Blufft Kim Jong Un bei seinen Raketen? Das behaupten zwei Wissenschaftler aus München in der ARD-Dokumentation "Nervenkrieg um Nordkorea" - und machen sich über das vermeintliche Droharsenal regelrecht lustig. Besorgniserregend dagegen: Der Bundesverfassungsschutz verneint in der Doku nicht, dass Nordkorea in Deutschland Spionage betreibt.

Eine Kritik
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"Was treibt Kim Jong Un?", fragt Reporter Klaus Scherer in seiner ARD-Dokumentation "Nervenkrieg um Nordkorea". Der Ex-Asien-Korrespondent und Korea-Kenner geht der Frage nach, wie realistisch die Drohgebärden des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Un wirklich sind.

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Während dieser mit Blick auf die Olympischen Winterspiele in Pyeongchang die Entspannung mit Ausrichter und Nachbar Südkorea sucht, droht der kommunistische Staatschef gleichzeitig unablässig dem Erzfeind, den USA.

Wie real ist die angeblich atomare Gefahr nun wirklich? Und wie schlagkräftig ist das Arsenal von Kim Jong Un tatsächlich? Das sind die wichtigsten Erkenntnisse aus der Doku:

Experten aus München zweifeln Kim Jong Un an

Nordkoreas Machthaber brüstete sich gegenüber Washington, stets den Finger auf dem Atomknopf zu haben. Doch was ist dran? Nichts! Sagen zumindest Prof. Robert Schmucker und sein Kollege Markus Schiller von der TU München in der Dokumentation.

Sie werden mit Fotos von Raketen, deren Triebwerken und angeblichen Sprengköpfen konfrontiert. Die Raketenexperten machen sich regelrecht lustig über die angebliche Technik aus Nordkorea.

"Das schaut aus wie aus einem Baumarkt", meint Schmucker. "Alles primitive Modelle. Da muss man Mitleid haben." Ein Land könne die notwendige filigrane Feinmechanik gerade bei Triebwerken "nicht einfach aus dem Hut zaubern", sagt er. "Alle, die versucht haben, das nachzubauen, sind gescheitert: der Irak oder etwa Indien."

Der Professor für Raumfahrttechnik wirft Nordkorea ferner vor, bei Paraden Vorführattrappen zu verwenden. Demnach wäre das Drohpotenzial viel geringer als von Kim Jong Un behauptet.

Rolle von China: Unterstützt der Nachbar Kim Jong Un?

Neu ist diese These nicht. Die ARD-Dokumentation bekräftigt den Verdacht. So spricht Scherer mit dem Journalisten und Korea-Kenner Chad O’Carroll von "NK News". Dieser wirft China vor, etwa Hebekräne für Raketen an Nordkorea geliefert zu haben.

Und, dass es zum Beispiel fahrlässige Kontrollen an der Brücke in Dandong gebe, die China und Nordkorea verbindet. "An guten Tagen rollen 300 Laster über die Brücke, jeder mit 40 Tonnen Ladung. Das ist eine Menge", sagt O’Carroll. So könnte auch die UN-Resolution, die Lieferungen von Waffen oder von für Waffen benötigter Güter verbietet, umgangen werden.

Dass China ein falsches Spiel treibt, meint auch Katsuhisa Furukawa. Er war UN-Ermittler zu Nordkorea zwischen 2011 und 2016. "Die Frage ist: Wer in China versteht die UN-Resolution wirklich? Nicht mal im Außenministerium versteht man diese", meint er.

Und er schildert ein Beispiel einer im Meer von der südkoreanischen Marine eingesammelten nordkoreanischen Rakete, die 14.000 Teile aus mehreren Ländern gehabt hätte, "aus China, Großbritannien, der Schweiz, den USA und Südkorea", erklärt der Experte der Vereinten Nationen.

Rolle des Verfassungsschutzes: Spionage in Deutschland?

Pikant: Furukawa richtet in der Dokumentation auch einen brisanten Vorwurf gegen Deutschland. Demnach unterstütze die Bundesrepublik die UN-Ermittler bezüglich Nordkorea nur unzureichend.

Mehr noch: Mit den Vorwürfen konfrontiert, dementiert Hans-Georg Maaßen, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, diese im Interview mit der ARD nicht. Der oberste Verfassungsschützer schließt in der TV-Sendung ferner nicht aus, dass Nordkorea von seiner Botschaft aus Spionage in Deutschland betreibe. Etwa zu Technologien.

Am Ende der Dokumentation bleibt ein Gefühl des Unbehagens. Selbst, wenn sich die These der angeblich ungefährlichen Raketen von Kim Jong Un bewahrheiten sollte.

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