Bundeskanzler Olaf Scholz plant, am 15. Januar die Vertrauensfrage zu stellen. Bei "Markus Lanz" geriet SPD-Chefin Saskia Esken dazu nicht nur mit dem ZDF-Moderator, sondern auch mit Journalist Michael Bröcker heftig aneinander.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Nach dem Aus der Ampelregierung steht die Frage im Raum, wie es weitergeht. Bei "Markus Lanz" lieferte sich SPD-Chefin Saskia Esken ein hitziges Wortgefecht mit Journalist Michael Bröcker, als es um die geplante Vertrauensfrage ging. Zeitgleich erklärte Vizekanzler Robert Habeck, warum er das Ende der Ampel für vermeidbar hielt.

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Das war das Thema bei "Markus Lanz"

Der Bruch der Ampelkoalition sorgte am Mittwoch für ein politisches Beben. Nach dem Rauswurf von Bundesfinanzminister Christian Lindner versucht die Minderheitsregierung - bestehend aus SPD und Grünen - nun, mit der Opposition einzelne Entscheidungen zu treffen.

Markus Lanz debattierte aktuell über das Vorgehen von Bundeskanzler Olaf Scholz und stellte die Frage in den Raum, ob es überhaupt zu verantworten sei, bis zum 15. Januar mit der Vertrauensfrage zu warten.

Das waren die Gäste

  • Robert Habeck, Vizekanzler: "Wir haben Vorschläge gemacht, ohne Notlage weitere Kredite aufzunehmen."
  • Saskia Esken, SPD-Chefin: "Uns ist nicht die Regierung um die Ohren geflogen, sondern wir haben einen Koalitionspartner verloren."
  • Michael Bröcker, Journalist: "Es hätte nicht eskalieren müssen."
  • Antje Höning, Journalistin: "Das war ein Scheidungspapier der grundsätzlichen Art."
  • Ulf Röller, ZDF-Korrespondent: "Die Trump-Wahl stellt Europa vor ein Riesenproblem."
Markus Lanz, Robert Habeck, Antje Höning, Michael Bröcker, Saskia Esken
Am Donnerstagabend diskutierte Markus Lanz (l.) mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (2.v.l.), Journalistin Antje Höning (Mi.), Journalist Michael Bröcker (2.v.r.) und SPD-Chefin Saskia Esken. © ZDF / Markus Hertrich

Das war der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Nach dem Bruch der Ampelkoalition sprach Robert Habeck bei "Markus Lanz" Klartext: "Wir wissen nicht, wie das Jahr 2025 wird und es ist geradezu paradox, jetzt eine Regierung scheitern zu lassen, weil man so tut, als ob das Mathematik für das nächste Jahr ist." Der Grünen-Politiker offenbarte weiter, dass das Aus "ein vermeidbarer Bruch" gewesen sei und es "mit ein bisschen Mut zu Risiko" möglich gewesen wäre, "zu einem Haushalt zu kommen", der verfassungskonform gewesen wäre. Man habe Vorschläge gemacht, um ohne Notlage weitere Kredite aufzunehmen, so der Vizekanzler.

Gleichzeitig gab Habeck jedoch zu, dass das Verhalten der FDP "eine Einigung im Haushalt" unmöglich gemacht hat: "Es war schon sehr prinzipiell und so kannst du solche Verhandlungen natürlich auch nicht führen." Dennoch stellte der Vizekanzler klar, dass er mit Christian Lindner "immer wieder sehr gut zusammengearbeitet" habe; "Ich will dieses Scherbengericht danach irgendwie nicht mitspielen. Das finde ich nicht gut, wie das so läuft. Die Lage ist schwierig genug."

Eine Steilvorlage für Lanz, der wissen wollte: "War es richtig, ihn zu entlassen?" Habeck antwortete deutlich: "An dem Abend war es dann richtig, ja." Der Grünen-Politiker fügte hinzu, dass der Bruch der Ampel trotzdem "zynisch" und "fast tragisch" sei - vor allem mit Blick auf den Wahlsieg von Donald Trump. "Es ist der schlechteste Moment, die Regierung platzen zu lassen, aber es ist passiert", sagte Habeck. "Es ging nicht mehr anders weiter. Es war zu rechthaberisch vonseiten der FDP."

Dieser Einschätzung stimmte auch die aus Berlin zugeschaltete SPD-Chefin Saskia Esken zu. Sie erklärte, dass vor allem Bundesfinanzminister Lindner "nicht bereit" gewesen sei, auf Vorschläge von SPD und Grünen einzugehen. Aus diesem Grund sei die Entscheidung, Lindner rauszuwerfen, "richtig" gewesen.

"Das heißt, Sie haben gefeiert, dass Ihnen gerade die eigene Regierung um die Ohren geflogen ist?", stichelte Lanz. Esken konterte: "Uns ist nicht die Regierung um die Ohren geflogen, sondern wir haben einen Koalitionspartner verloren. Und das ist notwendig gewesen, diese Trennung." Esken fügte energisch hinzu: "Wir haben eine Regierung! Wir haben zwar eine Minderheitsregierung (...), aber es ist nicht ganz ungewöhnlich - jedenfalls nicht in Europa - dass auch Minderheitsregierungen handlungsfähig sind."

Journalist Michael Bröcker zeigte sich derweil irritiert darüber, "diesen Kanzler dafür zu feiern, als hätte er gerade einen politischen Sieg errungen". "Die Regierung ist gescheitert und Sie tun so, als hätte der Kanzler nichts damit zu tun und das finde ich schon erstaunlich", so Bröcker. "Das ist nicht der Punkt gewesen, dass wir den Bundeskanzler dafür gefeiert haben, dass er auf den Tisch gehauen hat, sondern dass er wieder tagelang und wochenlang versucht hat, eine Einigung herbeizuführen zum Schließen der Lücken in diesem Haushalt", verteidigte sich Esken streng. Eine Aussage, auf die Lanz schließlich konterte: "Hat er ja nicht, Frau Esken!"

