Der Bürgerkrieg in Syrien hat massenhaft Menschen aus ihrem Heimatland vertrieben. Viele sind in Deutschland gelandet, doch oft ohne ihre Familien. Nachholen durften die meisten ihre Angehörigen zuletzt nicht - doch das ändert sich ab dem 1. August, wenn die Neuregelung des Familiennachzugs in Kraft tritt.
Viele Flüchtlinge durften zwei Jahre lang keine Angehörigen nach Deutschland holen. An diesem Mittwoch ändert sich das. Dann wird der Familiennachzug auch für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus - sogenannte subsidiär Schutzberechtigte - nach langem Hin und Her zwischen Union und SPD wieder möglich, wenn auch in engen Grenzen.
Wen betrifft diese Neuregelung? Wie viele Menschen und welche Angehörige dürfen kommen? Wir geben einen Überblick.
Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Wer darf seine Familie zu sich holen?
Grundsätzlich gilt: Wer in seiner Heimat politisch verfolgt wurde oder nach der Genfer Konvention als Flüchtling anerkannt ist, darf seine Familie nachholen. Und zwar auch dann, wenn er für deren Unterhalt nicht selbst aufkommen kann.
In dem neuen Gesetz geht es nur um die Gruppe der subsidiär Schutzberechtigten. Das sind ausländische Mitglieder der so genannten "Kernfamilie" eines Flüchtlings (Ehepartner, Eltern minderjähriger Kinder und ledige minderjährige Kinder), die einen eingeschränkten Schutzstatus aus humanitären Gründen genießen - etwa, weil sie in ihrer Heimat zwar nicht verfolgt werden, bei einer Rückkehr ins Herkunftsland aber trotzdem in Gefahr wären, weil dort zum Beispiel Krieg herrscht. Das betrifft vor allem Flüchtlinge aus Syrien.
Welche Angehörigen dürfen kommen?
Erwachsene können Ehepartner und minderjährige Kinder zu sich holen. Auch die Eltern unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge erhalten Visa. Für den Familiennachzug zu den Eltern ist entscheidend, dass bereits vor dem Erreichen der Volljährigkeit ein formloser Antrag bei einer deutschen Botschaft oder einem Konsulat gestellt wurde.
Wie viele Menschen sind das?
Pro Monat werden maximal 1.000 Angehörige nach Deutschland kommen dürfen. Da die Prüfung und Auswahl der Anträge in der Anfangsphase wohl nicht so schnell laufen wird, hat man verabredet, dass in den ersten fünf Monaten (von August bis Ende Dezember 2018) insgesamt 5.000 Menschen Visa erteilt werden sollen.
Ab Januar 2019 gilt dann aber eine starre Kontingent-Regelung von 1.000 Visa pro Monat.
Aktuell gibt es bereits 34.000 Terminanfragen von Antragstellern bei den deutschen Auslandsvertretungen. Allerdings stammen viele dieser Anfragen aus dem Herbst 2016. Nicht alle Menschen, die sich damals um ein Visum zum Familiennachzug bemüht hatten, dürften dies heute noch wollen. Einige von ihnen sind wohl auch schon mit Hilfe von Schleppern gekommen.
Wie war die Regelung früher?
Den subsidiären Schutz gibt es erst seit 2013. Mit der Einführung dieser neuen Kategorie wurde eine EU-Richtlinie umgesetzt. Vorher gab es für diese Menschen meist nur den Abschiebeschutz.
Im August 2015 wurde für Ausländer mit subsidiärem Schutz der Familiennachzug erlaubt. Im März 2016 wurde diese Möglichkeit mit den Stimmen der großen Koalition wieder abgeschafft - erst einmal für zwei Jahre. Da sich die Regierungsbildung nach der Bundestagswahl vom September 2017 über Monate hinzog, wurde die Aussetzung erst einmal bis Ende Juli verlängert.
Wer entscheidet?
Die Botschaften und Konsulate vergeben Termine. In Ländern wie Libanon und Jordanien, wo Tausende schon seit zwei Jahren auf ein Visum warten, kontaktiert die Internationale Organisation für Migration (IOM) die Menschen, die auf den Terminlisten stehen, um herauszufinden, ob sie noch am gleichen Ort wohnen. Die deutschen Auslandsvertretungen nehmen dann die Visumsanträge entgegen und prüfen Identität und Verwandtschaftsbeziehungen.
Die Ausländerbehörde am deutschen Wohnort des Flüchtlings prüft, ob etwas dagegen spricht - zum Beispiel, wenn der Flüchtling eine schwere Straftat begangen hat - und schildert die humanitären Gründe für ein Visum.
Das Bundesverwaltungsamt (untersteht dem Innenministerium) entscheidet, welche Antragsteller zuerst kommen dürfen. Die Auslandsvertretungen stellen die Visa aus.
Wer darf zuerst kommen?
Entscheidend dafür sind die Dauer der Trennung, das Kindeswohl und die Frage, ob den Angehörigen dort, wo sie aktuell leben, Gefahr für Leib und Leben droht. Außerdem soll berücksichtigt werden, ob jemand krank oder pflegebedürftig ist. Bonuspunkte erhält, wer zur Sicherung des Unterhalts der Familie beiträgt. Auch Sprachkenntnisse der Angehörigen werden positiv vermerkt.
Wie bewerten Experten die Neuregelung?
Rechtsexperten sehen die neuen Regeln kritisch. "Das ist im Ergebnis ein völlig justizfreier Raum", sagt der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht im Deutschen Anwaltverein, Thomas Oberhäuser. Es könne künftig nicht nachvollzogen werden, welches Gewicht die Kriterien haben, die das Bundesverwaltungsamt seiner Entscheidung zugrunde legt.
Bellinda Bartolucci von Pro Asyl bemängelt, dass es künftig nur noch um "eine Ermessensentscheidung" gehe. "Damit hat ein Gericht keine klaren Kriterien zur Beurteilung einer Entscheidung." Bartolucci setzt darauf, dass Gerichte das Gesetz als grundrechtswidrig einstufen, etwa weil der Schutz der Familie nicht gewährleistet sei.
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Stephan Thomae erklärte, das Gesetz tauge nichts. "Die Familiennachzugsregelung ist dilettantisch, weil sie unter anderem zu erheblichen Unsicherheiten im Vollzug führt. Anstatt klar formulierter Kriterien für Härtefälle enthält es eine starre Obergrenze, die nicht praxistauglich ist." (szu/dpa)
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