Knapp zwei Monate nach der Wahl in Polen ist der Weg frei für eine proeuropäische neue Regierung unter Donald Tusk. Der amtierende Ministerpräsident Morawiecki verlor wie erwartet die Vertrauensfrage.
Polens amtierender Ministerpräsident Mateusz Morawiecki ist mit seinem neuen Kabinett im Parlament wie erwartet gescheitert. In einer Vertrauensabstimmung votierten nur 190 von 456 Abgeordneten für Morawieckis nationalkonservative PiS-Regierung. 266 stimmten dagegen.
Damit ist der Weg frei für einen Machtwechsel in Polen, den die PiS lange hinausgezögert hat. Bereits am Abend wird das Parlament voraussichtlich den ehemaligen EU-Ratspräsidenten Donald Tusk mit der Regierungsbildung beauftragen.
Vor seinem erwarteten Scheitern beschwor Morawiecki die Vision einer wachsenden Wirtschaftskraft seines Landes. Polen müsse sich in den kommenden Jahren dauerhaft der Gruppe der am besten entwickelten Länder der Weltwirtschaft anschließen, sagte Morawiecki vor dem Parlament in Warschau. Polen solle zum "Land gut bezahlter Spezialisten" werden, realistisch sei ein "Lebensstandard auf dem Niveau Westeuropas, ohne die dortigen Fehler zu wiederholen."
Bei der Parlamentswahl am 15. Oktober hatten drei proeuropäische Parteien der bisherigen Opposition eine klare Mehrheit von 248 der insgesamt 460 Sitze im Sejm errungen. Ein Koalitionsvertrag wurde bereits vor Wochen unterschrieben, auch die Ressortverteilung ist geklärt. Die PiS erhielt nur 194 Sitze und hat keinen Koalitionspartner.
Wende in der polnischen Außenpolitik
Der bevorstehende Regierungswechsel in Warschau dürfte auch eine Wende in der polnischen Außenpolitik bringen. Die PiS lag wegen einer Justizreform im Dauerstreit mit Brüssel. Das Verhältnis zu Berlin befand sich auch wegen Forderungen nach Weltkriegsreparationen in Höhe von 1,3 Billionen Euro auf einem Tiefpunkt. Die drei Oppositionsparteien stehen für einen proeuropäischen Kurs und eine versöhnlichere Politik gegenüber Deutschland. Der 66-jährige Tusk war schon von 2007 bis 2014 Polens Regierungschef.
Jedoch hatte Präsident Andrzej Duda, der aus den Reihen der PiS stammt, den Wechsel lange hinausgezögert. Den Mehrheitsverhältnissen im Parlament zum Trotz hatte er Morawiecki mit der Regierungsbildung beauftragt und dessen Kabinett Ende November vereidigt. Die Verfassung sieht vor, dass der Regierungschef innerhalb von 14 Tagen nach der Vereidigung die Vertrauensfrage im Parlament stellen muss. Dies wird Morawiecki nun mit Ablauf dieser Frist heute tun - ein praktisch chancenloses Unterfangen.
Erst wenn Morawiecki mit der Vertrauensabstimmung gescheitert ist, kommt die Reihe ans Parlament. Es kann nun im zweiten Schritt aus seiner Mehrheit heraus eine Regierung bestimmen. Voraussichtlich werden die Abgeordneten des Dreierbündnisses noch am Abend den Auftrag zur Regierungsbildung an Tusk vergeben - beim zweiten Durchgang erfolgt die Vergabe nicht durch den Präsidenten.
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Schlag gegen Tusk
Tusk hat angekündigt, dass er am Dienstagmorgen eine Regierungserklärung abgeben und nachmittags seinerseits die Vertrauensfrage stellen will. Da das Dreierbündnis eine solide Mehrheit hat, wird Tusk die Abstimmung voraussichtlich bestehen.
Danach ist wieder Präsident Andrzej Duda am Zuge - er muss die Regierung Tusk vereidigen. Doch auch hier zeigt sich, dass der Präsident alles mögliche tut, um Tusk Steine in den Weg zu legen.
Zwar hieß es aus Dudas Kanzlei dazu am Samstag, der Präsident beabsichtige "keine Verzögerung", die neue Regierung könne daher am Mittwochvormittag vereidigt werden. Doch auch dieses Timing ist ein Schlag gegen Tusk, da das Datum historisch belastet ist. Am 13. Dezember 1981 verhängte das damalige kommunistische Regime in Polen das Kriegsrecht - ein schwarzer Tag in der Geschichte des Landes. (dpa/ari)
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