Die "Taurus"-Abhöraffäre löst Empörung und Verunsicherung aus. Bei "Markus Lanz" übte CDU-Politiker Roderich Kiesewetter unter anderem Kritik an Bundeskanzler Olaf Scholz und forderte eine Lieferung der Marschflugkörper an die Ukraine.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Schuld war, wie Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius am Dienstag erklärte, ein unsicherer Kanal, den ein Teilnehmer verwendete: Die Erkenntnis, dass Russland eine "Taurus"-Konferenz von deutschen Luftwaffenoffizieren abhören konnte, sorgte am vergangenen Freitag für Aufruhr im politischen Berlin.

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Im Gespräch mit Markus Lanz machte CDU-Politiker Roderich Kiesewetter am Dienstagabend deutlich, warum der Abhörskandal auch ein schlechtes Licht auf Kanzler Olaf Scholz wirft.

Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Ein unzureichend verschlüsseltes Webex-Gespräch deutscher Luftwaffenoffiziere führte jüngst zu einem handfesten Abhörskandal, bei dem insgesamt 40 Minuten einer internen Besprechung zum Krieg in der Ukraine öffentlich gemacht wurden.

Markus Lanz ging daher zu Recht der Frage auf den Grund, wie die russische Abhöraktion überhaupt möglich sein konnte. Gleichzeitig blickte der ZDF-Moderator auf die verheerende Lage in Gaza, wo mittlerweile zwei Millionen Menschen auf der Flucht sind und über 30.000 Menschen getötet wurden.

Das sind die Gäste

  • Roderich Kiesewetter, CDU-Politiker: "Die Russen sehen uns als Kriegspartei."
  • Kristin Helberg, Nahost-Expertin: "Am Ende wird auch dieser Krieg am Verhandlungstisch enden."
  • Abed Hassan, Uhrmacher: "Israel kann, wenn es möchte, den Palästinensern eine Perspektive geben."
  • Philipp Peyman Engel, Journalist: "Ich möchte, dass demokratische Politiker muslimischen Antisemitismus klar ansprechen."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

"Was haben Sie gedacht, als Sie von diesem 'Taurus'-Leak erfahren haben?", wollte Markus Lanz von CDU-Politiker Roderich Kiesewetter wissen. Der Sicherheits- und Verteidigungs-Experte nannte die Abhöraffäre zunächst einen "sehr interessanten Coup des russischen Nachrichtendienstes".

Gleichzeitig ergänzte er, dass der Inhalt des abgehörten Gesprächs "nichts Neues" gewesen sei. "Die Aussage, dass die Bundeswehr alles tut, dass die Ukraine diese Mittel ohne Bundeswehr-Beteiligung einsetzen kann - das wissen wir im Bundestag schon seit Monaten", so Kiesewetter.

Dennoch fragte Lanz, wie so eine russische Cyber-Attacke auf Deutschland überhaupt möglich sei. Darauf antwortete Kiesewetter erneut unbeeindruckt: "Der Skandal ist nicht, dass Russland sich dort eingeschaltet hat, sondern der Skandal ist, dass wir nicht in der Lage waren, unsere eigenen Systeme zu härten. Dass spioniert wird, ist völlig richtig. Das ist völlig nachvollziehbar. Davon muss man auch ausgehen." Der CDU-Mann ergänzte: "Die Russen (...) sehen uns als Kriegsgegner. Die Russen sehen uns als Kriegspartei und sie tun natürlich alles, um Material zu bekommen."

In Bezug auf den Inhalt der Abhöraffäre wollte Lanz wissen, ob Bundeskanzler Olaf Scholz damit "als Lügner überführt und bloßgestellt" worden sei. Kiesewetter dementierte dies zwar, gab jedoch auch zu: "Wir haben uns immer gewundert, warum der Bundeskanzler die 'Taurus'-Lieferung ablehnt. Es kam immer die Begründung, dass Bundeswehr-Soldaten vor Ort sein müssten. (...) Das ist de facto falsch."

Aufgrund der Widersprüchlichkeit sieht der CDU-Mann ein "grundsätzliches Misstrauen des Bundeskanzlers gegenüber der Ukraine". Kiesewetter ergänzte: "Wenn ich es jetzt sehr knallhart sage, dann hat der Bundeskanzler die Öffentlichkeit getäuscht, weil für einen Einsatz dieses Systems (...) mit etwas zeitlichem Vorlauf keine Bundeswehr-Unterstützung nötig ist." Laut Kiesewetter müsse Olaf Scholz daher "der Lieferung von 'Taurus' zustimmen", wenn er wirklich wolle, dass "Putin wackelt". Der CDU-Politiker ging sogar noch einen Schritt weiter und forderte: "Die Ukraine muss befähigt werden, den Krieg nach Russland zu tragen mit ihren Waffen." Es gehe dabei nicht darum, "zivile Ziele" anzugreifen, sondern es vielmehr "der russischen Bevölkerung klarzumachen, dass sie die Aggressoren sind".

Lanz hakte überrascht nach und fragte, ob sich Kiesewetter demnach einen "Taurus"-Angriff auf Moskau vorstellen könne. Der Politiker schüttelte energisch mit dem Kopf: "Nein! Jetzt legen Sie mir etwas in den Mund, Herr Lanz." Der ZDF-Moderator fragte sichtlich verwirrt: "Aber das ist doch die Konsequenz daraus, oder? Sie haben doch gesagt, die dürfen weitergehen." Kiesewetter antwortete: "Ja, absolut. Aber doch nicht mit deutschen Waffen!" Abschließend fügte er wütend hinzu, dass man "doch nicht die Ukraine limitieren" könne, "dass sie nur auf ihrem eigenen Gebiet versucht, Russland einzuhegen".