Das war das Rede-Duell des Abends

Lanz stellte auch infrage, ob es richtig sei, bis zum 15. Januar mit der Vertrauensfrage zu warten. Robert Habeck antwortete zunächst schwammig: "Die Verfassungsnorm sagt, diese Entscheidung trifft der Bundeskanzler alleine." Lanz ließ jedoch nicht locker und hakte nach: "Finden Sie es richtig oder falsch?" Habeck reagierte vielsagend: "Ich habe auf die Dynamik, die wir in der Welt erleben, hingewiesen."

Ein Indiz für den Moderator, dass Habeck im Vergleich zu Scholz eine andere Wahl getroffen hätte. Der Vizekanzler wiegelte jedoch ab: "Ich respektiere die Entscheidung des Bundeskanzlers." Dennoch gab er zu, dass er "schon Bauchschmerzen" habe angesichts der Dauer des Prozesses: "Wenn der Wahlkampf vorbei ist und wir Ende März wählen, beginnen ja Koalitionsverhandlungen, von denen absehbar erwartet werden kann, dass sie schwierig werden."

Markus Lanz, Robert Habeck
Robert Habeck (r.) erklärte bei "Markus Lanz" dass das Aus der Ampelkoalition "vermeidbar" gewesen sei. © ZDF / Markus Hertrich

Michael Bröcker stellte deshalb klar: "Alles Argumente für schnelle Wahlen." Esken mahnte jedoch: "Der Bundeskanzler muss entscheiden, wann der richtige Moment gekommen ist!" Eine Aussage, die Markus Lanz wütend machte: "Warum redet man so viel von staatspolitischer Verantwortung, wenn es offensichtlich darum geht, sich irgendwie noch über ein paar Wochen zu retten?" Ein Vorwurf, den die Politikerin von sich wies: "Es geht nicht ums Profil, es geht genau um die staatspolitische Verantwortung, von der Sie jetzt gerade sprechen. Und da appelliere ich auch an die Opposition, (...) da jetzt an der Stelle nicht zu blockieren."

Esken forderte von der CDU/CSU unter anderem, Entscheidungen in der Haushaltsdebatte mitzutreffen. Ein Argument, auf das Lanz konterte: "Das würden die alles machen, wenn Sie die Vertrauensfrage stellen." Auch Michael Bröcker sagte fassungslos: "Jetzt haben Sie keine Mehrheit mehr und appellieren an die staatspolitische Verantwortung der Opposition, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Ich finde das wirklich anmaßend. Ihr habt drei Jahre Zeit gehabt, jedes Gesetz dieser Welt zu beschließen mit der Mehrheit. Jetzt habt ihr sie nicht mehr und jetzt soll Friedrich Merz helfen!"

Laut Bröcker könne man "nicht erwarten, dass die Opposition jetzt die Ampel über irgendwelche Gesetze hilft. (...) Das ist wirklich frech!" Darauf antwortete Esken beleidigt: "Ich glaube, dass ich mich mit Begriffen wie 'anmaßend' und 'frech' nicht auseinandersetzen muss. Das ist nicht der Stil, in dem ich gerne Diskussionen führe. Ich will sehr deutlich machen, dass der Bundeskanzler (...) einen Amtseid geleistet hat, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. (...) Er ist der Auffassung, dass diese Entscheidungen noch getroffen werden müssen und er will den Versuch wagen, die Opposition (...) dazu zu bewegen, (...) die notwendigen Entscheidungen noch zu treffen." Damit konnte Esken jedoch nicht überzeugen. "Ich bin ehrlich gesagt ein bisschen sprachlos an dem Punkt. Ich verstehe die innere Logik dieser Argumentation nicht", so Markus Lanz streng.

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Der ZDF-Moderator versuchte immer wieder, Robert Habeck aus der Reserve zu locken. Als er von ihm mehrmals wissen wollte, ob Lindner seinen Rausschmiss provoziert haben könnte, konterte der Vizekanzler jedoch streng: "Ich kann keine Kaffeesatzleserei betreiben, ob er (...) rausgeschmissen werden wollte." Des Weiteren stellte Habeck klar: "Berlin ist wie so ein Bienenschwarm, in den man den Kopf reinsteckt. Alle reden mit allen, alles summt. (...) Damit muss man irgendwie leben. Ich find's nur noch nervig. Ich halte meinen Kopf nicht mehr in den Bienenschwarm."

Das war das Fazit bei "Markus Lanz"

Robert Habeck zeigte sich bei "Markus Lanz" bemüht um einen positiven Wandel im Land und sagte fast poetisch, dass man jetzt darüber nachdenken müsse, "welches Land und welche politische Kultur wir eigentlich haben wollen". "Vielleicht ist das Ende der Ampel ja der Beginn von etwas Neuem", so Habeck weiter. Der ZDF-Moderator fragte daher zum Ende der Sendung neugierig: "Werden Sie Kanzlerkandidat der Grünen?" Habeck antwortete zunächst vielsagend: "Warten wir doch, bis die 8 im Kalender da ist." Als Lanz klarstellte, "Es ist der 8. November - und jetzt dürfen Sie", sagte der Grünen-Politiker lächelnd: "Jegliches hat seine Zeit, lieber Herr Lanz." Eine Aussage, die den Moderator positiv stimmte: "Wir freuen uns auf das, was in den nächsten Stunden passiert." Und auch Michael Bröcker reagierte zufrieden: "Das Lächeln ist eindeutig!"  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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Teaserbild: © ZDF / Markus Hertrich