Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel ist der Nahost-Konflikt auch in Deutschland angekommen. Bei einer Großdemonstration in Essen etwa waren islamistische Banner und Forderungen nach einem Kalifat in Deutschland zu hören.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Bei "Markus Lanz" äußerte sich Grünen-Chef Omid Nouripour mit alarmierenden Worten über die Entwicklung. Zudem lieferte er sich mit Landrätin Bettina Dickes ein Wortgefecht über die aktuelle Einigung von Bund und Ländern in der deutschen Asylpolitik.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Am Freitag haben in Essen rund 3.000 Menschen an einer pro-palästinensischen Großdemonstration teilgenommen. Dabei wurden nicht nur islamistische Banner gezeigt, sondern es wurde auch die Errichtung eines Kalifats gefordert.

ZDF-Moderator Markus Lanz sprach in seiner Sendung über die "zutiefst verstörenden Szenen" und den Umgang mit "Menschen, die unser System offenbar völlig ablehnen". Gleichzeitig bewertete er mit seinen Gästen die Beschlüsse, die beim aktuellen Migrationsgipfel im Kanzleramt gefasst wurden.

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Das sind die Gäste

  • Omid Nouripour, Politiker: "Es gibt jetzt mehr Planungssicherheit und deutlich mehr Geld für die Kommunen."
  • Kerstin Münstermann, Journalistin: "Eine Toleranz gegenüber Leuten, die sie selbst nicht üben, ist fatal."
  • Eren Güvercin, Islam-Experte: "Es braucht eine religionspolitische Zeitenwende."
  • Bettina Dickes, CDU-Landrätin in Bad Kreuznach: "Das Bürgergeld ist ein gigantischer Fehlanreiz."
Bettina Dickes
CDU-Landrätin Bettina Dickes warnte bei "Markus Lanz" vor einer Überforderung durch zu viele Geflüchtete: "Wir können nicht mehr, weil wir das, was ich eigentlich auch als menschenwürdig empfinde an Integrationsleistungen, an Unterbringungsmöglichkeiten, nicht mehr leisten können." © ZDF / Cornelia Lehmann

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Mit Blick auf die umstrittene Demonstration in Essen fragte Markus Lanz: "Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie diese Bilder sehen?" Grünen-Chef Omid Nouripour bezeichnete das Geschehen bestürzt als "eine Islamisten-Demo", "die nichts mehr mit der Situation im Nahen Osten zu tun" gehabt habe. Der Politiker verlangte eine härtere strafrechtliche Verfolgung und sagte: "Wir müssen uns kümmern, dass diese Leute auch sehr klar und deutlich zur Rechenschaft gezogen werden."

Laut Nouripour sei die Demonstration in Essen "ein massives Alarmzeichen", da nun deutlich sei, dass die islamistische Szene in Deutschland "wieder stärker" werde. Dies sei laut des Grünen-Chefs "brandgefährlich", vor allem, weil es ein "Umsetzungsproblem" im Land gebe, "weil wir nicht genug Personal haben bei der Polizei". Auch beim Erkennen islamistischer Slogans gebe es einen Mangel an Personal. "Das ist dringend notwendig, dass wir da deutlich und zwar sehr schnell (...) besser werden", so Nouripour zu Lanz.

Dem stimmte Islam-Experte Eren Güvercin zu und ergänzte: "Das, was in Essen stattgefunden hat, war eine Machtdemonstration." Besonders schlimm sei für den Experten, dass "das, was auf diesen Fahnen steht, (...) das Glaubensbekenntnis der Muslime" sei. "Das tut natürlich mir als gläubigem Moslem weh, wenn ich sehe, dass mein Glaubensbekenntnis (...) von solchen extremistischen Leuten pervertiert wird", so Güvercin wütend. Er leide auch darunter, "dass es keinen Aufschrei von uns Muslimen gibt". Der Islam-Experte erklärte: "Bevor überhaupt die deutsche Politik oder die Medien aufschreien, müssten eigentlich wir als deutsche Muslime sagen: 'Ich überlasse die Definitionshoheit über meinen Glauben nicht solchen Extremisten'."

Laut Güvercin habe die türkische Regierung aktuell "weit mehr Kontrolle" über die Imame, "die in deutschen Moscheen predigen", als der deutsche Staat. Er mahnte deshalb im Gespräch mit Lanz: "Wir brauchen auch eine religionspolitische Zeitenwende - das fordere ich von meiner Bundesregierung als muslimischer Staatsbürger dieses Landes." Omid Nouripour stimmte nickend zu und offenbarte: "Wir haben es nicht geschafft die letzten Jahre, ausreichend (...) zu tun, um einen deutschen Islam zu etablieren." Die Situation sei jedoch äußerst komplex und schwierig, denn: "Man kriegt extremistische Organisationen (...) nicht nur mit Druck und Härte aufgelöst, sondern man muss die auch trockenlegen."

