Von der Flüchtlingsunterbringung über den Ukraine-Krieg bis zum Zustand der Linkspartei war das Themenspektrum am Donnerstag bei "Markus Lanz" breit gefächert. Viel Raum bekam eine, die gar nicht anwesend war: Sahra Wagenknecht.
Die Linkspartei steckt bundesweit in der Krise, im Osten ist sie längst nicht mehr die "Protestpartei" Nummer eins. Spätestens nach ihrem "Manifest für Frieden" steht auch die Frage im Raum, wie die politische Zukunft von
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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"
Anhaltend schwache Umfragewerte unter fünf Prozent im Bundesdurchschnitt und polarisierende Persönlichkeiten wie Sahra Wagenknecht haben die Linkspartei in eine tiefe Krise gestürzt. Bei "Markus Lanz" erklärte Ex-Parteichef Bernd Riexinger, warum er es für keine gute Idee halte, sollte Wagenknecht ihre eigene Partei gründen.
Weitere Themen am Donnerstagabend waren der wachsende Druck auf die deutschen Kommunen in der Flüchtlingsunterbringung sowie die Verschleppung Tausender ukrainischer Kinder nach Russland.
Das sind die Gäste
- Bernd Riexinger, Politiker und ehemaliger Parteivorsitzender der Linken, ist überzeugt: "Die Linkspartei ist zäh."
- Anne Hähnig, Journalistin und Leiterin des "ZEIT"-Büros in Leipzig, erlaubte sich einen sarkastischen Scherz: "Wenn man nicht genug Drama im eigenen Leben hat, muss man einfach nur Mitglied in der Linkspartei werden."
- Werner Henning, CDU-Politiker und Deutschlands dienstältester Landrat, stellte fest: "Mit der Bundesregierung haben wir im operativen Tagesgeschäft keine Berührung."
- Olivia Kortas, Ukraine-Expertin und Journalistin, führte aus: "Kinderverschleppung ist eine psychologische Kriegsführung."
Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Am Donnerstagabend analysierte Markus Lanz unter anderem die vielen Schwierigkeiten, vor denen deutsche Kommunen aktuell bei der Integration von Flüchtlingen stehen. Der ZDF-Moderator fragte mit kritischem Blick in Richtung CDU-Mann Werner Henning: "Im Moment schlagen viele Landräte Alarm. Wann erfahren Sie, dass Sie für die Unterbringung von 400 bis 500 Asylbewerbern verantwortlich sind?" Der Politiker aus Thüringen überraschte daraufhin mit der Aussage: "Manchmal sind das nur wenige Tage. Aber wir haben mittlerweile eine Antenne dafür, wie das Flüchtlingsgeschehen in ganz Deutschland aussieht. Wir sind bemüht, vorsorglich mehr Quartiere zu schaffen."
Henning offenbarte weiter: "Mit der Bundesregierung haben wir im operativen Tagesgeschäft keine Berührung. Mich belastet unterm Strich vor allem, dass wir immer hinterherhecheln, dass das Geld bereitsteht." Linken-Politiker Bernd Riexinger reagierte schockiert: "Ich finde, Sie werden da zu sehr alleingelassen." Journalistin Anne Hähnig fügte hinzu: "Es gibt immer mehr Landräte, die viel tun, aber sie kommen alle an einen Punkt, an dem die Wohnungen einfach fehlen. Es müsste eigentlich möglich sein, eine Lösung zu finden. Da ist aber die Bundesregierung gefordert, weil das die Landräte nicht alleine machen können."
Ukraine-Expertin Olivia Kortas stellte daraufhin klar: "Wir gehen seit zehn Jahren nicht ehrlich damit um, wie unsere Flüchtlingspolitik funktioniert. Menschen sterben seit Jahren an unseren Außengrenzen. Das stürzt uns total in eine Krise. Die Politiker wollen das Thema einfach nicht anfassen."
Das brachte Markus Lanz zur Frage, die seit Beginn des Ukraine-Krieges im Raum steht: Wurden bislang über 16.000 ukrainische Kinder auf perfide Weise nach Russland verschleppt? Olivia Kortes bejahte dies auf Nachfrage des ZDF-Moderators und erklärte: "Das waren Kinder, die in Ferienlagern waren und eigentlich Urlaub machen wollten in jetzt besetzten Gebieten. Dann wurden Kinder von Eltern verschleppt, die in den jetzt besetzten Gebieten ermordet wurden. Und es kam auch dazu, dass Kinder aus Waisenhäusern und Grundschulen mitgenommen und nach Moskau gebracht wurden. Die meisten Kinder wurden bei der Ankunft der russischen Streitkräfte mitgenommen."
