Zur Halbzeit der großen Koalition war bei "Anne Will" Zeit für eine Bestandsaufnahme, und wie erwartet fielen die Urteile sehr unterschiedlich aus. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer äußerte sich auch zu ihrem Rivalen Friedrich Merz.
Quälende neun Monate dauerte es, ehe sich die große Koalition bei der Grundrente auf einen Kompromiss einigen konnte.
War das nun ein notwendiges Abwägen der Argumente, um zu einer soliden Vereinbarung zu kommen? Oder steht der Kompromiss sinnbildlich für eine gelähme Regierung, die vor lauter Taktieren die Regierungsarbeit vernachlässigt?
Was ist das Thema bei Anne Will?
Es war von Beginn an keine Liebesheirat, aber nach zähen Diskussionen einigten sich Union und SPD vor rund zwei Jahren erneut auf ein gemeinsames Bündnis.
Besonders bei den Sozialdemokraten war die Skepsis groß, nachdem sie aus den ersten beiden großen Koalitionen unter Bundeskanzlerin
Bei
Das Thema bei Anne Will: "Halbzeit für die GroKo – viel erreicht, viel versäumt?"
Wer sind die Gäste?
Annegret Kramp-Karrenbauer : Die Parteivorsitzende der CDU sprach angesichts des Grundrenten-Kompromisses von einem "großen Schritt in der Bekämpfung der Altersarmut". Die Bundesverteidigungsministerin zeigte sich mit der Halbzeitbilanz im Großen und Ganzen zufrieden. Allerdings betonte sie auch, man sei nicht gewählt worden, damit wir uns "vor offenem Publikum in selbsttherapeuthischen Zirkeln mit uns selbst beschäftigen". Zudem forderte sie ihre Kritiker erneut auf, auf dem anstehenden CDU-Parteitag aus der Deckung zu kommen. "Solange man die Debatte so führt, dass klar ist, der Gegner sitzt nicht in den eigenen Reihen, sondern in den Reihen der anderen politischen Parteien, ist das für die CDU kein Schaden", betonte sie. Es gehe darum, das Profil der CDU zu schärfen und die Wahlchancen zu erhöhen. WennFriedrich Merz seinen Beitrag zu dieser programmatischen Schärfung leiste, "dann ist das für die Partei gut", betonte die CDU-Vorsitzende.Malu Dreyer : Auch die kommissarische Parteivorsitzende der SPD und Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz lobte den Rentenkompromiss als "großen sozialpolitischen Meilenstein für unser Land". Sie betonte, dass die Arbeit der GroKo trotz des schlechten Images gut sei. "Wir haben in der Vergangenheit nicht darunter gelitten, dass wir Aufgaben nicht erledigt haben", sagte Dreyer, die die GroKo nach dem anstehenden SPD-Parteitag gern weiter führen würde.- Herfried Münkler: Der Politikwissenschaftler und Autor kann als SPD-Mitglied selbst über das künftige Führungsduo der Partei abstimmen. Eine Wahl, die er aus strategischen Gesichtspunkten als "äußerst ungeschickt" bezeichnete. Denn was, wenn die Partei für die Fortsetzung der GroKo votiert und zugleich das GroKo-skeptische Duo Norbert Walter-Borjans und
Saskia Esken an die Spitze wählt? Wäre die neue Parteiführung dann nicht von vornherein geschwächt? Münkler sprach etwas abschätzig vom "Prozess einer Castingshow". - Dagmar Rosenfeld: Die Chefredakteurin der "Welt" punktete mit ihren klugen Analysen. Es sei typisch für diese Koalition, "dass sich Kompromisse am Ende immer wie halbe Niederlagen anfühlen": Der Grund: Es werde bei Sachdiskussionen zu oft die Koalitionsfrage gestellt oder von Sollbruchstellen gesprochen. "Koalieren und Profilieren zur gleichen Zeit führen selten zu guter Regierungsarbeit", kritisierte sie. Generell war Rosenfeld die Selbstzufriedenheit von AKK/Dreyer zuwider: Den Begriff "sozialpolitischer Meilenstein" konnte sie nicht recht nachvollziehen.
- Nico Fried: Für den Leiter der Parlamentsredaktion der "Süddeutschen Zeitung" hat die SPD im Rentenkompromiss "quantitativ mehr erreicht als im Koalitionsvertrag" festgelegt war. Stellt sich die Frage, ob sie die Einigung auch als eigenen Erfolg verkaufen kann. Zumindest stellte Fried bei Kramp-Karrenbauer und Dreyer im Gegensatz zur Halbzeitbilanz-Pressekonferenz von Angela Merkel und SPD-Vizekanzler Olaf Scholz ("Das war zum Davonlaufen!") eine höhere Begeisterungsfähigkeit über die gemeinsamen Erfolge fest.
Was war das Rededuell des Abends?
Es war ein Stück weit eine Sendung, die zum viel kritisierten Politikstil von Angela Merkel passte: blutleer, nüchtern, ohne große Kontoversen, ein wenig langweilig. Nicht einmal erhob einer von Anne Wills Gästen ernsthaft die Stimme.
Ein Christian Lindner oder Anton Hofreiter hätte der Sendung zweifellos gut getan. Selbst als Rosenfeld das Ende der Koalition herbeisehnte ("Ein politisches Tauziehen, bei dem man sich wünscht, das Seil möge in der Mitte reißen, damit es endlich zu Ende ist") folgte kein leidenschaftlicher Widerspruch.
Was war der Moment des Abends?
Man könnte es auch das Bekenntnis des Abends nennen. "(…), dass wir wirklich am Boden sind als Partei", sagte Malu Dreyer über den Zustand der SPD. Wobei: Noch sitzen sie ja in der Regierung.
Wie hat sich Anne Will geschlagen?
Will punktete (wie fast immer) mit ihren bissigen, teils mit feiner Ironie geschmückten Bemerkungen. Aber auch die Gastgeberin konnte aus dieser Sendung nicht viel mehr herauskitzeln. Selbst bei den Fragen zu ihren parteiinternen Kritikern ließ sich AKK nicht aus der Reserve locken – das war souverän, aber hatte leider zu wenig Pfeffer.
Was ist das Ergebnis?
Lange Zeit schien die GroKo auf der Kippe zu stehen. Nach dem Kompromiss bei der Grundrente stehen die Zeichen nun eher auf "zweite Halbzeit".
Die Entscheidung darüber fällt wohl auf dem anstehenden SPD-Parteitag, bei dem die Delegierten über die Zukunft der Koalition abstimmen können. Allerdings nicht als klassische Ja-Nein-Frage, wie Dreyer erklärte, sondern etwas verklausuliert.
Sie betonte zudem, dass die SPD "nicht mehr viel zu verspielen" habe. Wobei: Sollte die Partei nach möglichen Neuwahlen tatsächlich nur bei 13 oder 14 Prozent landen, würden zahlreiche Bundestagsabgeordnete ihren Job verlieren – und die nächste Regierungsbeteiligung wäre womöglich viele Jahre entfernt.
Die SPD-Delegierten werden bei ihrer Entscheidung all dies in Betracht ziehen müssen.
Mit großer Gelassenheit verfolgt Annegret Kramp-Karrenbauer die Debatten in der SPD. Sollte es tatsächlich zum frühzeitigen Bruch der Regierung kommen, hätten ihre Kritiker weniger Zeit, um sich strategisch in Stellung zu bringen.
Ihre Kanzlerschaft würde dadurch ein Stück weit wahrscheinlicher. "Am Ende entscheiden die Wählerinnen und Wähler", fasste AKK zusammen, "und das ist auch gut so."
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