Kaum ein Politiker in Deutschland sorgte in den vergangenen Monaten für so viel Furore wie Hubert Aiwanger. Der stellvertretende bayerische Ministerpräsident war am Donnerstagabend auch bei "Markus Lanz" auf Konfrontation gebürstet.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Er zieht nicht nur gegen die Ampel vom Leder, sondern bezeichnet Deutschland auch als "formale Demokratie". Bei "Markus Lanz" verteidigte Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger seine umstrittenen Aussagen und legte sich verbal mit SZ-Chefreporter Roman Deininger an, der kurz vor der bayerischen Landtagswahl an der Veröffentlichung der Flugblatt-Affäre beteiligt gewesen war.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Kurz vor der Landtagswahl in Bayern hatte die Flugblatt-Affäre um Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger Ende August für Furore gesorgt. Nachdem die "Süddeutsche Zeitung" berichtet hatte, dass bei Aiwanger zu Schulzeiten ein antisemitisches Flugblatt gefunden worden war, wuchs der Druck auf den Politiker, der letztlich dennoch als Wahlsieger triumphieren durfte. Markus Lanz beleuchtete am Donnerstagabend nicht nur die Affäre, die Aiwanger selbst als "Schmutzkampagne" bezeichnete, sondern auch die umstrittene Rhetorik des Freie-Wähler-Chefs.

Das sind die Gäste

  • Hubert Aiwanger, Politiker: "Ich habe immer gesagt, ich bin ein Herz-Demokrat."
  • Michael Bröcker, Journalist: "Man kann doch kritisieren, ohne verächtlich machen zu müssen oder Häme anzubringen."
  • Roman Deininger, Journalist: "Aiwanger hat sich den einfachen Leuten vom Land versprochen."
  • Güner Balci, Sozialarbeiterin: "Der israelbezogene Antisemitismus sitzt auch bei uns in der deutschen Gesellschaft sehr fest."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Dass sich Hubert Aiwanger über die letzten Monate vom Stromtrassengegner zum Fan der Stromautobahnen entwickelt hat, nahm Markus Lanz am Donnerstagabend überrascht zur Kenntnis. Aiwanger sagte dazu nüchtern: "Das war eine Entwicklung einfach die letzten Jahre. Die hat auch die CSU mitgemacht. Die waren vorher strikt gegen Windräder, jetzt sind sie dafür."

Der ZDF-Moderator fragte daraufhin stichelnd: "Ist das flexibel oder ist das schon rückgratlos?" Davon ließ sich der "Freie Wähler"-Chef jedoch nicht beirren und sagte kopfschüttelnd: "Wenn sich die Energiepolitik deutlich ändert, weil wir kein Russen-Gas mehr kriegen, dann kann ich nicht sagen: Ist mir wurst, (...), sondern man muss sich dann den neuen Herausforderungen stellen".

Eine Steilvorlage für Lanz, der fragte, ob Aiwanger gerne Russen-Gas hätte. Der Politiker antwortete verhalten: "Mir wäre lieber, wir hätten natürlich keinen Krieg in Russland." Mit der Antwort schien Markus Lanz nicht zufrieden zu sein. Der ZDF-Moderator merkte deshalb kritisch an: "Herr Aiwanger, Sie wissen ja, worauf meine Frage abzielt." Der bayerische Politiker konterte wütend, dass die Frage darauf abziele, "dass man den Aiwanger vorführt und ihn (...) zum Putin-Troll erklärt".

SZ-Chefreporter Roman Deininger versuchte daraufhin, Aiwangers teils harsche und zweideutige Rhetorik zu erklären und unterstellte ihm, eine bestimmte Wählerschaft ansprechen zu wollen. Diesen Vorwurf wies der Freie-Wähler-Chef jedoch zurück: "Sie sagen, ich würde nur im Dialektraum funktionieren. Da hätten Sie mich gerne - nur dort. Sie haben Angst, dass ich mich ausweite." Deininger konterte: "Der Fehler (...) ist, dass Sie versuchen, zwischen Stadt und Land einen klaren Trennstrich zu ziehen, den es so nicht gibt."

Hubert Aiwanger sah dies offenbar anders und unterstellte der "Süddeutschen Zeitung", auf die ländliche Bevölkerung herabzuschauen: "Sie haben ja den Aiwanger seit zehn Jahren als den Schweine-Bauer aus Niederbayern bezeichnet!" Eine Anklage, gegen die sich Deininger wehrte: "Wenn Sie nicht kritisiert werden wollen, dann reden Sie nicht so wie in Erding. Wenn Sie nicht kritisiert werden wollen, dann ziehen Sie nicht mit Verschwörungstheorien, die unhaltbar sind, durchs Land." Als bayerischer Staatsvertreter habe Aiwanger eine Verantwortung dafür, welche Sprache er benutze und welche Botschaften er sende.

