ARD-Moderatorin Anne Will diskutiert die fragwürdige und polarisierende Aussage von AfD-Vize Alexander Gauland über Weltmeister Jerome Boateng. Gauland kommt in der Diskussion schlecht weg - weil er sich erneut rausredet und in einem neuen Streitfall auch erneut ahnungslos darstellt. Der heimliche Star der Debatte ist ein Spitzenpolitiker aus der Bundesregierung.

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Was ist das Thema?

"AfD-Politiker Alexander Gauland hat die Woche für reichlich Aufregung gesorgt", schildert ARD-Journalistin Anne Will. Im Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (F.A.S.) habe er erklärt, "die Leute wollten einen Boateng nicht als Nachbarn haben". Schließlich habe er dem "Spiegel" erzählt, dass die deutsche Fußball-Nationalmannschaft nicht mehr deutsch im klassischen Sinne sei. Will fragt: "Wie rassistisch ist Deutschland?"

Wer sind die Gäste?

Heiko Maas, SPD, Bundesjustizminister. Der Sozialdemokrat nennt die Aussage Gaulands rassistisch und geht beherzt in die Konfrontation mit dem AfD-Politiker. "Es wird so getan, als sei das die erste Aussage von Herrn Gauland, die nicht mindestens als fremdenfeindlich zu werten ist", meint der 49-Jährige. "Die Aussage schürt eindeutig fremdenfeindliche Ressentiments und das nur zu Parteizwecken." Dass sich Gauland hinterher versuche herauszureden, sei die Art und Weise, wie die AfD Politik mache. "Erst mal Ressentiments zu bedienen, Leute aufzuheizen und sich anschließend hinzustellen und zu behaupten, das wäre nicht so gemeint gewesen", sagt er. Heiko Maas geht den AfD-Vize hart an: "Herr Gauland, wer soll Ihnen noch ein Wort glauben?"

Alexander Gauland, AfD, stellvertretender Bundessprecher. Der 74-Jährige kommt in seiner Argumentation unglaubwürdig rüber. "Ich kannte Jerome Boateng nicht", meint er und begründet: "Ein Journalist hält mir einen Deutschen und Christen vor. Das ist ein Versuch, mich reinzulegen." Gauland zielt darauf ab, den ebenfalls anwesenden F.A.S.-Journalisten Eckart Lohse, der das Boateng-Zitat aufschrieb, als unseriös darzustellen. Und Gauland vergleicht das DFB-Team von heute mit Mannschaften von früher. "Ich muss mir nur die Fußballmannschaft von 1954 und die von 1972 anschauen, die Namen, da hat sich was geändert", sagt er. Es folgen Ressentiments gegen Einwanderer: "Das sind meist junge, nicht ausgebildete Männer. Herr Maas, Sie können doch nicht behaupten, dass die uns bei der wirtschaftlichen Entwicklung helfen. Das sind keine Menschen, die wir hier gebrauchen können."

Eckart Lohse, politischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Gerät anfangs ins Rudern, als Gauland mit ihm diskutiert. Wird im Verlauf der Sendung aber souveräner. Der Journalist bleibt dabei: "Seine (Gaulands, d. Red.) Aussage aus unserem Gespräch war nicht zufällig, sondern ging gezielt gegen einen Fußballer."

Bilgin Ayata, Migrationsforscherin. Rassismus sei ein Gesellschaftsphänomen in Deutschland, sagt sie. "Das bestätigen Studien. Die zeigen, dass Leute, die keinen deutsch klingenden Namen haben, auf dem Wohnungs- oder Arbeitsmarkt anders behandelt werden", erklärt sie. "Das ist rassistisch." In Deutschland sei nie ernsthaft über den Begriff Rassismus diskutiert worden, meint sie und nennt Gaulands Rhetorik "sehr gefährlich".

Werner J. Patzelt, Politikwissenschaftler. Er meint: Die Aussage Gaulands über Boateng sei nicht rassistisch, da der AfD-Vize nur Leute beschreibe, die seiner Meinung nach so denken. Will möchte von ihm wissen, ob Deutschland seit 2014 rassistischer geworden sei? "Grundständigen Rassismus gibt es in Deutschland wie anderswo auch", antwortet er. "Da geht es etwa um 20 Prozent der Gesellschaft."

Was war das Rede-Duell des Abends?

Gauland gegen Lohse. Es geht um gegenseitige Anschuldigungen. "Ich wusste gar nicht, dass Boateng farbig ist. Herr Lohse hat mich reingelegt", sagt Gauland in scharfem Tonfall. "Meine Kollegin Beatrix von Storch hat mich am nächsten Tag erst informiert, dass er farbig ist. Das wusste ich nicht." Er meint weiter, Boateng nicht beleidigt zu haben. "Herr Lohse hat mir den Namen in den Mund gelegt." Lohse entgegnet: "Das versucht die AfD jetzt zu drehen, ist mir klar." Gauland wiederum meint: "Ich wusste nicht, dass das in der Zeitung erscheinen soll. Es war vertraulich. Entschuldigen Sie Herr Lohse, Sie haben mich reingelegt." Lohse ist irritiert: "Warum behaupten Sie das jetzt?" Will unterbricht die aufgeladene Diskussion.

Was war der Moment des Abends?

Ein Einspieler zu Reden von Gauland wird gezeigt. Unter anderem brüllt der AfD-Politiker auf einer Kundgebung: "Heute sind wir tolerant, morgen fremd im eigenen Land." Will erklärt, dass dies ein Satz sei, den die NPD und Neonazis gebrauchten. Gauland versucht sich rauszuwinden: "Ich kannte den Satz nicht. Mir wurde ein Plakat vorgehalten, da stand der drauf. Ich fand ihn gut." Maas erklärt ihm, dass dieser Satz von einer Band stamme, die auf ihrem CD-Cover "Hitler lebt" stehen hätte. Maas: "Ich stelle bei allem fest, was Herr Gauland tut: Er weiß nicht, was er tut." Ist da jemand entlarvt worden?

Wie hat sich Will geschlagen?

Sie leitet unbeirrt und stoisch durch die Debatte. "Da steht Aussage gegen Aussage", meint sie, als sie das Duell zwischen Gauland und Lohse beendet. Beim AfD-Vize hakt sie beharrlich nach und entlockt ihm Sätze wie: "Frau Merkel ist für viele Deutsche eine fremde Macht geworden." Aus journalistischer Perspektive eine sehr gute Leistung.

Was ist das Ergebnis?

Bundesminister Maas holt zum gesellschaftlichen Appell aus. Es sind Worte, die wirken: "Jeder muss zu Hause, auf der Arbeit, in der Schule oder in der U-Bahn, überall dort, wo Diskriminierung stattfindet, den Mund aufmachen. Die schweigende Mehrheit müsste sich mal einmischen und nicht länger schweigend bleiben. Wir haben mittlerweile in Deutschland ein gesellschaftliches Klima, bei dem es angebracht wäre, Haltung zu zeigen."

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