Bricht im Nahen Osten bald ein großer Krieg aus? Und wird Deutschland sich militärisch daran beteiligen? Diese Fragen treiben derzeit Politiker in Berlin um.
Der wichtigste Verbündete Israels sind die USA, dennoch ist angesichts der iranischen Drohung nun auch in Deutschland eine Debatte um eine mögliche militärische Unterstützung entbrannt. Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages, Marcus Faber, sieht einen Einsatz der Bundeswehr im Nahost-Konflikt skeptisch. Deutschland sollte Israel helfen, etwa mit der schnellen Bewilligung von Rüstungsexporten, sagte der FDP-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Er fügte aber hinzu: "Die Bundeswehr in Israel wurde nicht angefragt und könnte wenig helfen."
Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter hatte zuvor dafür plädiert, die Bundesregierung sollte angesichts der drohenden iranischen Attacke Israel auch militärischen Beistand zur Abwehr anbieten. Das sieht sein Parteikollege Johann Wadephul anders. "Szenarien wie eine militärische Unterstützung stehen nach unserer Kenntnis nicht auf der Tagesordnung. Dafür wäre ohnehin ein Bundestagsmandat vonnöten", sagte der Unionsfraktionsvize dem RND.
Auslöser der neuen Krise in Nahost waren zwei tödliche Angriffe vergangene Woche auf führende Mitglieder der Hamas und der Hisbollah. In der Nacht zu Mittwoch tötete eine Explosion im Zimmer eines Gästehauses der iranischen Regierung in Teheran den Auslandschef der islamistischen Hamas, Ismail Hanija. Wenige Stunden zuvor war der ranghohe Hisbollah-Kommandeur Fuad Schukr in der libanesischen Hauptstadt Beirut bei einem Luftangriff getötet worden. Zum Angriff auf Schukr bekannte sich Israel, zum Anschlag auf Hanija gab es bislang keine offiziellen Äußerungen dieser Art aus Jerusalem. Der Iran und die mit ihm verbündete Hamas machen den jüdischen Staat in beiden Fällen verantwortlich und haben Vergeltung angekündigt.
Merkel prägte Begriff "Staatsräson"
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion,
Den rechtlich unspezifischen Begriff der "Staatsräson" hatte Alt-Bundeskanzlerin
Frei sagte, es gehe – damals wie heute – darum, Israel "mit allem, was wir zur Verfügung haben und was wir einsetzen können, zu unterstützen". Dennoch müsse man immer die Frage stellen, "Was ist richtig, was ist klug?" Und da müsse man dann "mit viel Augenmaß an die Dinge herangehen" und auch aufpassen, dass man keinen Beitrag zur Eskalation der Situation vor Ort leiste. Man müsse auch schauen, dass das, was man tut, "am Ende wirklich auch hilfreich ist und nutzt, und dann ist der zweite Blick dann vielleicht ein anderer als der erste".
Der Begriff der "Staatsräson" bedeute für ihn, dass Deutschland eine besondere Verpflichtung dafür habe, "dass das, was dem jüdischen Volk mit der Schoah passiert ist – und die Existenz Israels ist ja im Grunde genommen die völkerrechtliche Antwort auf die Schoah gewesen – dass so etwas nie wieder passiert".
Unionspolitiker Hardt mahnt zur Diskretion
Auch der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt, widersprach Kiesewetter. Dem WDR sagte er, man solle nicht die Erwartungen wecken, dass deutsche Kampfflugzeuge zur Verteidigung Israels eingesetzt werden könnten. "Ich fürchte, dass die Bundeswehr dazu gar nicht in der Lage wäre, selbst wenn wir das wollten", so Hardt weiter. Er sei zudem der Meinung, dass solche Fragen nicht offen, sondern hinter verschlossenen Türen diskutiert werden sollten.
Der FDP-Außenpolitiker Ulrich Lechte kann sich hingegen eine Betankung von Kampfjets Verbündeter durch die Bundeswehr vorstellen. Der Bundestag könne das Mandat hierfür gegebenenfalls auch erst nachträglich erteilen, sagte er dem "Tagesspiegel". Dort verwies auch der Grünen-Europaabgeordnete Sergey Lagodinsky darauf, dass die Präsenz der Bundeswehr in der Nahost-Region durch den Militäreinsatz gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) bereits gegeben sei. Die Bundeswehr setzt dort Maschinen vom Typ A400M zur Luftbetankung ein.
Der SPD-Verteidigungsexperte Andreas Schwarz sagte dem RND: "Bisher liegen keine Anfragen aus Israel vor. Ich gehe aber davon aus, dass die Bundesregierung darauf vorbereitet ist und in dieser Frage mit Israel und den westlichen Verbündeten in Kontakt steht." Schwarz verwies darauf, dass der Schutz Israels deutsche Staatsräson sei. "Dies ist ein klares Versprechen mit sehr hoher Verantwortung. Im Ernstfall müssen diesen großen Worten auch die entsprechenden Taten folgen."
Josef Schuster: Deutschland müsste bei großem Angriff an Israels Seite stehen
Deutlicher wurde der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. Die historische Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels sei zwar nicht rechtlich bindend, sagte Schuster im RND-Interview. Er betonte gleichwohl: "Aber aus meiner Sicht bedeutet das natürlich, dass Deutschland im Falle eines Angriffes in der Größenordnung, wie er aktuell droht, auch militärisch an der Seite des jüdischen Staates steht."
Das forderte auch der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), Volker Beck. Zudem solle der Bundessicherheitsrat alle Rüstungsexporte nach Israel unverzüglich genehmigen. "Die Zurückhaltung und die bürokratischen Einzelfallentscheidungen müssen jetzt im Bundessicherheitsrat fallen", sagte Beck laut Mitteilung. Im Bundessicherheitsrat sitzen der Kanzler und verschiedene Bundesminister, um sich mit strategischen Fragen der Sicherheitspolitik Deutschlands zu befassen.
Bundeswehr bereitet Evakuierung Deutscher vor Ort vor
Nach einem Bericht des "Spiegel" bereitet sich die Bundeswehr unterdessen auf eine groß angelegte Evakuierungsoperation für deutsche Staatsbürger vor. Hintergrund seien Geheimdienstinformationen, die von einem Vergeltungsschlag des Iran gegen Israel in dieser Woche ausgingen, berichtete das Magazin. Die Analysten seien sich ziemlich sicher, dass dabei auch die pro-iranische Hisbollah-Miliz Israel vom Libanon aus massiv angreifen werde und Israel reagieren müsse.
Bei den Planungen konzentrierten sich die Militärs vor allem auf die Rettung von Deutschen aus dem Libanon, berichtete das Magazin. Die Luftwaffe halte seit einigen Tagen eine kleine Flotte von A400M-Transportflugzeugen einsatzbereit. Die Maschinen könnten nach wenigen Stunden Flugzeit Deutsche in Beirut aufnehmen, auf der nahegelegenen Insel Zypern absetzen und wieder in Richtung der libanesischen Hauptstadt losfliegen. Derzeit geht die Bundesregierung davon aus, dass sich über 2.000 Deutsche im Libanon aufhalten.
Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums bestätigte konkrete Vorbereitungen auf Anfrage nicht. Er verwies auf Gründe "der operationellen Sicherheit und zum Schutz aller Beteiligten". Generell halte die Bundeswehr für militärische Evakuierungsoperationen aber "Ressourcen so verfügbar, dass diese stets kurzfristig und flexibel eingesetzt werden können". (afp/dpa/bearbeitet von the)
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