Abgewatscht von der CSU, abgestürzt in den Umfragewerten – Angela Merkel bekommt für ihre Haltung in der Flüchtlingskrise viel Gegenwind. Welchen Plan verfolgt die Bundeskanzlerin? Hat sie überhaupt einen? Am Mittwochabend bei "Anne Will" zeigt sich, wie groß die Kluft zwischen CSU und Merkel geworden ist und wie die Angst vor einem Stimmungsumschwung die Politik unter Druck setzt.
Selten wurde
Nach Laschets Meinung wären die Flüchtlinge wenige Tage später aber ohnehin gekommen. Die Euphorie habe aber nicht Angela Merkel ausgelöst: "Die Begeisterung ist durch ganz normale Menschen am Münchner Hauptbahnhof entstanden."
Für den Fraktionsvorsitzenden der CSU im Bayerischen Landtag, Thomas Kreuzer, ist der Entschluss zur Aufnahme aber "Mit-Ursache" für die verstärkte Ankunft von Asylsuchenden in Bayern gewesen. "Diese Entscheidung haben wir für falsch gehalten", erklärt er. Seine Partei hatte Merkel dafür zuletzt scharf kritisiert.
"Die Flüchtlingskrise war vorauszusehen"
Marion von Haaren, Berlin-Korrespondentin der ARD, widerspricht dem CSU-Politiker vehement. "Das Merkel anzuhängen, finde ich bigott", schleudert sie ihm entgegen. Den starken Zuzug von Flüchtlingen habe es schon zuvor gegeben. Außerdem hätte die Politik schon viel früher reagieren können, da die Situation in den Lagern im Libanon bereits im Winter kritisch war. "Die Flüchtlingskrise war vorauszusehen", erklärt von Haaren.
Merkel habe "in dem Moment intuitiv richtig gehandelt". Der CSU wirft die Journalistin vor, sich nach den "Rohrkrepierern" Betreuungsgeld und Maut in der Flüchtlingsfrage profilieren zu wollen.
Der Historiker Heinrich August Winkler kritisiert die umstrittene Einladung von Viktor Orbán nach München, ein Alleingang der CSU. Ungarns Ministerpräsident schränke Menschenrechte, Pressefreiheit und die Unabhängigkeit der Justiz in seinem Land ein und habe den europäischen Werten den Krieg erklärt. Dies dürfe man nicht durch eine Einladung honorieren: "Es gibt jeden Grund, ihm massiv zu widersprechen."
"Wir brauchen Ungarn an unserer Seite", wehrt sich Kreuzer. Nur wenn die EU-Außengrenzen gesichert würden, sei das Schengen-Abkommen und die europäische Freizügigkeit weiterhin gewährleistet.
"Wir schaffen das" - oder?
Während sich Kreuzer bei
"Wir schaffen das", hatte Angela Merkel Anfang September betont. Laschet formuliert es etwas anders: "Alles, was jetzt da ist, schaffen wir." Viele Bürgermeister würden ihm zwar von Problemen berichten, aber dabei schwinge auch der Stolz der Gemeinde auf deren Bewältigung mit.
Joachim Gauck scheint allerdings nicht daran zu glauben. "Unsere Aufnahmekapazität ist begrenzt", sagte der Bundespräsident bei seiner Rede zur Flüchtlingssituation am Montag. Auch die Gäste von Anne Will sind sich weitestgehend einig, dass es irgendwo eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen geben muss. Doch wo liegt sie? Und wie soll sie durchgesetzt werden?
CSU-Politiker Kreuzer sieht das so schwarz wie sein Parteibuch. "Die Lage droht uns über den Kopf zu wachsen", warnt er. "Wir müssen die Flüchtlingszahlen begrenzen." Seine Lösung: Die syrischen Flüchtlinge sollen in den Nachbarländern Jordanien, Libanon und der Türkei bleiben. Dass diese Länder in einem viel größeren Maße belastet sind als Deutschland und dass es dort zu gewaltsamen Konflikten kommt, ignoriert er.
"Wir dürfen nicht mehr versprechen, als wir leisten können."
Kriegsflüchtlinge sollten nicht per se in Europa aufgenommen werden, findet der CSU-Politiker, sondern nur wer persönlich verfolgt werde. Daher soll die Kanzlerin ein umgekehrtes Signal setzen, damit sich gar nicht erst so viele Asylbewerber auf den Weg machen.
Man müsse die Illusion von Deutschland als Land der unbegrenzten Möglichkeiten vorbeugen, findet auch Geschichtsprofessor Winkler: "Wir dürfen nicht mehr versprechen, als wir leisten können." Die Begrenztheit bestehe nicht nur aus Raumnot, meint er: "Die Einwanderung stellt große Herausforderungen an unsere Integrationsfähigkeit."
Nur drei Prozent der weltweit geflüchteten Menschen kommen überhaupt nach Europa, weist die Journalistin von Haaren hin. Gesetze seien aber nach ihrer Ansicht kein Mittel, den Zuzug zu unterbinden. "Bitte erzeugen Sie nicht die Illusion, dass wir uns gegen eine Armuts- und Bürgerkriegsbewegung abschotten können", appelliert sie an die Politiker.
Die Angst vor dem Stimmungsumschwung
Ausgerechnet im besonders stark von ankommenden Flüchtlingen belasteten München zeigte sich bisher ein überwältigendes Engagement ehrenamtlicher Helfer. Doch die Angst vor dem Stimmungsumschwung ist groß. "Die Hilfsbereitschaft kann kippen", warnt Christoph Schwennicke, Chefredakteur des Magazins "Cicero". Zudem reiche das Geld vom Bund an die Kommunen nicht, es werde zu Verteilungskämpfen kommen, glaubt der Journalist.
Die ARD-Korrespondentin von Haaren wünscht sich dagegen mehr Unterstützung für die Helfer: "Je mehr wir nach Begrenzung schreien, desto mehr Elan geht verloren." Stattdessen müsse der von Roman Herzog einst beschworene "Ruck durch Deutschland" gehen. "Die Politik vergeigt den Moment, wenn sie sich in kleinkarierten Asylrechtsgerangel verliert", schimpft sie.
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