahr 2012 galt Mali als relativ stabiler Staat in Afrika. Dann begann eine Rebellion der Volksgruppe der Tuareg, die im Norden Malis einen eigenen Staat errichten wollte. Zudem sorgen Terrorgruppen mit Verbindungen zu Al-Qaida oder dem sogenannten Islamischen Staat mit Anschlägen auf Sicherheitskräfte und auf die Bevölkerung für Schrecken.
Mit den Tuareg schloss die Regierung 2015 einen wackligen Friedensvertrag. Seit 2013 läuft MINUSMA, die Friedenssicherungsmission der Vereinten Nationen, an der sich Deutschland auf den Wunsch Frankreichs hin beteiligte. Das Ziel: Die ausländischen Blauhelm-Truppen sollen zur Sicherung der Waffenruhe und der staatlichen Souveränität Malis beitragen.
Die Terrorismusbekämpfung ist der Bundeswehr zufolge nicht Teil des Mandats – allerdings dürfen sich die Streitkräfte selbst verteidigen. Nach dem aktuellen MINUSMA-Mandat des Bundestags dürfen bis zu 1.100 Soldatinnen und Soldaten in der Region im Einsatz sein. Zurzeit sind dem Verteidigungsministerium zufolge rund 1.000 Personen vor Ort. Hinzu kommt die EU-Mission EUTM zum Training malischer Sicherheitskräfte mit einer Obergrenze von 600 Streitkräften. Davon sind derzeit rund 300 im Einsatz.
Der Auslöser für das Engagement in Mali sei nicht nur die Lage im Land selbst gewesen, sagt die FDP-Politikerin
"Wir müssen uns klar darüber sein, dass Bürgerkriege und Terror in diesem riesigen Gebiet auch Rückwirkungen auf uns haben. Jede bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzung hat etwas mit Europa zu tun, wenn sich nämlich Menschen ihrer Heimat beraubt auf den Weg nach Europa machen", sagt Strack-Zimmermann.
Strack-Zimmermann: Fehler aus Afghanistan nicht wiederholen
Die Ereignisse in Afghanistan im vergangenen Sommer werfen auch für den Mali-Einsatz Fragen auf. In Afghanistan waren ausländische Truppen rund 20 Jahre im Einsatz, um Land und Streitkräfte nach dem Sturz des Taliban-Regimes auf eigene Füße zu stellen. Nach ihrem Abzug gelang es den Taliban aber fast im Handstreich, die Macht im Land wieder zu übernehmen.
"Im Zweifel müssen wir uns fragen: Machen wir dieselben Fehler wie in Afghanistan?", sagt Strack-Zimmermann. "Dort haben wir die Sicherheitskräfte ausgebildet, mussten dann aber erkennen, dass der größte Teil der Armee-Angehörigen sich nicht hinter den Staat gestellt hat, sondern ausschließlich hinter ihrem Stamm und ihrer Familie steht und bereit ist, nur für diese zu kämpfen. Unsere Arbeit und unsere Ausbildung haben nicht so gefruchtet, als dass sich dort eine Nation gebildet hätte."
Probleme in Mali häufen sich
Hinzu kommen zahlreiche Probleme des Mali-Einsatzes. Die Militärregierung hat in dieser Woche einer Bundeswehr-Maschine den Überflug verweigert. Derzeit untersagt die Regierung die Nutzung luftgestützter Aufklärung durch MINUSMA. "Daher kann der Auftrag des deutschen Einsatzkontingentes derzeit nur eingeschränkt wahrgenommen werden", teilt eine Sprecherin des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr auf Anfrage unserer Redaktion mit.
Zweimal hat die Armee seit Beginn des Mandats geputscht. Nachdem sich die Militärregierung geweigert hatte, in diesem Jahr Wahlen abzuhalten, schlossen die Nachbarstaaten im Januar ihre Grenzen zu Mali. Dschihadisten haben zudem ihre Machtsphäre ausgeweitet. Außerdem gilt das Verhältnis zwischen Mali und Frankreich als zerrüttet. Die Franzosen haben ihre Truppen bereits reduziert. Die malische Regierung hat hingegen Söldner der umstrittenen russischen Wagner-Gruppe angeheuert.
