- Finnland und Schweden drängen in die Nato.
- Alle 30 Mitglieder müssen dem Beitritt der beiden Nordländer in das Verteidigungsbündnis zustimmen.
- Das Problem: Die Türkei stellt sich quer.
Wenn möglich soll nun alles ganz schnell gehen: Finnland und Schweden wollen wegen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine und der damit drastisch veränderten Sicherheitslage Mitglied der Nato werden. Beide skandinavischen Staaten sind Vorzeigedemokratien und zählen bereits jetzt zu den am stärksten integrierten Partnern der Nato. Ihr Beitritt zu dem Verteidigungsbündnis scheint demnach reine Formsache – wenn die Türkei nicht wäre.
Denn dem Bündnisbeitritt Finnlands und Schwedens müssen alle 30 Nato-Staaten zustimmen, die Parlamente müssen den Schritt anschließend ratifizieren. Darunter natürlich auch die Regierung und die Große Nationalversammlung der Türkei, die bereits seit 1952 Nato-Mitglied ist und damit drei Jahre länger als die Bundesrepublik.
Doch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan verwehrt den beiden Nordländern die Zustimmung und droht mit einem Veto: Die Türkei werde zu einem Nato-Beitritt der beiden Länder "nicht Ja sagen", sagte er Montag in Ankara. Wir erklären, was hinter der Blockadehaltung steckt und wie eine mögliche Lösung aussehen könnte.
Warum lehnt die Türkei einen Beitritt Finnlands und Schwedens zur Nato ab?
Die türkische Regierung wirft Finnland und Schweden vor, die von der Türkei bekämpfte kurdische Arbeiterpartei PKK und die Kurdenmiliz YPG in Syrien zu unterstützen. Die nordischen Länder würden seit Langem kurdische Extremistengruppen sowie Anhänger des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen beherbergen. Erdogan macht die Gülen-Bewegung für den Putschversuch in der Türkei 2016 verantwortlich.
Schweden und Finnland seien "wie ein Gästehaus für Terrororganisationen", erklärte der türkische Präsident. Dort lebende "Terroristen" würden nicht ausgeliefert. In den vergangenen fünf Jahren hätten weder Schweden noch Finnland positiv auf die insgesamt 33 Auslieferungsersuchen der Türkei reagiert, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Montag unter Berufung auf das Justizministerium in Ankara. Insbesondere in Schweden leben viele türkische Einwanderer, darunter auch jene, die vor dem türkischen Regime geflohen sind.
Als weiteren Grund führte Erdogan an, dass man nicht einem Beitritt von Ländern zustimmen kann, die Sanktionen gegen die Türkei verhängten.
Was will die Türkei wirklich erreichen?
Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn bezweifelt, dass es dem türkischen Präsidenten tatsächlich um Schweden und Finnland sowie den Umgang mit kurdischen Extremistengruppen gehe. Vielmehr versuche Erdogan, den Preis hochzutreiben, sagte Asselborn am Dienstag im Deutschlandfunk. Er sprach von einer "Basar-Mentalität" Erdogans.
Asselborn spekulierte, die ablehnende Haltung Ankaras könnte damit zu tun haben, dass sich die Türkei Zugeständnisse bei Rüstungslieferungen erhoffe. Er verwies auf den Streit um die Lieferung von F-35-Kampfflugzeugen.
Die Entscheidung der Türkei für den Kauf russischer S-400-Luftabwehrraketen hatte 2019 für Spannungen zwischen Ankara und Washington gesorgt. Washington verhängte deshalb Sanktionen gegen Ankara und legte einen Vertrag mit der Türkei zum Kauf von US-Kampfflugzeugen der neuesten Generation (F-35) auf Eis. Ankara pochte daraufhin auf eine Entschädigung und forderte zumindest die Lieferung von Kampfjets einer älteren Generation (F-16).
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte bereits am Wochenende kritisiert, dass es wegen des türkischen Kampfes gegen Gruppierungen wie der PKK Exportbeschränkungen für Rüstungsgüter gebe und deren Aufhebung gefordert. Unter anderem hatte die vorherige Bundesregierung nach dem Einmarsch der Türkei in Nordsyrien im Oktober 2019 die Rüstungsexporte in die Türkei teilweise gestoppt.
Wie reagiert die Nato auf Erdogans Blockade?
Unter den Nato-Partnern sorgen die indirekten Vetodrohungen der Türkei für erheblichen Unmut. Denn Deutschland und die meisten anderen Alliierten begrüßen es, dass Finnland und Schweden in Reaktion auf Russlands Angriff auf die Ukraine mit Vorbereitungen für einen Nato-Beitritt begonnen haben.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg rief dazu auf, die Forderungen Ankaras ernst zu nehmen. "Die Türkei ist ein geschätzter Bündnispartner und alle Sicherheitsbedenken müssen angegangen werden", teilte Stoltenberg am Montagabend nach einem Gespräch mit Cavusoglu mit. "In diesem historischen Augenblick müssen wir zusammenstehen."
Wie könnte eine Lösung aussehen?
Wie die Türkei von einem Veto gegen einen Nato-Beitritt von Schweden und Finnland abgehalten werden kann, ist derzeit völlig offen.
Nach Angaben von Diplomaten könnten Erklärungen der beiden Nordländer zum Kampf gegen den Terrorismus oder internationale Zusagen zu Waffengeschäften Teile einer möglichen Lösung sein. So könnte die USA ihre Haltung etwa zum Verkauf der F-16-Kampfjets ändern und einem Deal politisch zustimmen.
In Nato-Kreisen wird es für denkbar gehalten, dass es nach Gesprächen des türkischen Außenministers in Washington einen Durchbruch geben könnte. Diese sind für Mitte der Woche geplant.
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