- Wegen eines Tweets hat die Hamburger Polizei die Wohnung des mutmaßlichen Absenders durchsucht.
- Der soll Hamburgs Innensensator Andy Grote in dem Post beleidigt haben.
- Weil Grote Kraft seines Amtes auch Chef der Polizeibehörde ist, sorgt der Fall nun für massive Kritik.
Nachdem Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) wegen einer Äußerung auf Twitter als "Pimmel" bezeichnet worden war, hat die Polizei die Wohnung eines Verdächtigen durchsucht – und wird nun im Netz für die Razzia kritisiert. Die Staatsanwaltschaft bestätigte die am Mittwochmorgen in Hamburg-St. Pauli abgeschlossene Aktion.
"Auf Antrag der Staatsanwaltschaft hat das Amtsgericht Hamburg einen Durchsuchungsbeschluss erlassen", sagte eine Sprecherin am Donnerstag in Hamburg. "Ziel war es, herauszufinden, wer konkret Zugriff auf einen bestimmten Twitter-Account hat, von dem aus die Beleidigungen veröffentlicht wurden."
Hintergrund ist der Kommentar eines Nutzers unter einem Tweet von Grote nach Feiern ohne Abstand im Hamburger Schanzenviertel. Grote hatte Ende Mai geschrieben: "In der Schanze feiert die Ignoranz! Manch einer kann es wohl nicht abwarten, dass wir alle wieder in den Lockdown müssen ... Was für eine dämliche Aktion!". Darunter hatte ein User geantwortet: "Du bist so 1 Pimmel."
Pikant: Grote war im Juni 2020 selbst mit einem Verstoß gegen die damals geltenden Corona-Regeln aufgefallen. In einem Club in der Hamburger Hafencity feierte er laut "Hamburger Abendblatt" zusammen mit insgesamt 30 Gästen eine private Party. Später musste sich der SPD-Politiker für den Vorfall entschuldigen und ein Bußgeld in Höhe von 1.000 Euro zahlen.
Andy Grote im Visier: #Pimmelgate trendet auf Twitter
Der Linken-Bundestagsabgeordnete Niema Movassat kritisierte die Razzia auf Twitter. Dies zeige, "wie belanglose Beleidigungen plötzlich massiv verfolgt werden, wenn der eigene Chef betroffen ist".
Movassat selbst habe in den vergangenen Jahren "ganz andere Kaliber von Beleidigungen" erhalten. "Nie wurde jemand verurteilt. Aber ich bin ja auch nicht der Dienstherr der Polizei", erklärte der Linken-Politiker mit Blick auf Grote, der als Innensenator auch oberster Chef der Hamburger Polizeibehörde ist.
In vielen weiteren Tweets wird der Einsatz ebenso als unverhältnismäßig kritisiert. Bereits am Mittwoch trendete das Thema mit dem Hashtag #Pimmelgate bundesweit. Auslöser war ein Tweet des Betroffenen, der auf die Durchsuchung am Morgen hingewiesen hatte. Am Donnerstagmorgen lag der Post mit über 15.500 Tweets auf Platz 1 der Twitter-eigenen Deutschland-Trends. Grote selbst reagierte auf Twitter selbst zunächst nicht.
Im Durchsuchungsbeschluss, den der Betroffene selbst veröffentlichte, steht: "Es ist zu vermuten, dass die Durchsuchung zum Auffinden von Beweismitteln führen wird, insbesondere von Speichermedien, mittels derer die in Rede stehende Nachricht versandt wurde." Der in dem Schreiben genannte Strafparagraph zeigt, dass es sich um ein so genanntes Antragsdelikt handelt. Grote hat also offenbar selbst den Tweet angezeigt.
Betreiber des Twitter-Accounts sprach bereits im August mit der Polizei
Im Gespräch mit der "Taz" erklärte der mutmaßliche Absender des Tweets, dass die Sache eigentlich schon geklärt worden sei. Er sei demnach bereits im August von der Polizei vorgeladen worden und habe auf der Wache zugegeben, dass er den Account betreibe, auf dem der Tweet gegen Grote veröffentlicht wurde. Ihm gegenüber habe die Beamtin signalisiert, dass die Anzeige wahrscheinlich wegen Geringfügigkeit eingestellt werden würde, schreibt die "Taz".
Der Staatsanwaltschaft zufolge sind Durchsuchungen nach Beleidigungen im Internet in Hamburg nicht unüblich. In 2021 sei bereits eine mittlere zweistellige Zahl von entsprechenden Beschlüssen erlassen worden. (dpa/mf)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.