Stern-Chefredakteur Gregor Peter Schmitz befürwortet ein AfD-Verbot – und erntet dafür nicht nur Zustimmung. CDU-Ministerpräsident Daniel Günther will sich nicht auf Friedrich Merz als Kanzlerkandidaten der Union festnageln lassen. Und Militärexperte Carlo Masala gibt eine düstere Prognose für den Ukrainekrieg ab.

Das war das Thema bei "Maischberger"

Bauernproteste, Umfragehoch der AfD, chronische Unbeliebtheit der Regierung: Für die Ampelparteien hat auch das neue Jahr nicht mit einem Befreiungsschlag begonnen. Wie geht es nun weiter?

Droht ein heißes Jahr 2024? Und könnte ein Verbot der in Teilen rechtsextremen AfD ein Mittel sein? Weiteres Thema bei Sandra Maischberger war der Krieg in der Ukraine. Sollte der Westen seine Waffenlieferungen nicht aufrechterhalten oder Donald Trump im Herbst die US-Wahl gewinnen, könnte die militärische Lage für Kiew noch schwieriger werden.

Das waren die Gäste

  • Waldemar Hartmann: Der langjährige ARD-Moderator ist der Meinung, dass die Stimmung in Deutschland kippt. Bei den Bauernprotesten in seinem Wohnort Leipzig habe er auch aufgebrachte Klempner und Gastronomen gesehen. Die Wut ist nicht nur bei den Landwirten groß. "Vielleicht gibt es einen heißen Sommer oder ein heißes Frühjahr", prognostizierte Hartmann. Er ist überzeugt, dass die CDU ihren "konservativen Kern nach vorne stellen" müsse, um die AfD zu schwächen. Damit hätte die CDU in Sachsen in der Vergangenheit die absolute Mehrheit geholt. Zu einer möglichen Koalition zwischen CDU und Linkspartei, um die AfD bei den Landtagswahlen im Osten zu verhindern, wagte Hartmann eine Prognose: "Wenn die Brandmauer nach links geöffnet wird, dann bin ich mir sicher, dass sie danach auch nach rechts geöffnet wird." Ein Verbot der AfD lehnte er ab.
  • Yasmine M‘Barek: Die Journalistin von "Zeit Online" hält eine Koalition der CDU mit der Linken, nur um die AfD zu verhindern, derzeit für einen falschen Ansatz. Auch die Zeit für eine AfD-Verbotsdebatte sieht sie noch nicht gekommen. M'Barek findet es wiederum überraschend, dass sich die "Wut auf die Union", die derzeit in bundesweiten Umfragen bei mehr als 30 Prozent liegt, "nicht lange gehalten zu haben" scheint - angesichts ihrer langen Regierungszeit vor der Ampel und ihrer Mitverantwortung für viele Probleme des Landes.
  • Gregor Peter Schmitz: Der Stern-Chefredakteur ist dagegen, ein AfD-Verbot so schnell abzuräumen. "Eine Demokratie muss sich auch gegen ihre Feinde wehren können", sagte er. Die AfD habe sich in den letzten Jahren deutlich radikalisiert, der eigentlich aufgelöste Flügel sei dort mittlerweile führend. Mögliche Koalitionen zwischen CDU und Linken werden auf die Tagesordnung kommen, ist Schmitz sicher, aber Parteienbündnisse zwischen völlig unterschiedlichen Lagern könnten, wie in anderen Ländern, für mehr Stabilität sorgen, prophezeite der Journalist.
  • Daniel Günther: Der CDU-Ministerpräsident von Schleswig-Holstein ist Fan von Humanität und guter Integration ("Das C ist mir sehr sehr wichtig"), aber er forderte auch "einen konsequenteren Kurs" in der Migrationspolitik und eine deutliche Absenkung der Zuwanderungszahlen. Zugleich distanzierte er sich erneut von der angrenzenden Wortwahl, die CDU-Chef Friedrich Merz in der Vergangenheit in der Migrationsdebatte benutzt hatte: "Sozialtourismus" und "Paschas" seien "Begriffe, die in meinem Sprachgebrauch sicher nicht vorkommen", sagte Günther. Für ein AfD-Verbot hat der Norddeutsche durchaus Sympathien, aber die Verantwortlichen müssten es "sehr sehr gut vorbereiten", sonst spiele ein Scheitern nur der AfD in die Karten. Sollte die AfD insgesamt als rechtsextrem eingestuft werden, "dann muss man dieses Instrument nutzen", betonte Günther. Ein Grund: "Demokratie ist nicht das, was die AfD dauerhaft erhalten will."
  • Janine Wissler: Für die Bundesvorsitzende der Linkspartei sind militärische Erfolge der Ukraine nichts, worüber sie sich freuen kann. Eine Fortsetzung des Krieges bedeute letztendlich nur mehr Tote, mehr Witwen, mehr Waisen. Sie plädierte stattdessen für eine Waffenstillstand, am besten über viele kleine Schritte der Diplomatie. Es müsse jedoch klar sein, dass sich Russland mit seinen Zielen nicht 100 Prozent durchsetzen kann. Dann wäre es schließlich "eine Kapitulation": Wissler übte scharfe Kritik an der sogenannten feministischen Außenpolitik von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die unvereinbar sei mit den jüngst angekündigten Waffenlieferungen an Saudi-Arabien.
  • Carlo Masala: Der Militärexperte machte deutlich, dass es in der Ukraine "überhaupt kein Patt" gibt, sondern weiter eine "sehr dynamische Kriegsführung". So ist es der Ukraine unter anderem gelungen, Russland die Kontrolle über das Schwarze Meer zu entreißen. Das Blatt könnte sich aber zu Ungunsten Kiews wenden, wenn die Waffenlieferungen aus dem Westen nachlassen. Dann drohen mehr Landgewinne der Russen im Donbass. Nach der sicheren Wiederwahl Putins könnte es zudem eine neue Mobilisierungswelle geben. Auch der Ausgang der US-Wahl im Herbst könnte für Kiew schwere Folgen haben, sollte Donald Trump zum zweiten Mal zum Präsidenten gewählt werden.

