Bei "Caren Miosga" stand am Sonntagabend (22. September) die Wahl in Brandenburg im Fokus. Die SPD ist knapp vor der AfD stärkste Kraft geworden. Während Bundespräsident a.D. Joachim Gauck die Moderatorin mit einer Antwort erstaunte, beschrieb Soziologe Steffen Mau eine Entwicklung, die die AfD noch viel gefährlicher machen würde.

Eine Kritik
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Drei Wochen nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen ist auch in Brandenburg ein neuer Landtag gewählt worden: Nach dem vorläufigen Endergebnis landet die SPD (30,9 Prozent) knapp vor der AfD (29,2 Prozent). Das BSW (13,5 Prozent) belegt den dritten Platz vor der CDU (12,1 Prozent). Mit 4,1 Prozent der Stimmen schaffen die Grünen es nicht mehr in den Landtag.

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Das ist das Thema bei "Caren Miosga"

Nach den Wahlen in Brandenburg sprach Miosga mit ihren Gästen über die Folgen des Wahlergebnisses für die Ampel und die Frage, warum so viele, gerade auch junge Menschen, die in Teilen rechtsextreme AfD wählen. Auf den Tisch kamen dabei nicht nur Besonderheiten einer ostdeutschen Teilbevölkerung, sondern auch das Migrations-Thema und die Herausforderungen, vor denen Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) stehen wird.

Das sind die Gäste

  • Joachim Gauck: Der Bundespräsident a.D. sagte: "Wir haben es nicht nur mit einem ostdeutschen Problem zu tun." Etwa ein Drittel jeder Gesellschaft habe das Bedürfnis, sich vor dem Wandel zu schützen. Auch in vielen Ländern um Deutschland herum sei bereits der Eindruck aufgekommen, nicht mehr vertraut mit der eigenen Heimat zu sein. Dennoch sei er zutiefst besorgt, dass wir "nicht genug Verteidigungsbereitschaft aufbringen gegen die, die so tun, als sei unsere offene Gesellschaft eine Bedrohung".
  • Julia Reuschenbach: Es ging um junge AfD-Wähler, als die Politikwissenschaftlerin warnte: "Wir haben in den letzten Jahren häufig den Kurzschluss gesehen, dass junge Wähler mit 'Junge-Leute-Themen' assoziiert werden. Das ist dann sowas wie Bildung oder Digitalisierung." Viele Studien würden aber zeigen, dass die Themen, denen der Erwachsenen ähneln würden - beispielsweise ein sicherer Arbeitsplatz und Eigentum erwerben zu können. Die AfD spreche junge Menschen gezielt an, auch bei diesen Themen.
  • Steffen Mau: "Wir können ja schon froh sein, dass in der AfD wenig charismatische Persönlichkeiten vorhanden sind. Das würde noch viel gefährlicher werden", so der Soziologe. Die Parteien könnten den öffentlichen Diskurs immer weniger bestimmen. Es brauche neue Formate zur Mitwirkung in der Politik – diese dürften aber keine Illusion bleiben.
Caren Miosga (2.v.l.) und ihre Gäste nach der Wahl in Brandenburg: Julia Reuschenbach (l.), Joachim Gauck und Steffen Mau (r.). © NDR/Thomas Ernst

Das ist der Moment des Abends bei "Caren Miosga"

Joachim Gauck betonte, es gebe nicht "den" Ostdeutschen, lieferte aber dennoch eine Analyse: "Die ostdeutsche Teilbevölkerung hat keinen schlechteren Charakter, aber schlechtere Startbedingungen in die Existenz eines Bürgers. Autonomie, Eigenverantwortung, der Wert der eigenen Meinung, die Rolle des Ichs in einer Gesellschaft – all das war völlig anders", so Gauck.

Die ostdeutsche Bevölkerung habe in andauernder politischer Ohnmacht gelebt. Dennoch meinte er: "Das deutsche Wahlvolk ist eigentlich immer noch relativ gutmütig gegenüber seinen Regierungen. In der Mitte gibt es eine solide Basis, die dafür sorgt, dass diese Demokratie im Takt bleibt."

Das ist das Rede-Duell des Abends

Es gab an diesem Abend kein Rede-Duell, nicht einmal einen Ansatz dafür. Die größte Spannung war zu spüren, als Miosga von Gauck wissen wollte, ob Klingbeil, Wüst und Co. recht hätten, wenn sie die AfD als "Nazi-Partei" bezeichnen würden. Gauck antwortete: "Nein, das haben sie nicht. Es sind Nazis in dieser Partei, aber diese Leute werden wir nicht los, weil wir das Destruktive aus unserer Gesellschaft nicht verbannen können."

Miosga runzelte auffällig die Stirn, stutzte, ging aber nicht dazwischen. Gauck schob hinterher: "Wir würden einen schweren Fehler machen, wenn wir die politische Auseinandersetzung auf die Nazi-Frage konzentrieren würden". Viel wichtiger sei das Bedürfnis nach autoritärer Führung, das bei vielen in der Gesellschaft bestehe.

So hat sich Caren Miosga geschlagen

Dass es kein einziges Rede-Duell gab, kann man Miosga vorwerfen, denn ihre Fragen waren nicht kontrovers oder konkret genug. Als die Wissenschaftler Mau und Reuschenbach beispielsweise neue politische Formate forderten, hätte Miosga nachhaken müssen, wie diese aussehen könnten. Zu oft blieb die Frage: "Was nun?" auf der Strecke. Und dann blieb eine eigentlich vielversprechende Frage auch noch weitgehend unbeantwortet: "Wenn Sie nächsten Sonntag predigen müssten, wie würde die Überschrift Ihrer Predigt lauten, Herr Gauck?" Auch um die angekündigten Folgen des Wahlergebnisses für die Ampel ging es kaum.

Das ist das Ergebnis bei "Caren Miosga"

Interessant waren vor allem zwei Ergebnisse. Zum einen: Die AfD macht mit der ostdeutschen Identität bewusst Wahlkampf – statt des abgehängten Zweite-Klasse-Bürgers treten Menschen in Ostdeutschland dabei als "Avantgarde" auf. Zum anderen: "Wir brauchen in diesem Land mehr Erzählungen vom Gewinnen", forderte Gauck. Das zähle beispielsweise für die Migration – dort gäbe es aktuell nicht ausreichend Narrative für die Gewinne durch Zuwanderung.

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