Nach der Sommerpause geht der Machtkampf in der CDU in die entscheidende Phase. Eine zentrale Frage dabei: Kann der neue CDU-Chef auch Kanzler?

Mehr aktuelle News finden Sie hier

Kann Armin Laschet noch aufholen? Am Samstag reist der NRW-Ministerpräsident extra in den Erzgebirgskreis. Zusammen mit Michael Kretschmer besucht er ein Schaubergwerk - der sächsische Regierungschef gilt als beliebter Hoffnungsträger in der CDU. Später ist Laschet bei der 30-Jahr-Feier des Freistaats dabei.

Es geht um Symbolik und Bilder - sonst jubeln die Leute im Osten schließlich meist Friedrich Merz zu, Laschets größtem Gegner im Kampf um den CDU-Vorsitz. Und nun? Ist Laschet wieder in der Defensive: Er muss vor allem erklären, warum er beim Festkonzert mit 2000 Leuten dabei ist, während zu Hause in NRW noch viel strengere Regeln gelten.

Umfragen: Söder meilenweit vor CDU-Kandidaten

Gut drei Monate vor dem geplanten Stuttgarter Wahlparteitag scheint das Rennen um den CDU-Vorsitz völlig offen. Besonders vertrackt ist die Lage, weil immer die zentrale Frage im Hintergrund steht: Kann der nächste CDU-Chef auch Kanzlerkandidat?

In den Umfragen liegt Markus Söder hier meilenweit vor den CDU-Kandidaten. Im jüngsten "Deutschlandtrend" von ARD-"Tagesthemen" und "Welt" kommt der bayerische Ministerpräsident auf 56 und Merz auf 33 Prozent.

Laschet und der Außenexperte Norbert Röttgen folgen abgeschlagen mit 24 und 21 Prozent. Bei den Unionsanhängern liegt Laschet auf dem letzten Platz - Söder kommt auf 75 Prozent, Laschet auf 24. Ein Bayer als Kanzler? Doch das Ringen in der Union ist noch lange nicht entschieden.

Vor der Sommerpause hatten auch einige in der CDU-Führungsmannschaft große Zweifel, ob Laschet aus dem Umfragetief nochmal herauskommen könne. Doch hört man sich derzeit in der Union um, könnte sich das Bild noch drehen. Vielleicht, so heißt es hinter vorgehaltener Hand, sei Laschet in der Coronakrise im Vergleich zu dem immer tatkräftig auftretenden Söder ja doch Unrecht getan worden.

Auch Merz mit Problemen wegen Coronakrise

Zugleich heißt es zwar weiterhin unisono, Merz werde Fehler wie bei seiner Kandidatur gegen die nun scheidende Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer im Dezember 2018 nicht wiederholen. Er bearbeite intensiv die möglichen Delegierten für den nächsten Parteitag.

Doch auch der 64 Jahre alte Wirtschaftsexperte hat Probleme wegen der Coronakrise. Laschet und Söder können sich da als Regierungschefs in der Pandemie viel besser profilieren.

Selbst der im Ringen um den Parteivorsitz als Außenseiter geltende Röttgen hat als anerkannter Außenpolitiker etwa beim Thema Nawalny eine öffentliche Bühne, auf der er stärker als noch vor wenigen Wochen wahrgenommen wird.

Nicht umsonst dürfte sich Merz deswegen jüngst außergewöhnlich kritisch über die Zukunft der Gaspipeline Nord Stream 2 geäußert haben: Als Konsequenz aus der Vergiftung des russischen Regierungskritikers Alexej Nawalny plädiert der Wirtschaftsexperte für ein zweijähriges Moratorium beim Bau der umstrittenen Gasleitung.

Kommunalwahlen als Wegmarke für Laschet

Für Laschet steht kommende Woche eine wichtige Wegmarke an. Weil öffentliche Stimmungstests bei Parteiauftritten in Corona-Zeiten so schwierig sind, dürften viele auf das Abschneiden der CDU bei den NRW-Kommunalwahlen am Sonntag schauen.

