Bei Anne Will schlugen Grüne und FDP im Konflikt um das Heizungsgesetz versöhnliche Töne an. Während ein CDU-Politiker Ängste vor einem "allmächtigen Staat" heraufbeschwor, mahnte ein Soziologe an, die soziale Frage beim grünen Umbau der Gesellschaft stärker mitzudenken. Schuldzuweisungen gab es beim Umfragehoch der AfD und ob die Union einen Kulturkampf gegen das linke Lager führe.
Nur noch 20 Prozent der Deutschen sind derzeit mit der Arbeit der Koalition zufrieden. Der Grund: Die Klimapolitik der Ampel-Koalition schürt bei vielen Bürgern finanzielle Ängste und der Dauerstreit zwischen Grünen und FDP nervt viele nur noch.
Zudem fühlen sich die Wählerinnen und Wähler über die Pläne für das Heizungsgesetz - offiziell: Gebäudeenergiegesetz - nicht ausreichend informiert. Das Thema bei
Das waren die Gäste
Katharina Dröge (Bündnis 90/ Die Grünen): Die Vorsitzende der Bundestagsfraktion nannte das geplante Gebäudeenergiegesetz "ein sehr pragmatisches und soziales Gesetz". Nach weiteren Verhandlungen könnte für einkommensschwache Menschen eine Förderung von bis zu 80 Prozent für den Einbau einer neuen Heizung möglich sein, so Dröge. Die Kritik an dem Vorhaben bügelte sie weitgehend ab, hier wäre etwas mehr Selbstkritik wohltuend gewesen. Die FDP nahm sie beim Wort, das Gesetz gemeinsam zu beschließen - am besten noch vor dem Sommer.
Steffen Mau: Der Berliner Soziologe bemängelte, dass die Frage der Gerechtigkeit im Heizungsgesetz "nicht hinreichend adressiert" wird. Die Menschen seien nach Finanzkrise, Corona und Energiekrise gerade "veränderungserschöpft", vor allem im Osten des Landes. Menschen hätten das Gefühl: "Wir kommen nicht mehr mit." Da brauche es ein gesellschaftliches Projekt, was die Leute einbindet und abholt. Von daher bedauert der Soziologe die schlechte Kommunikation bei den Heizungsplänen der Regierung, denn die große Mehrheit der Bürger sei eigentlich für Klimaschutz. "Aber diese Zustimmung wird gerade verspielt."
Jana Hensel (Autorin und Journalistin): Die Grünen haben das Heizungsgesetz aus Hensels Sicht schlecht kommuniziert. Ihre Kritik richtete sich aber insbesondere gegen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD): Der habe bis heute "kein Verhältnis zur Klimaschutzpolitik gefunden" und äußerte sich in den letzten Wochen nicht erinnerungswürdig zum Heizungsgesetz. "Er redet viel, er sagt so gut wie nichts", bemängelte Hensel. Der gesellschaftliche Konsens, dass Klimaschutz wichtig ist, "ist in dieser Ampelregierung wie ein Eis in der Sonne weggeschmolzen", kritisierte sie. Ein Grund: Die FDP sei beim Gebäudeenergiegesetz "nicht an einer Einigung interessiert".
Das war der Moment des Abends
Man kann von Philipp Amthor halten, was man will, aber mangelndes Sendungsbewusstsein und rhetorische Einfältigkeit sind ganz sicher nicht sein Problem. "Ich freue mich, dieser Therapiestunde der Regierung beiwohnen zu dürfen", witzelte er über die Dialoge zwischen Grünen-Frau Dröge und FDP-Vertreter Dürr. Wobei die Stimmung zwischen den Ampelvertretern deutlich besser war als bei anderen Talkshows in den vergangene Wochen. Es war also eine Sitzung mit Aussicht auf eine erfolgreiche Therapie.
