Nach den Urteilen im NSU-Prozess pochen Opfervertreter auf eine weitergehende Aufarbeitung der rechtsterroristischen Terrorserie. Gamze Kubasik, Tochter des in Dortmund ermordeten Mehmet Kubasik, forderte in den ARD-"Tagesthemen" eine "lückenlose Aufklärung", etwa zur Rolle des Verfassungsschutzes.

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Zugleich mahnte sie eine Offenlegung aller Akten zum NSU-Komplex an. Einige Nebenkläger wollen am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Berlin (10.30 Uhr) nochmals ihre Sicht auf die Urteile darlegen.

Das Oberlandesgericht München hatte die Hauptangeklagte Beate Zschäpe am Mittwoch unter anderem des zehnfachen Mordes und der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung schuldig gesprochen. Es verurteilte die 43-Jährige zu lebenslanger Haft und stellte zudem die besondere Schwere der Schuld fest.

Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren rechtlich zwar möglich, in der Praxis aber so gut wie ausgeschlossen. Mehrere Verteidiger Zschäpes kündigten an, Revision einzulegen. Auch Zschäpes vier Mitangeklagte bekamen als Helfer des "Nationalsozialistischen Untergrunds" mehrjährige Haftstrafen.

Kritik am Richterspruch im Fall des NSU

Politiker, Menschenrechtsorganisationen und Verbände kritisierten nach dem Richterspruch unter anderem, dass Ermittler Unterlagen vernichtet und Behörden die Aufklärungsarbeit erschwert hätten.

Mehrfach kam der Vorwurf auf, die Bundesanwaltschaft habe sich zu sehr auf die These versteift, dem NSU hätten nur drei Menschen - Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt - angehört. Am Mittwochabend protestierten in mehreren deutschen Städten Tausende auf den Straßen, die Demonstrationen standen unter dem Motto "Kein Schlussstrich".

Der NSU hatte über Jahre hinweg aus dem Untergrund heraus neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft sowie eine Polizistin ermordet. Darüber hinaus begingen Böhnhardt und Mundlos zwei Sprengstoffanschläge mit vielen Verletzten und mehr als ein Dutzend Raubüberfälle. Am Ende begingen sie Suizid. Zschäpe hatte mit beiden im Untergrund gelebt.

Einer der längsten Prozesse der deutschen Nachkriegsgeschichte

Eine der zentralen Fragen im Prozess war, ob Zschäpe als Mittäterin verurteilt werden kann, weil es keine Beweise gibt, dass sie an einem der Tatorte war. Richter Manfred Götzl betonte in seiner Urteilsbegründung immer wieder, Mundlos und Böhnhardt hätten "aufgrund eines gemeinsam gefassten Tatplans und im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Frau Zschäpe" gehandelt. Mit fast 440 Verhandlungstagen war es einer der längsten und aufwendigsten Indizienprozesse der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Ein Nebenklage-Vertreter, Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler, rechnete nicht mit einem Erfolg der angekündigten Revision. "Es handelte sich hier um einen Indizienprozess, und die Indizien haben eine sehr tiefe Verstrickung und Einbettung Zschäpes in allen Morden nachgewiesen", sagte er der "Rhein-Neckar-Zeitung" (Donnerstag). "Die These der Bundesanwaltschaft, dass es sich lediglich um ein Trio gehandelt habe, ist eine Illusion. Und sie ist für manche Menschen in diesem Land geradezu lebensgefährlich."

Vollständige Aufklärung gefordert

Der frühere Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir mahnte in der "Passauer Neuen Presse" (Donnerstag): "Bundeskanzlerin Merkel hatte den Opfern damals vollständige Aufklärung versprochen. Das Versprechen ist bisher nicht eingelöst."

Die stellvertretende Vorsitzende der Linken-Bundestagsfraktion, Sevim Dagdelen, sagte der Zeitung, zur Wahrheit gehöre, dass viele Akten durch Schreddern unwiederbringlich vernichtet und eine vollständige Aufarbeitung so behindert worden sei. "Die Schuld von Staat und Behörden ist keineswegs aufgearbeitet." Generalbundesanwalt Peter Frank hatte zuvor dem SWR gesagt, das Urteil sei kein Schlussstrich.

Der Wahlverteidiger Zschäpes, Hermann Borchert, sagte der "Bild"-Zeitung zur Zukunft der 43-Jährigen: "Es ist geplant, dass sie schon diesen August aus der JVA Stadelheim nach Aichach in die dortige JVA gebracht werden soll." Der Anwalt führte dafür Sicherheitsgründe an. In Aichach wolle Zschäpe dann auch arbeiten, einen entsprechenden Antrag habe sie aber noch nicht gestellt. "Sie wird dann wohl in der Schneiderei oder der Bäckerei arbeiten", so Borchert zu "Bild".  © dpa

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