Widersprüchliche Aussagen von US-Präsident Trump und seinem Verteidigungsminister nähren Zweifel an der Begründung für die folgenschwere Tötung des iranischen Top-Generals Soleimani. Trump widerspricht - Klarheit herrscht damit aber trotzdem nicht.

Mehr zu den USA unter Donald Trump hier

US-Präsident Donald Trump hat Spekulationen über Unstimmigkeiten innerhalb seiner Regierung mit Blick auf die gezielte Tötung des iranischen Top-Generals Ghassem Soleimani zurückgewiesen.

In seinem Team habe Einigkeit geherrscht, schrieb Trump am Montag auf Twitter und rechtfertigte den Angriff erneut. Zuvor waren Aussagen von Trump und seinem Verteidigungsminister Mark Esper als offener Widerspruch gewertet worden.

Trump hatte vergangene Woche gesagt, dass Angriffe "wahrscheinlich" auf vier US-Botschaften geplant gewesen sein könnten. Beweise dafür habe er nicht gesehen, sagte Esper am Sonntag.

Tötung Soleimanis als Präventionsmaßnahme?

Der Luftschlag gegen Soleimani Anfang Januar blieb nicht folgenlos und ist deshalb in den USA umstritten. Washington begründete die Operation mit bevorstehenden Angriffen auf US-Bürger, was aus US-Sicht einen Anti-Terror-Einsatz legitimieren würde.

Bei jeder Gelegenheit wurden Trump und seine Minister in den vergangenen zehn Tagen mit Fragen konfrontiert, welche Gefahr genau drohte und wie unmittelbar die Bedrohung war.

Vergangene Woche ging Trump dann über bisherige Äußerungen hinaus und sagte, Soleimani habe amerikanischen Botschaften im Visier gehabt. Vor allem eine Aussage am Freitag in einem Fernsehinterview sorgte für Aufmerksamkeit: "Ich kann verraten, dass ich glaube, dass es wahrscheinlich vier Botschaften gewesen wären."

US-Verteidigungsminister sieht keine Beweise

Auf die Frage nach einem Beweis für die von Trump angeführten angeblichen Angriffspläne sagte Verteidigungsminister Esper am Sonntag dem US-Sender CBS: "Ich habe in Bezug auf vier Botschaften keinen gesehen."

Esper betonte, Trump habe von einer Möglichkeit gesprochen. Er teile die Meinung des Präsidenten. "Meine Erwartung war, dass sie es auf unsere Botschaften abgesehen haben." Er fügte hinzu: "Wir hatten Informationen, dass es innerhalb weniger Tage einen Angriff geben würde, der ein breites Ausmaß haben würde, mit anderen Worten: mehr als ein Land."

Aus Sicht des früheren Botschafters in den USA, Jürgen Chrobog, hat Esper mit seinen Aussagen einen "sehr gefährlichen Weg beschritten". Das widerspreche auf jeden Fall dem, was Trump festgestellt habe. "Die Widersprüchlichkeit ist dort sehr deutlich geworden", sagte Chrobog am Montag im Deutschlandfunk.

Adam Schiff bemängelt fehlende Grundlage

Der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im US-Repräsentantenhaus, Adam Schiff, der über den Einsatz von der US-Regierung unterrichtet wurde, kritisierte, dass die Regierung offenbar auf Grundlage von Vermutungen einen riskanten Angriff durchführte.

"Nun sagt Esper, es waren keine Geheimdienstinformationen, sondern nur Trumps persönliche Überzeugung. Das ist keine Grundlage, um uns an den Rand eines Krieges zu führen", twitterte Schiff. Die US-Demokraten hatten wiederholt Zweifel an der Begründung des Einsatzes gegen Soleimani angemeldet und kritisiert, dass der Kongress vorab nicht konsultiert worden sei.

"Wir waren sehr besorgt über die Situation, wir hatten exquisite Geheimdienstinformationen. Und die Geheimdienstinformationen haben gezeigt, dass sie US-Einrichtungen in der gesamten Region im Blick hatten", sagte Trumps Nationaler Sicherheitsberater Robert O'Brien dem Sender NBC. "Die Bedrohung war unmittelbar."

Regierungskritische Proteste im Iran

Teheran hatte die Tötung des Generals mit einem Vergeltungsschlag auf Militärstützpunkte im Irak beantwortet, die von den USA genutzt werden. Dabei wurde eine ukrainische Linienmaschine mit 176 Menschen an Bord versehentlich abgeschossen.

Der verheerende Zwischenfall trieb im Iran tausende Menschen zu regierungskritischen Protesten auf die Straßen. Die Führung in Teheran hatte zuvor einen technischen Defekt als Absturzursache angeführt. Das Militär räumte erst am Samstag den irrtümlichen Abschuss der Maschine ein. Die gesamte iranische Führung drückte ihr Bedauern über den Vorfall aus.

Bis zu 3.000 Menschen demonstrierten am Sonntag laut der Nachrichtenagentur ILNA auf dem Asadi-Platz in der Hauptstadt und kritisierten auch die Vertuschung von Fakten durch die iranische Führung. Es gab dem Bericht zufolge Forderungen nach dem Rücktritt aller beteiligten Offiziellen. Polizei und Sicherheitskräfte versuchten laut ILNA, die Proteste zu beenden.

Trump unterstützt Demonstranten gegen Teheran-Regime

Trump warnte die iranische Führung davor, gewaltsam gegen Regierungskritiker vorzugehen und stellte sich via Twitter demonstrativ hinter die Demonstranten - zum Ärger Teherans. Am Montag lobte er die Protestierenden. "Wow! Die wundervollen iranischen Demonstranten haben sich geweigert, auf unsere großartige amerikanische Flagge zu treten oder sie in irgendeiner Weise zu verunglimpfen."

Seit der einseitigen Aufkündigung des internationalen Atomabkommens durch die USA im Mai 2018 hatten die Spannungen zwischen den beiden Ländern immer weiter zugenommen. Die gezielte Tötung Soleimanis markierte einen gefährlichen Eskalationspunkt.

In dem Abkommen mit den fünf UN-Vetomächten und Deutschland hatte sich der Iran 2015 verpflichtet, sein Atomprogramm so zu gestalten, dass das Land keine Atombomben bauen kann. Im Gegenzug sollten Sanktionen aufgehoben werden. Jedoch stiegen die USA nach der Wahl Trumps aus dem Abkommen aus und verschärften die Sanktionen gegen Teheran sogar. (hub/dpa)  © dpa

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.