Sandra Maischberger hat mit ihren Gästen am Dienstagabend über das deutsch-chinesische Verhältnis diskutiert. Publizist Gabor Steingart erklärte, warum er Friedrich Merz gern im Kostüm einer Eisschnellläuferin gesehen hätte. Und ein Tierfilmer erzählte, wie er einen Bärenangriff überlebte.

Eine Kritik
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Das war das Thema

Bundeskanzler Olaf Scholz hat in Berlin Chinas Ministerpräsidenten Li Qiang und sein Kabinett zu Regierungskonsultationen empfangen. Es waren die ersten Treffen zwischen den Ländern auf höchster Regierungsebene seit fünf Jahren.

Die Runde bei Sandra Maischberger debattierte darüber, wie Deutschland künftig mit der Großmacht umgehen soll. Insbesondere die engen wirtschaftlichen Verflechtungen könnten in einer Konfliktsituation zum Problem werden.
Weitere Themen waren die umstrittenen Äußerungen der früheren Eisschnellläuferin Claudia Pechstein beim CDU-Zukunftskonvent sowie der Umgang der Menschen mit in Deutschland wieder heimischen Wildtieren wie dem Wolf.

Das waren die Gäste

  • Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Die FDP-Außen- und Verteidigungspolitikerin kritisierte Bundeskanzler Scholz, weil bei der Pressekonferenz mit Li Qiang in Berlin keine Fragen gestellt werden durften. "In einer freien Welt ist eine Pressekonferenz schon relevant", sagte sie. China und Deutschland seien in gewisser Hinsicht zwar Partner, aber "unterm Strich ist das ein Systemrivale" – mit einem Großmachtdenken. Sie empfahl, bei den Äußerungen aus China zu Taiwan ganz genau hinzuhören und denselben Fehler wie bei Russland nicht zu wiederholen. Ein Krieg könnte dort ebenfalls irgendwann ausbrechen. Für eine Liberale etwas überraschend: Sie appellierte an die Chefs von Großunternehmen, nicht nur auf ihre Profite in Ländern wie China zu achten.
  • Felix Lee: Der Journalist und China-Experte fand die Pressekonferenz ohne Fragen ebenfalls daneben ("aus journalistischer Sicht hanebüchen"). Einem Schlagabtausch auf offener Bühne wie zwischen Außenministerin Annalena Baerbock und dem chinesischen Außenminister kann er aber ebenfalls wenig abgewinnen. Trotz Sympathien für die wertegeleitete Außenpolitik der Grünen. Die stille Diplomatie von Altkanzlerin Angela Merkel, die sich vertraulich für Menschenrechtsaktivisten einsetzte, habe da mehr erreicht. Die enorme deutsche Abhängigkeit von China beschrieb er anschaulich am Beispiel Volkswagen: "VW kann sich gar nicht aus China zurückziehen. Das würde das Ende von VW bedeuten." Lee warnte schließlich davor, eins zu eins die Positionen der Amerikaner zu übernehmen, die zunehmend auf Konfrontation mit China setzen. "Die Amerikaner spielen auch keine ganz saubere Rolle in diesem Konflikt."
  • Anja Kohl: Die ARD-Moderatorin warnte vor einer zu großen Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von China, vor allem von der Automobilindustrie. "Man legt alle Eier in einen Korb", sagte Kohl und fügte hinzu: "Es kann nicht sein, dass die Unternehmen sehenden Auges in die nächste Krise gehen". Gleichzeitig brauche China Europa und den Rest der Welt. Dort gebe es eine hohe Jugendarbeitslosigkeit, das Wachstum sei verhältnismäßig gering. In der Konzentration auf das Militär, im Großmachtstreben, sieht Kohl eine Kompensation für die relativ schwache Wirtschaft. "Xi ist genau so ein Ideologe wie Putin. Das ist gefährlich."
  • Gabor Steingart: Der Publizist ist dagegen, "Politik mit Moral zu überfrachten". Einer erzwungenen Entflechtung der chinesischen und deutschen Wirtschaft kann er daher nicht viel abgewinnen. Dann wagte er einen etwas schrägen Vergleich: Zeitungen und TV-Anstalten würden ja auch nicht freiwillig ihre Leser bzw. Zuschauer reduzieren. Denn sie bräuchten sie ja – wie die deutsche Wirtschaft China.
  • Eva Schulz: Die Moderatorin und Journalistin hält ebenfalls nicht viel davon, deutsche Unternehmen von oben dazu zu zwingen, ihre Lieferketten unabhängiger von China zu machen. Man sollte "lieber Anreize setzen, zu diversifizieren". Wie genau das aussehen könnte, blieb offen.
  • Andreas Kieling: Der Tierfilmer durfte wenige Wochen nach einem Bärenangriff in Rumänien am Ende der Sendung über seine Erlebnisse in der Wildnis berichten. "Je mehr man sich wehrt, umso mehr eskaliert das", sagte er über die Attacke, die er schwer gezeichnet überlebte. Er legte beide Arme über den Nacken, um Halswirbelsäule und Schlagader zu schützen. "Sonst säße ich jetzt nicht hier." In einem alten Video sah man, wie sich ein Bär seinem Sohn bis auf wenige Meter nährte. "Das würde ich heute nicht mehr machen", gab Kieling zu. Er schrie den Bären an: "Go away, bear". Wenig später wurden zwei seiner Kollegen von einem Bären getötet. Trotzdem plädierte er für einen achtsamen Umgang mit Beutegreifern wie dem Wolf in Deutschland – auch wenn es Probleme gibt. "Ein Tier zu töten, ist immer die letzte Instanz."