Hubert Aiwanger reagierte trotzig: "Ich muss gewählt werden, nicht Sie! Kandidieren Sie doch mal bei der Landtagswahl!" Der Politiker ergänzte, dass er an dem Gesamtwohl Deutschlands interessiert sei und die Berliner Ampel-Regierung so scharf kritisiere, "weil sie dieses Land an die Wand fahren -wirtschaftlich und politisch. In der Zeit der Ampel ist die AfD so stark geworden wie nie zuvor".

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Das ist das Rede-Duell des Abends

Lanz unterstellte Hubert Aiwanger daraufhin, die Bevölkerung bewusst zu spalten. Als Beispiel nannte er einen Tweet, in dem Aiwanger über "Taugenichtse" in der Regierung schrieb. Ein Begriff, den Lanz auf Schärfste verurteilte. Doch Aiwanger blieb bei seiner Meinung und sagte: "Ein Taugenichts ist (...) jemand, der in einer Regierung sitzt, keinen Schulabschluss hat, den Leuten Käse erzählt und selber noch nie gearbeitet hat und am Ende Dinge an die Wand fährt."

Lanz hakte nach: "An wen denken Sie jetzt konkret?" Darauf wollte Hubert Aiwanger jedoch keine Antwort geben, "weil ich dann angezeigt werde vielleicht". Eine Aussage, die den ZDF-Moderator überraschte: "Sie sagen Dinge, von denen Sie befürchten müssen, dass Sie dafür angezeigt werden?" Lanz ließ daher nicht locker und fragte weiter: "Reden Sie von Ricarda Lang, reden Sie von Kevin Kühnert?" Aiwanger reagierte lachend: "Sie haben ein paar interessante Namen genannt hier." Eine konkrete Aussage wollte er dennoch nicht treffen. Markus Lanz wechselte deshalb abrupt das Thema und merkte an, dass Aiwanger seit der Flugblatt-Affäre die "Leichtigkeit" fehle.

Daraufhin zog der Freie-Wähler-Chef vom Leder und sagte: "Ziel war, mich fertigzumachen." SZ-Chefreporter Roman Deininger konterte: "Das stimmt nicht!" Doch Aiwanger ließ sich nicht beruhigen und kritisierte weiter: "Natürlich haben Sie etwas zusammengeschrieben, was hinten und vorne nicht gestimmt hat und haben es aufmunitioniert zu einer Weltuntergangsstory. (...) Das haben Sie sich schön zusammengebastelt alle miteinander und haben dann eine Flasche Sekt aufgemacht: Jetzt ist Aiwanger fertig!"

Eine Unterstellung, die Roman Deininger nicht unkommentiert ließ. Er versicherte: "Es gab eine Ursprungsquelle, die hat gesagt, Aiwanger hatte dieses Flugblatt im Besitz und ist dafür bestraft worden an seiner Schule." Es habe anhand mehrerer Interviews mit Wegbegleitern Hinweise dafür gegeben, dass Aiwanger der Urheber des Flugblattes gewesen sein könnte. "Die einhellige Mehrheit dieser Befragten hat gesagt, Hubert Aiwanger ist aufgefallen mit rechtsextremem Verhalten. Das war wirklich eine breite und solide Recherche, die man guten Gewissens veröffentlichen konnte", bekräftigte Deininger.

Er ergänzte, dass es Aufgabe der Medien sei, Dinge, die ans Licht gehören, ans Licht zu bringen. Hubert Aiwanger erwiderte wütend, dass es sich um "Falschbehauptungen" handle: "Da wurde versucht, Zeugen gegen mich zu instrumentalisieren." Der Politiker wetterte weiter: "Das ist wie bei der Hexenverbrennung!" Deininger wies dies zwar mit den Worten, "Niemand wollte Sie verbrennen", zurück, doch Aiwanger konterte: "Natürlich wollten Sie mich fertigmachen!" Er ergänzte wütend: "Natürlich will die 'Süddeutsche' die Grünen an die Regierung bringen und den Bauern Aiwanger seit zehn Jahren weg haben."

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz hatte große Mühe, Hubert Aiwanger im Zaum zu halten und ihm sachliche Antworten zu entlocken. Die Debatte geriet mehrmals aus den Fugen, als sich alle beteiligten Gäste mit gegenseitigen Vorwürfen ins Wort fielen.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Roman Deininger gab bei "Markus Lanz" offen zu, dass "mehr Nüchternheit" in der Veröffentlichung der Flugblatt-Affäre hilfreich gewesen wäre. Er könne sich trotzdem nicht für etwas entschuldigen, "was ich nicht für eine große Sünde halte". Hubert Aiwanger sah ebenfalls keinen Grund, sich für seine Rhetorik zu entschuldigen. Er warnte stattdessen: "Der Kittel brennt in Deutschland. Ich glaube, dass die Zeit vorbei ist, wo wir schöne Talk-Runden halten und dann heimgehen und uns alle wieder lieb haben. Das Land geht den Bach runter, wenn wir so weitermachen. Wir müssen die Probleme jetzt endlich mal einer Lösung zuführen."  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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