Bei "Hart aber fair" ging es am Montagabend um die Vertrauenskrise zwischen Politik und Bürgern. Dabei machte NRW-Innenminister Herbert Reul ein Eingeständnis. Während ein Bürgermeister aus dem Erzgebirge forderte, die AfD doch endlich in Regierungsverantwortung zu nehmen, erklärte Journalistin Gilda Sahebi, warum das ständige Gerede von zu vielen Migranten nur eine Ablenkung sei.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Marie Illner dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Alarmierende Zahlen: 67 Prozent der Deutschen antworten auf die Frage: "Wie sehr vertrauen Sie den politischen Parteien?" mit "Eher nicht" und unter den 18- bis 30-Jährigen vertrauen insgesamt nur 59 Prozent der Demokratie. Da wundert es nicht, dass fast die Hälfte der Deutschen unzufrieden mit der Arbeit der Bundesregierung ist.

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Das ist das Thema bei "Hart aber fair"

"Der Titel der Sendung von "Hart aber fair" lautete am Montagabend daher: "Die große Vertrauenskrise: Versteht die Politik die Bürger noch?" Aufhänger für diese Frage waren natürlich die AfD-Erfolge in Thüringen und Sachsen. Im Studio ging es daher um die Fragen: Erleben wir gerade einen gesellschaftlichen Rechtsruck von bisher unbekanntem Ausmaß? ", "Verstehen SPD und CDU noch, was die Menschen bewegt?" und "Wie können die etablierten Parteien Vertrauen zurückgewinnen?"

Das sind die Gäste

  • Petra Köpping (SPD): "In Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt gibt es eine Besonderheit, die wir nicht ausblenden dürfen: Dort wird die AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft. Das ist ein Unterschied, sodass selbst französische Rechtsextreme gesagt haben: 'Mit denen arbeiten wir nicht zusammen.'" Solange das so sei, könne man mit der AfD auf keinen Fall zusammenarbeiten.
  • Gilda Sahebi: Die Journalistin meinte: "Es gibt gewisse Muster, die sich seit vielen Jahren wiederholen – nach der Kölner Silvesternacht, nach den Ereignissen von 2015." Anstatt zu merken, dass die Problemanalyse nicht stimme und in Ruhe nachzudenken, verhielte sich die Politik nach der Wahl wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen und veranstalte direkt einen Migrationsgipfel.
  • Mirko Geißler: Der Bürgermeister aus dem Erzgebirge sagte über das starke Wahlergebnis der AfD: "Wenn das Ergebnis so dasteht in einer Demokratie, dann sollte man das auch akzeptieren." Die AfD sei schließlich zur Wahl zugelassen worden. "Dann sollte man auch die AfD mit in Verantwortung nehmen", meinte er. Jetzt stehe die AfD im Stadion auf den Rängen, wo bekanntlich die besten Schiedsrichter sitzen würden, und sagten, was man alles besser machen könnte. "Dann nehmt sie doch einfach in die Verantwortung", forderte er.
  • Herbert Reul (CDU): Die AfD verbreite bei TikTok einfache Thesen, aber verloren seien die jungen Menschen nicht, meinte der Innenminister von NRW. "Wir haben eine Zeit gehabt, da haben die jungen Leute alle grün gewählt, wir haben eine Zeit gehabt, da haben viele liberal gewählt. Man muss es ernst nehmen, dass jetzt so viele junge Leute wegdriften", meinte er.
  • Antje Hermenau: Die Politikberaterin und Autorin sagte über die Landtagswahlen im Osten: "Ich habe den Eindruck, dass es darum ging, ein eindeutiges Stoppsignal zu setzen und zu sagen, wir wollen einen bestimmten Teil der Politik nicht mehr haben und wir haben auch nicht die Geduld zu warten, bis die Ampel das bei der Bundestagswahl im nächsten Jahr begreift." Viele Menschen hätten aus diesem Grund bewusst die AfD gewählt.
  • Jan "Monchi" Gorkow: Der Sänger der Band "Feine Sahne Fischfilet" sagte: "Wenn ich auf mein Handy schaue, denke ich die ganze Zeit: 'Die Welt geht unter'. Und wenn ich dann rausgehe, sehe ich: Ach, hier geht noch was." Die Menschen würden sich von der Politik nicht mehr mitgenommen fühlen. Man müsse vor allem um die jungen Menschen kämpfen.

Das ist der Moment des Abends bei "Hart aber fair"

Bürgermeister Geißler meinte: "Das tut bestimmt weh und ich bin auch kein AfD-Anhänger, aber Demokratie ist manchmal schwer auszuhalten. Meiner Meinung nach muss man die Leute jetzt auf die Spielfläche holen und sagen: Zeigt, was ihr könnt. Dann werden wir sehen, wie das weitergeht." Sahebi erinnerte ihn: "Das lässt sich leicht fordern, wenn man nicht zu einer Hassgruppe der AfD gehört." Trump sei das Gegenbeispiel: Er habe sich nicht entzaubert und komme jetzt vielleicht sogar wieder.

Das ist das Rede-Duell des Abends

Das Gefühl, dass Menschen sich im eigenen Land nicht mehr zu Hause fühlten, sei über die letzten Jahre gewachsen, meinte Reul. "Wir haben das zu spät kapiert", gab er zu. Ein Lehrer könne es handeln, wenn zwei Schüler in einer Klasse kein Deutsch sprechen könnten, aber das gehe nicht bei 20 Kindern. "Vielleicht hätten wir viel ehrlicher und einfacher sagen müssen: Es gibt eine Grenze", meinte Reul. Wenn man die Probleme weiter gesund rede, werde die AfD weiter an Zuspruch gewinnen. Die Leute müssten merken, dass die Politik es verstanden habe.

Sahebi hielt dagegen: "Wenn ein Land mit 84 Millionen Menschen komplett überfordert ist durch drei Millionen Flüchtlinge, dann stimmt mit dem Land etwas nicht. Dann stimmt mit den Strukturen etwas nicht, dann fehlen Lehrer*innen, Erzieher*innen, dann fehlt Wohnraum." Offensichtlich würden die Strukturen nicht funktionieren. Darüber müsse man endlich sprechen. Immer von zu vielen Migranten zu reden, sei eine Ablenkung.

So hat sich Louis Klamroth geschlagen

Eine wirklich überzeugende Performance von Klamroth war das nicht, irgendwie blieb keine Frage hängen. Zweimal fragte er Journalistin Sahebi, ob eine Zahl sie überrasche – das klang irgendwie einfallslos. Zu oft schien er die Fragen des Sendungsthemas zu vergessen. Der Frage, ob die AfDler bei den jungen Leuten jetzt "die Coolen" sind, hätte er derweil gerne länger nachgehen und die Frage nach Koalitionsoptionen deutlich vorziehen dürfen.

Das ist das Ergebnis bei "Hart aber fair"

Die Runde war sich einig, dass Deutschland vor Aufgaben steht, die es nicht alleine lösen kann. Neben den politischen Akteuren ist auch die Zivilgesellschaft gefragt, um wieder Zusammenhalt und Vertrauen aufzubauen. Dass die Politik eben jenes Vertrauen verspielt hat und es nur durch gute Politik wiedergewonnen werden kann, stand für die Runde ebenfalls fest. Ein weiteres passendes Bild: Hermenau bezeichnete die AfD als "TÜV" für die Demokratie – den sie gerade nicht bestehe. Konsens bestand in der Runde auch, dass es wohl nur eine Frage der Zeit ist, bis die Brandmauern bröckeln.

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