Markus Lanz, Roderich Kiesewetter, Kristin Helberg, Abed Hassan, Philipp Peyman Engel
Am Dienstagabend diskutierte Markus Lanz (l.) mit CDU-Politiker Roderich Kiesewetter (2.v.l.), Journalistin Kristin Helberg (Mi.), Uhrmacher Abed Hassan (2.v.r.) und Journalist Philipp Peyman Engel. © ZDF / Cornelia Lehmann

Das ist das Rede-Duell des Abends

Auch der Krieg im Nahen Osten sorgte bei "Markus Lanz" für erhitzte Gemüter. Besonders der 27-jährige Palästinenser Abed Hassan konnte die Ereignisse in Gaza nach dem 7. Oktober nur schwer in Worte fassen: "Alleine in dieser Woche habe ich zehn Familienmitglieder verloren." Gleichzeitig fügte er hinzu: "Für uns ist es schon lange kein Krieg mehr. Für uns ist es eine absolute Zerstörung von allem, was überhaupt lebendig ist in Gaza." Das Leid sei laut Abed "nicht zu rechtfertigen - egal auf welcher Seite".

Im Gespräch mit Lanz machte der 27-Jährige vor allem der israelischen Armee heftige Vorwürfe und verurteilte die erbarmungslose Brutalität der Soldaten. Daraufhin versuchte Journalistin Kristin Helberg das Ganze in Kontext zu setzen: "Die israelische Armee hat natürlich einen sehr schwierigen Krieg zu führen, weil die Hamas sich eingegraben hat (...) und deswegen natürlich auch Zivilisten als Schutzschilde benutzt."

Auch Philipp Peyman Engel, Chefredakteur der "Jüdischen Allgemeinen", sagte zunächst: "Ich möchte Ihnen wirklich mein herzliches, tief empfundenes Beileid ausdrücken. Die Lage in Gaza ist entsetzlich." Dennoch stellte er klar: "Israel will diesen Krieg nicht." In dem Zusammenhang wies Engel mit strengem Blick auf die fehlende Hamas-Kritik innerhalb der Sendung hin. "Warum beendet die Hamas diesen Krieg nicht? Dieser Krieg wäre innerhalb von Sekunden vorbei, wenn sie die israelischen Geiseln freilassen würde", so der Journalist.

Mit Blick auf Abed Hassan fügte Engel hinzu: "Ihre Familie ist Opfer der Hamas!" Dem widersprach der Uhrmacher jedoch und sagte, dass das Leid in Gaza nicht nur die Schuld der Hamas sei. Vor dem 7. Oktober hätten laut Hassan "die Leute in Gaza leise gelitten". Er fügte wütend hinzu, dass es in Gaza seit Jahren eine Perspektivlosigkeit, Armut und Elend gebe, aber "wenn wir sterben, werden wir erst zum Thema". Daraufhin sprach der Palästinenser von einem Völkermordversuch in Gaza.

Ein Vorwurf, den Engel nicht unkommentiert lassen konnte: "Das ist einfach nicht der Fall!" Hassan konterte prompt: "Fast alle Moscheen in Gaza wurden bombardiert." Darauf antwortete Engel: "Ich bin nicht der Pressesprecher der israelischen Regierung, aber ich finde, wir müssen bei der Wahrheit bleiben." Er fügte hinzu: "Wenn Israel einen Völkermord begehen würde, dann sähe es doch ganz anders aus. Und das ist in meiner Wahrnehmung (...) der Bereich Fake News." Ein Satz, der bei Hassan für Fassungslosigkeit sorgte: "Wie schlimm soll es denn noch sein?" Er mahnte abschließend: "Gewalt rechtfertigt nicht noch mehr Gewalt. Das führt am Ende nur dazu, dass wir uns in eine Gewaltspirale bewegen, die zu nichts führt außer noch mehr Leid und noch mehr Tod."

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz hielt am Dienstagabend eine gute Balance zwischen dem Krieg im Nahen Osten sowie dem deutschen "Taurus"-Dilemma. Während der ZDF-Moderator mit Roderich Kiesewetter mehrmals verbal ins Gericht ging, ließ er Abed Hassan emotional erklären, wie sich das Leben im Gazastreifen seit dem 7. Oktober verändert hat.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

In Bezug auf die "Taurus"-Abhöraffäre sagte Roderich Kiesewetter deutlich: "Die Bundeswehr ist hier Opfer. (...) Dass es jetzt bekannt wurde, machen die Russen ja mit einer bestimmten Absicht - uns bloßzustellen, die innenpolitische Debatte anzuheizen, Großbritannien, Frankreich und Deutschland auseinanderzubringen." Gleichzeitig warnte der CDU-Mann: "Es werden sicher noch etliche andere Gespräche abgehört worden sein und gegebenenfalls später geleakt werden."

Eine Steilvorlage für Lanz, der fragte: "Hören wir die Russen umgekehrt auch ab?" Kiesewetter wiegelte ab: "Ich glaube nicht, dass wir die Mittel in diesem Umfang haben. (...) Wir können das sicherlich, aber wir werden das nicht in diesem hohen Maße machen." Die deutschen Dienste seien laut Kiesewetter zwar "nicht ahnungslos", aber "sehr streng reglementiert".  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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