Können die Christdemokraten der SPD wichtige Oberbürgermeisterposten wie in Düsseldorf abnehmen, dürfte das auch auf Laschets Konto einzahlen, hoffen sie in der CDU.

Söder und die CSU halten sich derweil aus dem Streit um den CDU-Vorsitz betont heraus. Hinter vorgehaltener Hand ist bei der kleinen Unionsschwester aber zu hören, Laschet habe im Vergleich zu Merz aufgeholt, es laufe wohl auf den Ministerpräsidenten zu.

Zudem seien bei der CDU Aufbruchstimmung und Teamgeist nach der Vorsitzendenwahl nötig - und nicht eine erneute Spaltung wie nach der Abstimmung zwischen Merz und Kramp-Karrenbauer. Sonst könne man die Bundestagswahl im Herbst 2021 auch leicht vergeigen.

Laschet habe hier Teamgeist gezeigt, als er im Tandem mit Gesundheitsminister Jens Spahn angetreten sei, heißt es anerkennend in der CSU.

Selbst Merkel denkt nun anders über Söder

Und die Kanzlerkandidatur? Selbst frühere vehemente Kritiker Söders auf CDU-Seite erkennen heute an: Der 53-Jährige habe sich im Amt des Ministerpräsidenten verändert.

Auch die Kanzlerin, so heißt es, denke heute anders über ihn als noch vor wenigen Jahren. Da zählte er zu einem der schärfsten Kritiker ihrer Migrationspolitik.

Für Angela Merkel gehe es im letzten Amtsjahr nicht nur darum, ihren Ausstieg aus dem Kanzleramt ordentlich über die Bühne zu bringen und einen schönen Eintrag in den Geschichtsbüchern zu erhalten, heißt es in der CDU - Kritiker werfen ihr genau dies vor.

Neben dem selbstbestimmten Ausstieg aus dem Amt wäre es für sie die Krönung, könnte die Union auch nach 16 Merkel-Jahren weiterhin den Kanzler stellen, heißt es da.

Und das werde ganz schön schwierig, ist man sich im Adenauerhaus genauso sicher wie im Kanzleramt. Ob sich da auch Merkel mit einem Kanzlerkandidaten Söder anfreunden könnte?

Macht Corona allen Plänen Strich durch die Rechnung?

Bis zu dieser Entscheidung werden noch Monate vergehen - selbst wenn sich in der CDU manche erhoffen, dass man mit einem gemeinsamen Unionskandidaten ins Superwahljahr 2021 starten könnte. Gerade auch, weil die SPD ihre Kandidatenfrage schon gelöst hat und die Union hier eine offene Flanke besitzt. Doch für Söder ist die Lage anders: Er dürfte auch zu Hause in Bayern am meisten davon profitieren, wenn er möglichst lange als kanzlerfähig gilt.

Für die CDU geht es zunächst um eine ganz grundlegendere Frage: Kann wegen Corona überhaupt Anfang Dezember ein neuer Vorsitzender gewählt werden? Am Tag nach der NRW-Wahl, dem 14. September, soll der Parteivorstand darüber entscheiden. Ziel ist nach wie vor, am Treffen der 1001 Delegierten in Stuttgart festzuhalten - in abgespeckter, eintägiger Form. So könnte der Parteitag am 4. oder 5. Dezember stattfinden, kurz vor dem 2. Advent.

Zwar werden auch Alternativen geplant, etwa mit anderen Orten oder noch mehr Digitalformaten. Aber selbst wenn es bis dahin eine Änderung des Parteiengesetzes gäbe, die auch Wahlen per Videokonferenz erlauben würde - diese Variante gilt in der CDU als die Unwahrscheinlichste. Zum einen ist die Angst vor einer Anfechtung riesengroß - dann müssten Parteitag und Vorsitzendenwahl mitten im Wahljahr wiederholt werden. Zum anderen ist zu hören, auch die drei Kandidaten wollten unbedingt ein Präsenztreffen. Schon wegen der Symbolkraft der Bilder von einem jubelnden Parteitag. (dpa/fte)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.