- Verbreitet Ex-Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen antisemitische Inhalte?
- Das hat ihm die Klimaaktivistin Luisa Neubauer am Sonntagabend in der Talkshow "Anne Will" vorgeworfen.
- Neubauer blieb Beweise schuldig, Maaßen wies die Vorwürfe zurück – doch die Behauptung ist nicht völlig haltlos.
Es ist ein schwerer Vorwurf: Klimaaktivistin
Neubauer warf Maaßen konkret vor, Inhalte antisemitischer Blogs zu verbreiten.
Der Unions-Kanzlerkandidat betonte: "Ich sage ihnen, er ist nicht Antisemit und er verbreitet auch keine antisemitischen Texte und wenn er es täte, wäre es ein Grund zum Parteiausschluss." Neubauer belegte in der Sendung ihre Behauptung nicht – was ist also an ihrer Anschuldigung gegen Maaßen dran?
Links zu Webseiten, die auch antisemitische Texte veröffentlichen
Fakt ist: Es gibt keine öffentlichen Belege oder Äußerungen Maaßens, die nahelegen, dass er ein Antisemit ist.
Zugleich ist aber ebenso Fakt: Maaßen hat auf seinem Twitter-Profil mit 84.000 Followern Links zu Webseiten geteilt, die auch antisemitische Texte veröffentlicht haben. Screenshots mittlerweile wieder gelöschter Tweets zeigen etwa Verweise zu "Journalistenwatch" (im Juli 2019) und "unz.com" (im Februar 2021).
Der Betreiber von "unz.com", der Schriftsteller Ron Unz, soll unter anderem bereits den Holocaust geleugnet und der antisemitischen Behauptung zugestimmt haben, dass Juden das Blut von Nicht-Juden trinken würden, wie die US-Bürgerrechtsorganisation Anti-Defamation League bereits 2018 berichtete.
Zur Erinnerung: Maaßen war von 2012 bis 2018 sechs Jahren lang Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz. Kritische Quellenanalysen gehören dort zum Handwerk.
Antisemitische Chiffren, wie sie auch Rechtsextreme nutzen
Die Links sind nur ein Teil der Problematik. Maaßen selbst hat mehrmals Begriffe verwendet, die Rechten und Rechtsextremisten als antisemitische Chiffren dienen, darunter "Great Reset" (ein angeblich zentral geplanter globaler Neustart nach dem Ende der Corona-Pandemie) sowie "Globalisten" (als Umschreibung für Juden).
Baden-Württembergs Antisemitismus-Beauftragter Michael Blume zählt sowohl den "Great Reset" als auch das Raunen über "Globalisten" zu "antisemitischen Verschwörungsmythen", wie er am Montag auch mit Blick auf die Causa Maaßen auf Twitter erklärte.
Maaßen zufolge hätten sich beim "Great Reset" "Kapitalisten aus Davos mit den Leninisten" zusammengetan in einer "gemeinsamen Verachtung des einfachen, des gewöhnlichen Menschen", wie er in einem Interview mit "Epoch Times" im März erklärte. Der 58-Jährige sagte dies einem Medium, das selbst mit der Verbreitung von Verschwörungsmythen auffällt.
Wie Blume bezeichnet der Direktor der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, den Begriff "Globalisten" als einen "antisemitischen Code". Dieser beschreibe "eine global vernetzte Elitenkaste", sagte Mendel dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, "die angeblich die politischen Geschicke zum Beispiel Deutschlands leite und steuere". Auch die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung hält "Globalisten" für einen "von Rechtsextremisten international verstandenen Code".
Maaßen weist Antisemitismus-Vorwürfe zurück
Maaßen selbst wies die Antisemitismus-Vorwürfe am Montag entschieden zurück. "Das sind für mich halt- und beleglose Behauptungen, die ich energisch zurückweise", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Heutzutage könne über alle alles gesagt werden, erklärte Maaßen. "Es ist eine Verrohung des politischen Diskurses, die man zur Kenntnis nehmen muss."
Der Ostbeauftragte der Bundesregierung sieht das hingegen anders. Marco Wanderwitz fand sehr kritische Worte zur Haltung und den Äußerungen des Ex-Verfassungsschutzpräsidenten. "Er redet Verschwörungstheorien das Wort", sagte der CDU-Politiker der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten". "Ich sehe bei ihm eine Mischung aus Zündelei und groben Fehleinschätzungen, die problematisch ist."
Wanderwitz rät davon ab, seinen Parteikollegen zu wählen
Maaßens nationalkonservatives Denken habe zwar seinen Platz in der CDU, sagte Wanderwitz, der auch Parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium ist.
"Allerdings vertritt er eben auch Ansichten, die ich klar außerhalb der Christdemokratie verorte." Deshalb würde er davon abraten, Maaßen in ein Parlament zu wählen, erklärte Wanderwitz.
Maaßen war Ende April von vier CDU-Kreisverbänden als Direktkandidat für den Bundestag in Südthüringen nominiert worden. Dies wurde innerhalb der Union, aber auch von anderen Parteien teils massiv kritisiert. Maaßen ist in Teilen der CDU auch wegen seiner kritischen Haltung zur liberalen Flüchtlingspolitik der Bundesregierung in den Jahren 2015 und 2016 umstritten.
Verwendete Quellen:
- Twitter-Profil von Hans-Georg Maaßen
- Meldungen der Deutschen Presse-Agentur
- Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Verbreitet Hans-Georg Maaßen antisemitische Inhalte? Das ist an dem Vorwurf dran"
- Konrad-Adenauer-Stiftung: "Was verstehen Rechtsextremisten unter 'Globalismus'?"
- Anti-Defamation League: "California Entrepreneur Ron Unz Launches a Series of Rhetorical Attacks on Jews"
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