Das war das Rededuell des Abends
Amthor, streitlustig wie eh und je, war es auch, der sich immer wieder in verbalen Scharmützeln wiederfand. Zum Beispiel mit Jana Hensel, die bei der CDU eine Art Kulturkampf gegen das Gebäudeenergiegesetz und die Grünen beobachtete. Die CDU führe den Kampf gegen das Gesetz an, nicht die AfD, die auf den Zug aufgesprungen sei. Und CDU-Chef Friedrich Merz versuche immer wieder rhetorisch zu eskalieren, etwa bei seiner Kritik am Gendern, er versuche amerikanische Verhältnisse zu schaffen. "Er spaltet die Gesellschaft."
Philipp Amthor konnte da nur fassungslos mit dem Kopf schütteln: "Unsinn!", rief er laut aus. Mit gefühlt zehn Ausrufezeichen. "Ich teile diese Analyse überhaupt nicht", sagte der Norddeutsche. "Das, was Friedrich Merz artikuliert, ist kein erfundener Kulturkampf, das ist die Realität in diesem Land."
So hat sich Anne Will geschlagen
Die Meisterin der scharfzüngigen, kritischen Fragen machte auch in dieser Runde einen guten Job. "Lässt sich die FDP vor den Karren der fossilen Lobbyisten spannen?", wollte sie wissen, als es um die Vorbehalte der Liberalen am Heizungsgesetz und Verbindungen zu Lobbygruppen ging. An anderer Stelle kritisierte sie eine der mehr als 100 Fragen der FDP an die Grünen zum Gesetzesentwurf.
Es ging um den Strombedarf von Wärmepumpen. "Eine reine Wissensfrage", merkte Will an. Ob es in der FDP keine Experten gäbe, die das selbst ausrechnen könnten. Vor allem FDP-Fraktionschef Dürr wurde von ihr ganz schön in die Mangel genommen, ließ die Kritik aber meist abperlen.
Das ist das Fazit
"Erschöpft und unzufrieden - Verliert die Ampel beim Klimaschutz den Rückhalt in der Bevölkerung?": Schaut man auf die nackten Umfragewerte, ist klar, dass tatsächlich nur noch ein Fünftel der Befragten derzeit hinter dem Kurs der Regierung steht. Für Dürr und Dröge ist alles gar nicht so schlimm. Erst recht, wenn am Ende ein handwerklich gut gemachtes Gesetz beschlossen wird. Die gefühlte Wahrheit von Politikern sieht bekanntlich oft etwas anders aus als nackte Umfragewerte.
Das beobachtet Soziologe Mau auch bei den derzeit starken Zahlen der AfD. Wer ist schuld? Die schwache Ampel? Die Kulturkampf-Rhetorik der CDU? Ihr Fischen am rechten Rand? Jeder picke sich das heraus, was ihm ein bisschen helfe, so Mau.
Zurück zum Heizungsgesetz: Bei dieser "Jahrhundertaufgabe" empfiehlt der Wissenschaftler, unbedingt die ökologische und soziale Frage zusammenzudenken. Die untersten 20 Prozent der Bevölkerung erfüllen die Pariser Klimaziele schon längst, die meisten Emissionen gehen jedoch von den oberen 20 Prozent, von den Vielfliegern, von den Drei-Pkw-Haushalten aus. Diese Perspektive, mahnte Mau, "sollte man ins Gesetz mit einfließen lassen".
Was kam eigentlich von Philipp Amthor an konkreten Vorschlägen zum Klimaschutz? Nichts, was hängen blieb. Der Jungpolitiker, man darf es ihm als Oppositionellem wohl nicht verdenken, konzentrierte sich aufs Draufhauen und Kritisieren. Die Regierung mache es uns gerade sehr, sehr leicht, erklärte Amthor. "Ich würde mir wünschen, sie würde gute Politik machen." Ob man ihm dieses wohl kokette Bedauern glauben darf, sei dahin gestellt. Richtig ist aber: Die Regierung wäre gut beraten, sich wieder mehr aufs Regieren zu konzentrieren. Da war der freundlich-konstruktive Umgang der beiden Ampelvertreter bei Anne Will, vor schwierigen Wochen, schon mal ein guter Anfang.
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