Bundestag entscheidet bald über Verlängerung des Mandats
Das aktuelle Mandat der Bundeswehr gilt noch bis zum 31. Mai dieses Jahres. Im Bundestag dringen AfD und die Linke auf einen Abzug. Der Einsatz sei auf dem Weg in die Katastrophe, kritisierte der AfD-Abgeordnete Rüdiger Lucassen. Auch die Linke sieht Mali auf dem Weg, ein zweites Afghanistan zu werden.
Wahrscheinlich ist aber, dass der Bundestag das Mandat verlängert. Zumindest für ein Jahr. Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat in ihren Koalitionsvertrag geschrieben: "Wir werden uns weiterhin in der Sahelregion engagieren, um eine Ausbreitung der Instabilität zu verhindern."
"Wir können nicht einfach mal so rausgehen", sagt die Ausschussvorsitzende Strack-Zimmermann. Die Lehre aus Afghanistan sei aber: "Wir brauchen eine strengere regelmäßige Begutachtung der Einsätze." Zudem brauche jeder Bundeswehreinsatz auch immer eine Exit-Strategie. "Wir müssen die Frage frühzeitig klären: Was wäre die Folge, wenn wir das Land verlassen? Haben wir dann zum Beispiel mit einer Flüchtlingswelle oder mit terroristischen Angriffen in Europa zu rechnen?"
Die Liberale ist dafür, das Mandat vorerst zu verlängern. "Es muss aber einiges auf den Prüfstand. Unter anderem auch, ob die Ausrüstung ausreicht, mit der die Bundeswehr gerade vor Ort ist. Ich kann das heute noch nicht wirklich beantworten. Aber die Ausstattung unserer Soldatinnen und Soldaten in so einem Einsatz hat oberste Priorität."
Russland will ein Vakuum füllen
Die Lage ist komplex. Wegen der verschlechterten Sicherheitslage ist eine Ausweitung der MINUSMA-Mission im Gespräch, für die derzeit rund 18.000 internationale Einsatzkräfte aus mehr als 50 Staaten, davon mehr als 12.000 Soldatinnen und Soldaten, in der Region sind. Die Franzosen sehen das Projekt inzwischen aber kritisch. Staatspräsident Emmanuel Macron wird sich bald Wahlen stellen und will keine zusätzlichen toten Streitkräfte.
Ziehen sich die UNO-Truppen zurück, könnte allerdings Russland das Vakuum in der unruhigen Region füllen. "Wir sehen inzwischen, dass nicht nur die Söldner der sogenannten Wagner-Gruppe in Mali sind. Auch russische Soldaten laufen dort ungeniert in ihrer Uniform rum", sagt Marie-Agnes Strack-Zimmermann. "Das passt zu dem aktuellen Bild: Russland fordert Europa überall heraus. Wir sehen leider, dass der alte Ost-West-Konflikt nicht nur in Europa, sondern in vielen Teilen der Welt wieder ausgetragen wird."
Die Parlamentarierin betont, dass es sich bei der Sahelzone um eine chronisch unruhige Gegend handelt. Wichtig sei es deshalb, nach den Ursachen der Konflikte zu suchen. "Ein zentrales Problem in Mali ist der große Wassermangel. Hier findet ein täglicher Kampf um Ressourcen statt, die dort schlichtweg nicht vorhanden, aber lebensnotwendig sind."
Die Bundeswehr könne in dieser Situation militärisch kurzfristig für Ruhe sorgen. "Diplomatie und Entwicklungszusammenarbeit müssen aber dann ihre Aufgabe wahrnehmen. Wenn wir die ursächlichen Probleme nicht lösen, wird es nie zu mehr Stabilität und damit zu mehr Sicherheit vor Ort kommen."
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann
- Einsatzführungskommando der Bundeswehr, Presse-und Informationszentrum
- Bundeswehr.de: Mali – Minusma
- United Nations Peacekeeping: MINUSMA Fact Sheet
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