Für ein gemeinsames Koalitions-Papier müssen Union und SPD jede Menge Kompromisse eingehen. Bei "Markus Lanz" musste sich CDU-Politiker Thorsten Frei einigen stichelnden Fragen des ZDF-Moderators stellen, der die Union der politischen Lüge bezichtigte.
Die Koalitionsgespräche von Union und SPD laufen auf Hochtouren, doch bei wichtigen Themen wie Migration und Steuer scheint noch längst keine Einigung in Sicht zu sein. Bei "
Das Thema der Runde
"Es sind entscheidende Tage in Berlin", stellte Markus Lanz zu Beginn seiner Sendung klar. In Bezug auf die erste Sitzung des frisch gewählten Bundestages sowie die laufenden Koalitionsgespräche analysierte der ZDF-Moderator am Dienstagabend, wie nah sich CDU und SPD bei den vielen strittigen Fragen sind. Zeitgleich sprach Lanz auch über das bewusste Ignorieren der AfD bei der Wahl des nächsten Bundestagsvizepräsidenten.
Die Gäste
- CDU-Politiker
Thorsten Frei bezog Stellung zu den Koalitionsverhandlungen: "Sowohl beim Migrationsthema als auch bei der Innenpolitik insgesamt gibt es unterschiedliche Sichtweisen." - SPD-Vizevorsitzende
Anke Rehlinger schoss scharf gegen die AfD: "Wir wollen Feinden der Demokratie nicht die Hände reichen. Das ist eine klare Haltung, die man einnehmen darf und muss." - Journalistin Eva Quadbeck offenbarte mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen von SPD und CDU: "Das Klima hinter den Kulissen ist nicht gut. Die haben nämlich in Wahrheit alle keine richtig große Lust, miteinander zu regieren."
- Ex-Botschafter Rüdiger von Fritsch sah die Verhandlungen von Trump und Putin kritisch: "Man ist als Diplomat zunehmend fassungslos darüber, mit wie viel Selbstüberschätzung, aber auch Narzissmus Trump das alles angeht."
Das Wortgefecht des Abends
Mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen von CDU und SPD wollte Markus Lanz von seinen Politiker-Gästen Anke Rehlinger und Thorsten Frei wissen: "Wie läuft es denn so zwischen Ihnen beiden?" Die SPD-Vizevorsitzende antwortete trocken: "Zwischen uns beiden läuft es gut." Der ZDF-Moderator reagierte lachend und stellte klar: "Sie sind ein bisschen zum Erfolg verdammt, wenn man so will." Rehlinger nickte: "Ja, das ist so."
Die SPD-Politikerin ergänzte jedoch hoffnungsvoll: "Ich glaube, (...) dass wir mit den Arbeitsergebnissen aus dem Sondierungspapier schon einen wirklich guten Rahmen geschaffen haben, der viele Chancen beinhaltet." Rehlinger bezog sich daraufhin auf die geplante Neuverschuldung in Milliardenhöhe und sagte: "Es wird wahrscheinlich nie mehr wieder einen so großen finanziellen Hebel geben, wie man ihn jetzt hat."
Eine Steilvorlage für Markus Lanz, der nachhakte: "Was ist das, was Sie da gerade mit

Der ZDF-Moderator fragte weiter: "Sind Sie, Herr Frei, schon am Ende dieses Weges der Erkenntnis angekommen?" Der CDU-Politiker antwortete ehrlich: "Nein, natürlich nicht. Weil wir sind unterschiedliche Parteien und wir haben unterschiedliche Schwerpunkte." Frei stellte weiter klar: "Es ist das Wesen der Demokratie, dass wir zum Kompromiss kommen und dazu sind wir in der Lage." Eine Aussage, die Lanz sichtlich irritierte: "Worin genau besteht der Kompromiss?" Der Moderator hakte streng nach, ob es sich nicht eher um "eine faustdicke politische Lüge" handle.
Thorsten Frei schüttelte energisch mit dem Kopf: "Was für uns entscheidend war, (...) ist die Tatsache, dass wir deutlich mehr Geld brauchen für die Gewährleistung von Sicherheit und Verteidigung." Ein Argument, das Lanz nicht unkommentiert ließ: "Das wussten Sie alles vorher, Herr Frei!" Frei verteidigte sich prompt und erinnerte an das gescheiterte Treffen von Selenskyj und Trump im Weißen Haus, das "eine neue Dramatik" ausgelöst habe.