Das ist das Rede-Duell des Abends

ZDF-Moderator Markus Lanz kam schließlich auf die "große Wende in der Asyl- und Migrationspolitik" zu sprechen, auf die sich Bund und Länder jüngst im Kanzleramt geeinigt haben. Lanz wollte von seinen Gästen wissen, ob es sich hierbei um eine "echte Wende oder nur Placebo" handelt. Landrätin Bettina Dickes kritisierte zunächst das debattenscheue Miteinander während der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 und bemängelte: "Wer auch nur den Hauch von Kritik geäußert hat, wurde sofort in ein rechtes Lager gestellt." Derweil habe man auf diejenigen, die nach Deutschland kamen, "fast einen Glorienschein" gelegt.

Markus Lanz, Omid Nouripour, Bettina Dickes, Eren Güvercin, Kerstin Münstermann
Am Dienstagabend diskutierte Markus Lanz (l.) mit Grünen-Chef Omid Nouripour (2.v.l.), CDU-Landrätin Bettina Dickes (Mi.), Islam-Experte Eren Güvercin (2.v.r.) und Journalistin Kerstin Münstermann. © ZDF / Cornelia Lehmann
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Dem konnte Kerstin Münstermann nicht zustimmen. Die Journalistin machte deutlich, dass es auch 2015 diverse Debatten zum Thema Flüchtlingspolitik gegeben habe. Sie bewertete auch den aktuellen Gipfel im Kanzleramt positiv, der eine "andere Herangehensweise an das Thema Migration" eingeläutet habe. Darauf konterte Dickes, dass es sich zwar um Ankündigungen handle, "die auf der einen Seite richtig" seien und sich "wirklich gut" anhören, deren Umsetzung aber "ganz, ganz schwierig" werde.

Der Landrätin gehe es dabei nicht nur um mehr Geld, sondern um die Frage: "Wie viele Menschen können wir noch aufnehmen?" Sie ergänzte sichtlich aufgelöst: "Wir haben einfach überhaupt keinen Wohnraum mehr!" Mittlerweile müssten laut Dickes rund 50 bis 60 Menschen auf engstem Raum in einem Gebäude leben. "Es ist ein Herd von Aggression, der da entstehen wird. Wir haben keine Chance auf Integration", so Dickes. Dadurch verrutsche auch etwas in der Gesellschaft, wie die Landrätin erklärte: "Die Willkommenskultur ist nicht mehr da."

Auf Nachfrage von Lanz versprach Omid Nouripour, dass die Regierung die Kommunen entlasten wolle: "Dass gestern dreieinhalb Milliarden rübergekommen und beschlossen worden sind, hätte ich vor drei Tagen noch nicht gedacht. Das ist ein Schritt nach vorne." Ein Argument, das für Dickes nicht zählte. Sie konterte prompt: "Diese Überforderung, die wir haben, die können Sie mit keinem Geld der Welt abblocken!"

Laut der Landrätin brauche es andere Begrenzungen, denn: "Wir laufen voll!" Dickes ergänzte wütend, dass sie am "Rande der Belastungsgrenze" angekommen sei: "Wir können nicht mehr, weil wir das, was ich eigentlich auch als menschenwürdig empfinde an Integrationsleistungen, an Unterbringungsmöglichkeiten, nicht mehr leisten können." Darauf antwortete Omid Nouripour überraschend nüchtern: "Ich kann 'Stopp' rufen, aber das wäre ja nicht real!"

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz gelang es am Dienstagabend, die richtigen Fragen zu stellen und den Finger in mehrere schmerzhafte Wunden zu legen. Er erhielt dadurch nicht nur packende Antworten von Landrätin Bettina Dickes, sondern auch von Islam-Experte Eren Güvercin.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Um Großdemonstrationen wie die in Essen zu verhindern, forderte Omid Nouripur bei "Markus Lanz" einen innerdeutschen Islam und sagte: "Wir brauchen einen Stopp dieser ausländischen Gelder, die hier Unruhe stiften (...) und Unsägliches bewerkstelligen." Dem schloss sich Eren Güvercin an, der den islamischen Antisemitismus als Schlag ins Gesicht für viele gemäßigte Muslime empfindet. "Aber sie müssen aufschreien", forderte der Islam-Experte abschließend.  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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