Kortas erläuterte auch, welches Kalkül sie hinter dem Verbrechen erkennt: "Es geschieht aus propagandistischen Gründen, was wirklich boshaft ist. Kinderverschleppung ist aber auch eine psychologische Kriegsführung. Das ist für die ukrainischen Familien sehr, sehr traumatisch." Eine Vorstellung, die die Runde bei "Markus Lanz" fassungslos machte. Dennoch warnte Linken-Politiker Bernd Riexinger am Donnerstagabend: "Da läuft's mir eiskalt den Rücken runter. Ich glaube, wir suchen alle nach Lösungen, wie wir den Krieg beenden können. Die Frage der Waffenlieferungen ist aber hochumstritten, und wir sehen, dass es gerade einen Abnutzungskrieg gibt. Wir haben meiner Meinung nach zu wenig gemacht, um die Verhandlungsoptionen in Gang zu setzen."
Das ist das Rede-Duell des Abends
Nicht nur zu den Waffenlieferungen an die Ukraine gingen bei "Markus Lanz" am Donnerstagabend die Meinungen stark auseinander. Auch mit Blick auf die Linkspartei wurde es in der ZDF-Sendung durchaus hitzig. Zunächst stellte der ehemalige Parteivorsitzende der Linken, Bernd Riexinger, im Gespräch mit Lanz klar: "Ich hänge an dieser Partei und tue alles, damit es ihr wieder besser geht. Wir haben viel Potenzial, aber es gibt viele Konflikte, die wir bewältigen müssen."
Der ZDF-Moderator stichelte prompt: "Aber sind Sie nicht kurz davor, sich aufzulösen?" Riexinger reagierte empört: "Wir sind nicht kurz davor, uns aufzulösen! Die Linkspartei ist zäh." Eine Behauptung, die ihm Journalistin Anne Hähnig nicht wirklich abkaufen wollte. Sie merkte an: "Das Problem ist, dass der aktuelle Zeitgeist nicht besonders links ist. Die Protest-Klientel, die Sie ansprechen wollen, tickt ja gerade weltweit rechter. Da ist der Wunsch, sich auf alte Strukturen zurückzubesinnen, sehr groß. Ich weiß nicht, ob es gelingen würde, die Linkspartei wieder so zu etablieren, wie Sie es 2005 geschafft haben."
Lanz wollte deshalb wissen: "Müsste man die Linke rechter positionieren?" Riexinger verneinte dies selbstbewusst mit den Worten: "Nein, das glaube ich nicht. Unser Grundsatz ist, dass wir eine solidarische, weltoffene Partei sind. Wir wollen auf keinen Fall irgendwelche Leute ausschließen."
Lanz stichelte darauf erneut: "Auch nicht Sahra Wagenknecht?" Die Antwort kam prompt: "Auch nicht Sahra Wagenknecht! Das hat sie schon selbst gemacht." Der Moderator fragte provokant: "Sie wären froh, wenn Sie Sahra Wagenknecht loswerden würden?" Riexinger wich aus: "Da will ich jetzt nichts dazu sagen. Ich wäre einfach nur froh, wenn wir den Konflikt los wären. Sie hat keinen großen Zulauf in der Partei, und wir müssen damit aufhören, dass wir uns ständig an ihr abarbeiten."
Markus Lanz hatte aber wenig Einsehen und nötigte seinen Gast zu weiterem "Abarbeiten": "Was hat Wagenknecht vor? Vielleicht doch eine eigene Partei zu gründen?" Der Politiker warnte daraufhin mit strengem Blick: "Ich würde ihr dringend davon abraten. Sie muss sich aber entscheiden. Man kann nicht sagen, ich bleibe bei dieser Partei und bereite gleichzeitig eine andere Partei vor. Da ist die Linke schon sehr, sehr tolerant, aber das geht einfach nicht."
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Der ZDF-Moderator hatte sich ein breites Themenspektrum vorgenommen. Keine leichte Aufgabe, die er aber mit klugen Gesprächsüberleitungen meisterte.
Zudem schaffte Lanz es mehrfach, Bernd Riexinger mit provokantem Nachbohren aus der Reserve zu locken - sei es beim Thema Waffenlieferungen oder beim Thema Sahra Wagenknecht.
Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"
Während sich die Mehrheit der Gäste bei "Markus Lanz" bei Fragen wie den wachsenden Herausforderungen und Schwierigkeiten innerhalb deutscher Kommunen weitestgehend einig waren, ging es bei Debatten rund um den Ukrainekrieg sowie den Zustand der Linkspartei kontrovers zur Sache.
Vor allem Bernd Riexinger sah sich im Laufe des Abends häufiger in Erklärungsnot, als er die politischen Pläne von Sahra Wagenknecht einschätzen oder den weiteren Kriegsverlauf in der Ukraine beurteilen musste. Über den aktuellen Stand seiner eigenen Partei sagte der ehemalige Parteivorsitzende der Linken in der Gesprächsrunde: "Wir floppen nicht. Ich hoffe aber, dass meine Partei die Kurve kriegt. Dafür müssen wir nur kontinuierlich konsistente Politik für die Menschen machen, die wir vertreten." © 1&1 Mail & Media/teleschau
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