Mehr Grenzkontrollen und Zurückweisungen: Die Ampel-Regierung hat der Union nach Angaben aus Regierungskreisen jetzt einen Vorschlag unterbreitet. Eine erste Bewertung von CDU-Seite fällt positiv aus.

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Um die Zahl der unerlaubten Einreisen stärker einzudämmen, hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vorübergehende Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen angeordnet. Diese Kontrollen zu weiteren fünf Staaten sollten eine "massive Ausweitung der Zurückweisungen" Geflüchteter ermöglichen, sagte Faeser am Montag in Berlin. Auswirkungen auf Pendler sollten dabei "so gering wie möglich" gehalten werden.

Die zusätzlichen Kontrollen sollen am 16. September beginnen und zunächst sechs Monate andauern, wie am Montag aus Regierungskreisen bekannt wurde.

Die Grenzkontrollen hat Faeser nach eigenen Angaben wie vorgesehen bei der EU-Kommission notifiziert. Als Gründe verweist die Bundesregierung auf "die Erforderlichkeit, die irreguläre Migration weiter zu begrenzen und der Schutz der inneren Sicherheit".

Das Bundesinnenministerium verwies dabei auf die Gesamtbelastung Deutschlands, "insbesondere die begrenzten Kapazitäten der Kommunen bei Unterbringung, Bildung und Integration durch die Aufnahme von 1,2 Millionen Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine und die Asylmigration aus den vergangenen Jahren". Außerdem sei "die aktuelle Sicherheitslage maßgeblich, insbesondere der Schutz vor islamistischem Terrorismus und schwerer grenzüberschreitender Kriminalität". "Wir tun alles, um die Menschen in unserem Land dagegen zu schützen", sagte Faeser.

Ampel will ein "Modell für effektive Zurückweisungen" entwickelt haben

Nach dem Migrationstreffen mit Unionsfraktion und Ländervertretern in der vergangenen Woche habe die Regierung zudem ein "Modell für europarechtskonforme und effektive Zurückweisungen entwickelt", hieß es aus Regierungskreisen weiter. Dieses Modell gehe über die derzeit erfolgenden Zurückweisungen hinaus.

Wie der neue Vorschlag der Bundesregierung zu den Zurückweisungen genau aussieht, ließ Faeser zunächst offen. Diesen wolle sie zuerst der Union vorstellen, sagte die Innenministerin. Sie habe dazu mit dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), telefoniert. In der Vergangenheit hatte es aus dem politischen Raum unterschiedliche Ideen gegeben, etwa dass diese auf alle Ausländer ohne Ausweispapiere ausgedehnt werden sollten oder auf Asylbewerber, die bereits in einem Land als Schutzsuchende registriert wurden.

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Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) hatte eine Ausweitung der Zurückweisungen an den Grenzen zur Bedingung für eine Fortsetzung der Gespräche mit der Regierung über die Migrationspolitik gemacht. Diese waren nach dem Messeranschlag von Solingen mit drei Toten in der vergangenen Woche aufgenommen worden; als mutmaßlicher Täter war ein Syrer festgenommen worden.

Zurückweisungen an deutschen Landgrenzen gibt es derzeit nur in bestimmten Fällen: wenn jemand mit einer Einreisesperre belegt ist oder kein Asyl beantragt. Zurückweisungen an den deutschen Binnengrenzen sind grundsätzlich nur da möglich, wo es Kontrollen direkt an der Grenze gibt.

Wüst begrüßt geplante Kontrollen

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) begrüßte die von Bundesinnenministerin Faeser angeordneten zusätzlichen Kontrollen. Solange die EU-Außengrenzen nicht geschützt würden, müsse es möglich sein, die Binnengrenzen zu schützen, sagte Wüst am Montag am Rande eines Besuchs des "Innovation Lab" der NRW-Polizei in Duisburg.

"Wir haben die Pflicht, genau hinzuschauen, wer kommt. Da geht es nicht nur um Migration, da geht es auch um innere Sicherheit, Terrorismus und organisierte Kriminalität." Offene Grenzen gehörten zwar zur Freiheit in Europa dazu, aber es gehöre auch dazu, Freiheit und Sicherheit zu schützen. "Und deswegen sind diese Kontrollen gut und helfen uns bei den Aufgaben, die jetzt anstehen", sagte der CDU-Politiker.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) bezeichnete die Entscheidung für vorübergehende Grenzkontrollen als "zwingend notwendig", auch wenn es einem als Europäer schwerfalle. Er kritisierte zugleich die langen Entscheidungszeiträume in der Bundesregierung. Dann verstehe man, "warum Menschen langsam verzweifeln an dem, was Politik hinkriegt oder nicht hinkriegt".

Österreich will zurückgewiesene Flüchtlinge nicht aufnehmen

Als erstes Nachbarland reagierte Österreich direkt auf die Ankündigung. "Österreich wird keine Personen entgegennehmen, die aus Deutschland zurückgewiesen werden", sagte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) am Montag der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Da gibt es keinen Spielraum." Er habe den Chef der österreichischen Bundespolizei angewiesen, "keine Übernahmen durchzuführen".

Karner verwies auf das Europarecht. Flüchtlinge, die einen Asylantrag stellten, dürften nicht formlos an der Grenze zurückgewiesen werden. Wenn sich Hinweise ergäben, dass für das Asylverfahren nach den Dublin-Regeln ein anderes EU-Land zuständig sei, müsse ein "formelles Konsultationsverfahren" eingeleitet werden, betonte Karner. Erst nach Zustimmung des betreffenden Mitgliedsstaates könne ein Flüchtling überstellt werden.

An der deutsch-österreichischen Grenze bestehen Kontrollen bereits seit der großen Flüchtlingsbewegung im Jahr 2015. Aktuell sind sie noch bis Mitte November befristet.

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Seit Oktober sind laut Bundesinnenministerium mehr als 30.000 Menschen zurückgewiesen worden. Mitte Oktober 2023 hatte Bundesinnenministerin Faeser zusätzlich zu den Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze stationäre Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz angeordnet. Die neu angeordneten Kontrollen direkt an der Grenze betreffen die Landgrenzen zu Frankreich, Dänemark, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg.

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