Israel steht angesichts der hohen und weiter steigenden Zahl ziviler Opfer im Gaza-Krieg international zunehmend in der Kritik. Jetzt wird sogar das Weltgericht angerufen. Der Vorwurf: "Genozid". Ein Überblick über die Ereignisse der Nacht und ein Ausblick auf den Tag.
Israel weist Genozid-Anschuldigung zurück
"Die Klage Südafrikas entbehrt sowohl der faktischen als auch der juristischen Grundlage", schrieb ein Sprecher des israelischen Außenministeriums auf X, vormals Twitter, am Freitagabend. "Südafrika arbeitet mit einer Terrororganisation (Hamas) zusammen, die zur Zerstörung des Staates Israel aufruft." Für das Leid der Palästinenser in Gaza sei ausschließlich die Hamas verantwortlich.
Israels Armee jagt weiter Hamas-Führung
Unterdessen hält sich der militärische Anführer der Hamas, Jihia Sinwar, nach Vermutung der israelischen Armee in unterirdischen Tunneln in Chan Junis im Süden des Gazastreifens versteckt. Auf diese Stadt konzentrieren sich Israels Truppen bei ihrer Bodenoffensive derzeit. Sie gilt als Hochburg der Hamas. Im zuvor umkämpften Norden des von Israel abgeriegelten Küstengebietes fanden und zerstörten Israels Truppen in den vergangenen Wochen eines von Sinwars früheren Verstecken, wie die israelische Armee erst jetzt bekanntgab.
Im Keller eines Hauses seien die israelischen Soldaten auf einen Tunneleingang gestoßen, hieß es am Freitagabend. Dieser habe zu unterirdischen Gängen in einer Tiefe von 20 Metern und mit einer Länge von 218 Metern geführt. Sinwar soll Medienberichten zufolge schon kurz nach Kriegsbeginn in den Süden Gazas geflohen sein.
Unterhalb des Gazastreifens erstreckt sich über viele Kilometer ein ganzes Netzwerk aus Tunneln, in denen sich laut Israel etliche Terroristen der Hamas verstecken und dort auch Geiseln aus Israel festhalten. Um Israels Bomben aus der Luft widerstehen zu können, reichen manche Tunnel Dutzende Meter unter die Erde. Die Terroristen nutzen die Tunnel zugleich, um aus dem Nichts aufzutauchen und hinterrücks anzugreifen. Viele der Tunnel sind mit Sprengfallen versehen, um israelische Soldaten, die dort eindringen, zu töten.
Südafrika: Israel betreibt Vernichtung der Palästinenser
Auslöser des Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der Hamas sowie anderer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübt hatten. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und mit einer Bodenoffensive. Die Zahl der insgesamt seit Kriegsbeginn im Gazastreifen getöteten Palästinenser stieg nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde in Gaza auf 21 507. Die Zahl lässt sich derzeit nicht unabhängig überprüfen.
Angesichts der katastrophalen humanitären Lage und der hohen Zahl ziviler Opfer geriet Israel zuletzt international immer mehr in die Kritik. Südafrika ist dabei einer der schärfsten Kritiker Israels. Südafrikanische Politiker haben Israels Verhalten im Gazastreifen wiederholt mit dem Apartheid-System der Trennung von Schwarzen und Weißen in ihrem eigenen Land in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verglichen.
Das Weltstrafgericht in Den Haag ermittelt bereits seit 2021 gegen die Hamas und Israel wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in Gaza. Israel ist zwar kein Vertragsstaat des Weltstrafgerichts, aber zusammen mit Südafrika ein Unterzeichner der Völkermordkonvention. Dies ermöglicht die Klage beim Internationalen Gerichtshof. Die Handlungen der israelischen Streitkräfte hätten "einen völkermörderischen Charakter", da sie auf die Vernichtung der Palästinenser in Gaza abzielen würden, heißt es in Südafrikas Klage.
Eine Anhörung zu Südafrikas Antrag beim IGH, Israel per einstweiliger Verfügung zur sofortigen Kampfeinstellung aufzufordern, könnte innerhalb weniger Wochen erfolgen. Sollte das Gericht danach ein Verfahren zu Südafrikas Anklage wegen Völkermordes eröffnen, könnten dagegen noch Jahre vergehen, bis es zu einem Urteilsspruch kommt.
WHO warnt vor Ausbreitung von Infektionskrankheiten
Israel betont immer wieder, es befinde sich im Krieg mit der Hamas und nicht mit den palästinensischen Zivilisten im Gazastreifen. Die Hamas benutze Zivilisten als menschliche Schutzschilde. Internationale Hilfsorganisationen werden unterdessen nicht müde, auf die grauenhafte humanitäre Lage im Gazastreifen hinzuweisen.
Die Menschen im Süden des von Israel abgeriegelten Küstengebietes, das kaum größer als die Stadt München ist, seien weiterhin zur Massenflucht gezwungen, schrieb der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, auf der Plattform X. Die Notunterkünfte seien völlig überfüllt. "Meine WHO-Kollegen und ich sind weiter sehr besorgt über die zunehmende Bedrohung durch Infektionskrankheiten", schrieb Tedros.
USA versorgen Israel weiter mit Waffen
Derweil sorgen die USA als wichtigster Unterstützer Israels dafür, dass der jüdische Staat in seinem Kampf gegen die Hamas weiter mit Waffen versorgt wird. Das US-Außenministerium hat unter Umgehung des Kongresses den Verkauf weiterer Waffen an Israel im Millionenwert genehmigt. Ohne die sonst bei Rüstungsverkäufen ins Ausland übliche Überprüfung durch den Kongress sei damit grundsätzlich der Verkauf von Waffen im Wert von 147,5 Millionen Dollar (rund 133 Mio Euro) möglich, teilte die zuständige Defense Security Cooperation Agency am Freitag (Ortszeit) mit. Es gehe um die Sicherheitsinteressen der USA.
Was am Samstag wichtig wird
Die humanitäre Lage im Gazastreifen bleibt katastrophal. Tausende Zivilisten sind erneut auf der Flucht vor den andauernden Kämpfen, die sich derzeit auf den Süden und auf den mittleren Gazastreifen konzentrieren. Die Kritik an Israels Vorgehen bricht nicht ab. (dpa/pak)
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