Die Kongresswahlen in den USA entscheiden an diesem Dienstag über das politische Schicksal von Barack Obama. Gewinnen die Republikaner, könnten sie den Präsidenten damit faktisch entmachten – Washington steuert auf einen Stillstand zu.
Wenn an diesem Dienstag wieder Millionen von US-Bürgern ihre Stimmen abgeben, wird einer die Hochrechnungen besonders genau verfolgen: ihr Präsident. Denn für
Der Präsident droht nach sechs Jahren als lahme Ente zu enden – als "lame duck". So wird im politischen System der USA ein Machthaber genannt, der eigentlich keine Macht mehr in Händen hält. Für den Demokraten Obama ist diese Gefahr real. Denn während die Republikaner bereits jetzt das Repräsentantenhaus dominieren und ihren Vorsprung weiter ausbauen dürften, könnten sie am Dienstag auch den Senat übernehmen. Und damit fortan alle Vorhaben Obamas blockieren.
Es hat Tradition in den USA, dass die sogenannten Halbzeitwahlen ("midterm elections") oft zur Schicksalsfrage für den Präsidenten werden. Dabei wählen die Bürger alle zwei Jahre ein Drittel der Senatoren (diesmal 36 von 100 Sitzen) und das gesamte Repräsentantenhaus (435 Sitze).
Beide Kammern bilden zusammen den Kongress. Wer dort die Mehrheit stellt, regiert auch das Land. Denn der Kongress ist zuvorderst für die Gesetzgebung zuständig. Erst wenn beide Kammern einem Entwurf zustimmen, kann dieser in Kraft treten.
Und genau das könnte Obama zum Verhängnis werden: Denn dieses Jahr wird just jenes Drittel neu gewählt, dass die Demokraten 2008 dank einer nationalen Euphorie für sich entscheiden konnten.
Umfragen erwarten fast 75 Prozent für Republikaner
Doch von dieser Euphorie ist inzwischen fast nichts mehr zu spüren. Die jüngsten Prognosen sprechen eine eindeutige Sprache. Laut der Website "Real Clear Politics", die den Durchschnitt mehrerer Umfragen ermittelt, sind nur rund 42 Prozent mit der Arbeit Obamas zufrieden – 53 Prozent jedoch nicht.
Derzeit sitzen im Senat 53 Demokraten, 45 Republikaner und zwei parteilose Politiker. Um sich die Mehrheit zu sichern, müssten die Republikaner also mindestens sechs Sitze gewinnen – was viele Experten für möglich halten. Die Statistiker von "FiveThirtyEight" etwa prognostizieren die Wahrscheinlichkeit für einen Republikaner-Sieg mit 74 Prozent.
Dabei könnte das Fazit für Obamas vergangene Jahre als Präsident durchaus auch positiv ausfallen: Er hat seine umstrittene Gesundheitsreform durchgesetzt und Millionen neuer Arbeitsplätze geschaffen. Auch die US-Wirtschaft wächst wieder. Aber bei den Kongress-Wahlen geht es diesmal nicht um Sachthemen. Stattdessen reduziert sich alles auf die Person Obama: ja oder nein, gut oder böse.
Ein Kompromiss ist unmöglich
Das politische System der USA ist polarisiert wie nie. Republikaner und Demokraten schütten Unsummen in Kampagnen und Werbespots, um die jeweils andere Seite zu schädigen. Die Vokabel "Kompromiss" scheinen sie aus ihrem Wortschatz gestrichen zu haben. Es ist dabei vor allem ein Bild, das bei den Republikanern – aber auch bei einigen frustrierten Demokraten – vorherrscht: Obama als zögernder Präsident, der keine Führungsschwäche besäße. Das hätten die Ebola-Krise oder der Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) eindrucksvoll bewiesen.
Erringen die Republikaner die Mehrheit im Senat, gilt es als ausgemacht, dass sie diesem zögernden Präsidenten das Handwerk legen wollen. Schon jetzt können sie die Gesetzesinitiativen der Demokraten im Repräsentantenhaus verhindern.
Doch mit einem republikanischen Senat-Sieg droht Washington der endgültige politische Stillstand: Auf der einen Seite stünde ein Präsident, der keinen Rückhalt mehr im Kongress genösse – und auf der anderen Seite eine Mehrheit, die schon aus ideologischen Gründen kaum einem seiner Vorschläge zustimmen würde.
Obama bliebe damit wenig mehr, als sein Amt bis 2016 zu verwalten. Ziele wie ein Mindestlohn oder strengere Auflagen für die Umwelt wären den Republikaner wohl nur ein müdes Lächeln wert. Auch Entscheidungen über wichtige Personalien könnte Obama vergessen, da der Senat diesen zustimmen muss. Die Supermacht USA wäre wieder einmal in innenpolitischen Querelen gefangen, der Präsident faktisch entmachtet.
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