Das war der Moment des Abends

Wie nun mit China umgehen? Klare Kante oder diplomatischer agieren? Es ist wohl keine Überraschung, dass Marie-Agnes Strack-Zimmermann Ersteres bevorzugt. "Wenn wir uns einrollen (…), wenn wir anfangen schon im Vorfeld Angst vor der eigenen Courage zu haben und unser Schiff nicht mehr durchfährt, dann halt ich das für ein ganz fatales Signal." Konkret ging es um die Durchfahrt eines deutschen Marine-Schiffs durch die Straße von Taiwan, die laut der FDP-Frau eine frühere deutsche Verteidigungsministerin aus Rücksicht auf China unterlassen habe. Für Strack-Zimmermann ein Unding, handelt es sich doch um internationale Gewässer.

Auch Felix Lee stimmte zu: nicht einrollen, sondern knallhart verhandeln. "Man muss sich vor den Chinesen nicht verstecken. Die Chinesen sind auch knallhart in ihren Verhandlungen". Ein Verhalten so wie bei Scholz nach dem Motto Friede, Freude, Eierkuchen finde er "fast schädlicher im Umgang mit China".

Das war das Rededuell des Abends

In einem anderen Dialog waren die Liberale und der China-Experte völlig gegensätzlicher Meinung. Er stellte den Sinn der vielen Besuche westlicher Politiker zur vermeintlichen Unterstützung Taiwans infrage. Es sei mehr mit konkreten Anliegen auf Ministerebene geholfen "als symbolischen Besuchen" wie bei Strack-Zimmermann. Die Liberale wollte das so nicht stehen lassen. "Es war eine Einladung", stellte sie klar. Und die wurde seit einem Jahr immer wieder ausgesprochen. Sie finde es wichtig, dass man sich vor Ort treffe, um konkrete Themen zu besprechen.

Lee kritisierte auch den Besuch der früheren US-Parlamentssprecherin Nancy Pelosi, nach dem es zu einem Militärmanöver Chinas rund um Taiwan kam. "Wollen Sie mich mit Nancy Pelosi vergleichen?", konnte sich Strack-Zimmermann einen Lacher nicht verkneifen. Sie nahm die Kritik letztlich sportlich.

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Worum ging es noch bei Maischberger?

Die Rede von Ex-Eisschnellläuferin Claudia Pechstein beim CDU-Zukunftskonvent in Polizei-Uniform. Für Schulz war die Uniform nebensächlich. Sie empörte sich darüber, dass Pechstein vermeintlich fremdländisch aussehende Menschen mit abgelehnten Asylbewerbern gleichsetzte, vor denen einige Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln Angst hätten. "Das ist eine rassistische Aussage", so Schulz.

Gabor Steingart wollte Pechstein keinen Rassismus unterstellen. Sportler würden sich eben nicht so geschliffen ausdrücken wie Berufspolitiker. Die Uniform fand der Publizist eher belustigend. Ein bisschen wie Karneval: "Ich hätte es konsequent gefunden, wenn Friedrich Merz im Kostüm einer Eisschnellläuferin aufgetreten wäre." Der Spruch kam gut an. Sein Hauptkritikpunkt an der Pechstein-Rede: Sie habe ein seriöses Thema wie die Asylfrage, das viele Menschen beschäftigt, mit Nebensächlichkeiten wie der Kritik am Gendern vermixt.

So hat sich Sandra Maischberger geschlagen

Was ist besser im Umgang mit Peking – klare Kante wie von Baerbock oder Respekt, wie von China selbst gefordert? Mit dieser smarten Frage löste Maischberger eine ganze Reihe von Erwiderungen ihrer Gesprächspartner aus.

Gegenüber Strack-Zimmermann, die selbst gern austeilt, zog Maischberger später die Samthandschuhe aus. "Warum spielen Sie mit dem Feuer?", fragte sie die Liberale zum Grund ihres Besuches auf Taiwan. War er wirklich zwingend nötig angesichts der angespannten Lage zwischen China und dem Inselstaat, den Peking als Teil des Mutterlandes betrachtet? Wirklich überzeugen konnte die Antwort der FDP-Frau nicht.

Das ist das Fazit

Deutschland und China: Wäre es eine Beziehung im klassischen Sinne, würde die Beschreibung "Es ist kompliziert" die Gemengelage ganz gut treffen. Auf der einen Seite stehen die Systemgegensätze, auf der anderen wirtschaftliche Interessen und Verflechtungen. Auf der einen Seite hat China den russischen Angriff auf die Ukraine nicht verurteilt und liefert über Dritte womöglich kriegswichtige Güter oder gar Waffen an Moskau. Auf der anderen Seite hat China die russischen Atomdrohungen im Ukraine-Krieg missbilligt und könnte bei künftigen Friedensverhandlungen eine Schlüsselrolle spielen.

Klar ist: Deutschland hat jahrzehntelang gute Geschäfte mit China gemacht und es ist nicht absehbar, dass sich in Zukunft daran etwas ändern wird. Selbst wenn einzelne Unternehmen oder Sektoren ihre Lieferketten unabhängiger von Peking gestalten sollten.
Das übermächtige China, das uns in die Abhängigkeit treibt: Stimmt diese Erzählung überhaupt?

"Wir stellen uns so als Opfer dar", betonte Felix Lee. "Wir sind kein Opfer". Sein Fazit: Es gibt kein westliches Industrieland, das so von China profitiert hat wie Deutschland.

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