Das war der Moment des Abends

Wer wird nächster Kanzlerkandidat der Union? Für viele ist Friedrich Merz aufgrund seiner Stellung als Parteichef und der guten Umfragewerte gesetzt. Oder wird es doch der mächtige NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst?

Daniel Günther musste in einer Schnellfragerunde den Satz ergänzen: Der beste Kanzlerkandidat der Union ist...? Günthers Antwort: "Der, den wir am Ende aufstellen werden". Soll heißen: Die Gremien der Union. Die Zeiten seien in der Union vorbei, wo zwei Männer (Merz und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, CSU) das alleine entscheiden.

Zuvor hatte er keinen Hehl daraus gemacht, dass es zwischen ihm und Friedrich Merz "keine Liebe auf den ersten Blick war". Obwohl er auch warme Worte für seinen Chef fand, ist Günther eher dem Wüst-Lager zuzuordnen. Eigene Ambitionen hat der erfolgreiche Landeschef bislang nicht angemeldet.

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Das war das Rededuell des Abends

Carlo Masala fand Janne Wisslers Forderungen nach Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg zwar nachvollziehbar, aber offensichtlich auch etwas naiv. "Wir müssen anerkennen, dass es Charaktere gibt, die den Krieg wollen. Man muss sich auf diese Situationen auch vorbereiten", sagte der Militärexperte. Außerdem rüste die Bundeswehr nicht auf, sondern sie rüste lediglich aus. Das sei seit Jahrzehnten vernachlässigt worden.

Wissler schüttelte mit dem Kopf. "Ich halte das für falsch und gerade Abschreckung im Zeitalter von Atomwaffen für hochgefährlich".

So hat sich Sandra Maischberger geschlagen

Es war eine Sendung ohne Kontroversen oder Aufreger, in der selbst das Zweiergespräch zwischen Carlo Masala und Janine Wissler, das noch am meisten Konfliktpotenzial versprach, fast tiefenentspannt geführt wurde.

Dementsprechend konnte sich Sandra Maischberger im Dienstagstalk recht wenig profilieren. Auch ihr Versuch, Daniel Günther aufs Glatteis zu führen, misslang. Sie wollte ihn wegen seiner Gesangsdarbietung des umstrittenen, weil sexistischen Liedes "Layla" dazu bewegen, die Zeile "junger, schöner, geiler" zu zitieren. Doch Günther machte da nicht mit. "Dann kriege ich nur wieder Ärger", sagte er schmunzelnd.

Das ist das Fazit

Gregor Peter Schmitz glaubt, dass 2024 "ein heißes Jahr wird". Und das war nicht auf den Klimawandel bezogen, eigentlich das drängendste Problem unserer Zeit, sondern vor allem auf die Situation in Deutschland und in den USA mit den anstehenden Wahlen. In der Bundesregierung, so seine Kritik, sei weiter keine klare Führung zu erkennen. In Deutschland könnte also vieles davon abhängen, ob die Ampel endlich aus dem Krisenmodus austritt und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) endlich die Führung an den Tag legt, die er bei seiner Wahl vollmundig versprochen hat.

Bei der Frage von Waffenlieferungen an die Ukraine ist es für Carlo Masala entscheidend für den Kriegsausgang, ob die Europäer die Lücke der USA schließen könnten, sollte Donald Trump im Falle seiner Wahl wie angekündigt die Waffenlieferungen an die Ukraine einstellen. Und das wird nur möglich sein, wenn Deutschland vorangeht und nicht wie ein Getriebener auftritt.

Hoffnungen auf ein schnelles Ende des Ukrainekriegs machte Masala den TV-Zuschauern nicht. Es gibt nach seiner Analyse momentan überhaupt keine Basis für Friedensverhandlungen. Unter anderem weil Russland es zur Bedingung gemacht hat, dass die gegenwärtigen territorialen Realitäten anerkannt werden. Die Ukraine soll 20 Prozent ihres Landes verloren geben. Für Masala ist daher klar: "Das Jahr 2024 wird noch ein Kriegsjahr sein."

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