Dennoch merkte Frei an, dass er hinter dem Versprechen, an der Schuldenbremse festzuhalten, nach wie vor stehe: "Ich habe alles, was ich vor der Wahl gesagt habe, damals für richtig gehalten." Lanz konterte fassungslos: "Sie halten das, was Sie vor der Wahl gesagt haben, für richtig - und heute halten Sie genau das Gegenteil für richtig?" Thorsten Frei reagierte schwammig: "Ich will nicht sagen, dass ich mich in jedem Kompromiss zu hundert Prozent wiederfinde." Lanz ließ jedoch nicht locker und fragte weiter: "Können Sie Leute verstehen, die sagen: 'Die haben uns Mist erzählt?'" Frei gab daraufhin nüchtern zu: "Ich verstehe, dass es erklärungsbedürftig ist, ja."
Die Offenbarung des Abends
Nach der ersten konstituierenden Sitzung des frisch gewählten Bundestages merkte Lanz in Bezug auf die 152 Abgeordneten der AfD an: "Ich hatte das Gefühl, das war schon so ein Wendepunkt. Ein historischer Moment. Der Sound war ein anderer." Der Moderator echauffierte sich dabei nicht nur über "das Atmosphärische", sondern auch über offen verwendete Ausdrücke wie "Schrumpf-Germanen".
CDU-Politiker Thorsten Frei reagierte ähnlich besorgt und erinnerte daran, dass die Veränderung schon seit 2017 spürbar sei, "seit die AfD in den Bundestag gekommen ist. Damals vielleicht noch etwas tollpatschig - so wie das für Neulinge häufig der Fall ist - jetzt schon sehr abgebrüht". Frei ergänzte nachdenklich, dass das Verhalten der AfD "häufig nicht der Sache" diene, "sondern das dient eher der Verächtlichmachung des Parlamentarismus, und das ist das eigentliche Problem".
Historiker Rüdiger von Fritsch warnte deshalb: "Die anderen Parlamentarierinnen und Parlamentarier werden zusätzlich gefordert sein dadurch." Die SPD-Vizevorsitzende Anke Rehlinger versuchte dennoch, hoffnungsvoll zu bleiben. Sie sagte: "Der Bundestag findet sich zusammen, und das ist ein Parlament, das, genauso wie die künftige Regierung, eine wichtige und große Aufgabe für Deutschland hat und auch ein Stück weit zum Erfolg sich zusammenraufen muss."
Grund genug für Lanz, mit Blick auf die AfD zu fragen, ob es legitim sei, "diese Strategie der Ausgrenzung immer weiterzufahren". Er berfürchtete: "Das zementiert ja immer genau diesen Opfer-Märtyer-Status." Thorsten Frei sah dies zwiegespalten und stellte klar, dass ein Bundestagsvizepräsident beispielsweise in der Lage sein müsse, "mit Souveränität und Konsequenz das Haus auch zu vertreten". Diese Qualität erkenne er bei der AfD jedoch nicht.

Anke Rehlinger stimmte zu: "Man muss in der Demokratie aushalten, dass sich auch Feinde der Demokratie in Parlamenten bewegen, aber man muss nicht jedem Feind der Demokratie auch die Hand reichen." Eine Aussage, die Journalistin Eva Quadbeck nachdenklich stimmte: "Es ist keine gute Lösung, zu sagen, man grenzt die AfD aus, aber mir fällt auch keine bessere ein. Weil diese Partei nachgewiesen in Teilen (...) faschistisch ist." Quadbeck weiter: "Besser wäre es natürlich, man könnte sie integrieren, aber sie sind nicht integrierbar. Und das muss man sich auch immer wieder bewusst machen - es ist keine demokratische Partei."
Der Erkenntnisgewinn
Bei "Markus Lanz" wurde deutlich, dass CDU und SPD bei vielen elementaren Themen noch keine Einigung erzielt haben. Besonders in der Migrationspolitik konnten weder Thorsten Frei noch Anke Rehlinger einen gemeinsamen Nenner finden. Als Lanz das Dilemma hervorhob, wiegelte Frei ab: "Wir kommen von unterschiedlichen Punkten, (...) aber die Lösungsräume, zueinanderzufinden, die gibt es."
Auch beim Thema Rente und Steuererhöhungen gerieten die beiden aneinander. Während Thorsten Frei versprach, dass "nicht über die Erhöhung von Steuern" gesprochen werde, wollte es Rehlinger nicht ausschließen, den Spitzensteuersatz zu erhöhen. "Ein bisschen was ist noch zu tun", resümierte Lanz daher abschließend. © 1&1 Mail & Media/teleschau