Die Menschen in der Republik Moldau fühlen sich seit Jahren von Russland bedroht. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Peter Heidt hat sich selbst ein Bild gemacht. Im Interview spricht er über Gelassenheit und Angst – und die Frage, ob Moldau wirklich EU-Mitglied werden kann.

Ein Interview

Die Republik Moldau gehört zu den kleineren und ärmsten Staaten Europas. 2,5 Millionen Menschen leben dort – etwa so viele wie in Brandenburg. Derzeit steht das Land zwischen Rumänien und der Ukraine aber im Fokus der Geopolitik.

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Sorge wegen seltenen Kongresses pro-russischer Separatisten. Moldau: Karte.
© AFP/NADINE EHRENBERG

Die Behörden in der Region Transnistrien wollen sich seit Jahren von Moldau abspalten und haben in der vergangenen Woche Russland um "Hilfe" gebeten. Wenn es Russland doch noch gelingen sollte, etwa die ukrainische Millionenstadt Odessa einzunehmen, könnte das benachbarte Moldau das nächste Angriffsziel der russischen Streitkräfte werden.

Gerade waren Mitglieder des Menschenrechtsausschusses im Deutschen Bundestag zu Besuch in Moldau und Odessa. Der FDP-Politiker Peter Heidt hat die Delegation geleitet – und schildert im Interview mit unserer Redaktion seine Eindrücke.

Herr Heidt, wie bedrückt ist die Stimmung in Moldau?

Peter Heidt (FDP). © dpa/dts

Peter Heidt: Die Stimmung ist angespannt, aber es herrscht keine Panik. Der Konflikt mit Transnistrien ist ja nicht neu. Allerdings hat sich das Verhältnis zwischen Moldau und der abtrünnigen Region durch den Krieg in der Ukraine verändert. Die Ukraine hat die Grenze geschlossen. Deshalb ist Transnistrien jetzt darauf angewiesen, alle Geschäfte über die Republik Moldau abzuwickeln. Die Republik hat damit in diesem Konflikt Oberwasser bekommen.

Allerdings haben die Behörden in Transnistrien eben wegen dieses wirtschaftlichen Drucks die russische Regierung in einer Resolution um Hilfe gebeten. Das verheißt nichts Gutes für die Sicherheit des Landes.

Interessant ist aber, dass die Resolution etwas entschärft wurde. Der transnistrische Kongress hat das Wort "diplomatisch" eingefügt. Man erhofft sich aus Russland also diplomatische Unterstützung in diesem Konflikt. Viele unserer Gesprächspartner hier in der Republik Moldau waren diesbezüglich recht entspannt.

"Uns wurde ganz klar gesagt, dass die Russen Wählerinnen und Wählern Geld zahlen."

Peter Heidt

Sind die Menschen in Moldau weniger besorgt, als man sich das im Westen manchmal vorstellt?

Natürlich herrscht eine allgemeine Sorge. Falls die russischen Streitkräfte im Krieg gegen die Ukraine vorrücken und irgendwann in Odessa stehen, wird es für Moldau gefährlich. Odessa ist nur eine Autostunde entfernt. Besorgniserregend ist aber vor allem die hybride Bedrohung durch Russland. Durch Propaganda und gezielte Desinformationen versucht Russland massiv, die anstehenden Wahlen in Moldau zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Uns wurde ganz klar gesagt, dass die Russen Wählerinnen und Wählern Geld zahlen, damit sie für die alten Sozialisten und Kommunisten stimmen. Das ist wirklich eine Art hybrider Krieg.

Sie haben bei Ihrem Besuch unter anderem mit dem stellvertretenden Premierminister gesprochen. Was erhofft man sich in Moldau von Deutschland und der Europäischen Union?

Vor allem hofft man auf den EU-Beitritt. Die aktuelle Präsidentin Maia Sandu forciert das Thema sehr stark und hat ihr politisches Schicksal damit verknüpft. Sie hat die Wahlen, die in diesem Jahr anstehen, faktisch zu einem Referendum über die EU gemacht. Die Corona-Krise und der Krieg in der Ukraine haben dem Land zugesetzt. Moldau bräuchte dringend ausländische Investoren. Allerdings warten die zum Teil ab, wie die Wahlen in diesem Jahr ausgehen – und ob es wirklich sinnvoll ist, in Moldau zu investieren.

Wäre es für die EU nicht eine große Belastung, wenn sie Moldau in die Gemeinschaft holt? Das Land ist nicht nur arm, es hat in seinem Inneren auch den ungelösten Konflikt mit Transnistrien.

Natürlich ist das für beide Seiten kein einfacher Weg. Möglicherweise würden mehr Menschen das Land verlassen, weil im Ausland mehr Geld zu verdienen ist. Dabei schrumpft Moldaus Bevölkerung schon jetzt, und schon jetzt sind Überweisungen von Gastarbeitern im Ausland das Haupteinkommen des Landes. Wichtig wird sein, dass das Land eine wirtschaftliche Perspektive bekommt und möglichst viele Menschen dortbleiben. Auch der Ausgang des Kriegs in der Ukraine spielt hier eine entscheidende Rolle.

Inwiefern?

Wenn der Krieg am Ende des Tages halbwegs erfolgreich für die Ukraine verläuft, könnte sich auch der Konflikt zwischen Moldau und Transnistrien entspannen. Transnistrien hätte dann keine andere Wahl mehr, als sich wieder Moldau anzunähern – und dann müsste man irgendeine Autonomie-Regelung finden. Andersherum: Wenn der Krieg für die Ukraine schlecht ausgeht, wird Moldau eines der nächsten Gebiete sein, in das die Russen vorrücken.

Deutschland hat Moldau vor kurzem als sicheren Herkunftsstaat eingestuft. Das soll Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern erleichtern. Denn man geht nicht mehr davon aus, dass Menschen dort unmenschlich oder erniedrigend behandelt werden. Trifft das aus Ihrer Sicht wirklich zu?

Wir haben mit der OSZE-Botschafterin Kelly Keiderling gesprochen, die schon seit 30 Jahren im Land ist. Sie hat uns bestätigt, dass sich in Moldau wirklich viel in die richtige Richtung bewegt hat. In Transnistrien gibt es offenbar Menschenrechtsverletzungen, die in Moldau wahrgenommen und verfolgt werden. Es gibt im Land auch eine Roma-Minderheit – sicherlich mit wirtschaftlichen Problemen und vielen Analphabeten. Doch Moldau hat zum Beispiel eine Agentur für ethnische Beziehungen mit einem Roma-Vertreter an der Spitze. Im Vergleich zu manchen Staaten auf dem Balkan ist man da schon weiter. Moldau ist ganz klar ein sicheres Herkunftsland. Darauf ist man in der Regierung durchaus stolz. Außerdem will Moldau in die EU. Das ist ein klarer Anreiz, sich auch weiterzubewegen.

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Über den Gesprächspartner

  • Peter Heidt wurde 1965 in Frankfurt am Main geboren und wohnt in Bad Nauheim. Seit 1997 ist er selbstständiger Rechtsanwalt und seit 2019 Mitglied des Deutschen Bundestags. Er ist Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, außerdem Mitglied im Bildungsausschuss sowie im Afghanistan-Untersuchungsausschuss.
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