Themen wie Bürgergeld und Migration spalten die Gesellschaft. Bei "Markus Lanz" lieferte sich Grünen-Politiker Andreas Audretsch ein hitziges Wortgefecht mit dem ZDF-Moderator, als es um die Gerechtigkeitsfrage und toxische Debatten in der Gesellschaft ging.
Nach dem überraschenden Rücktritt ihrer Parteispitze kündigten die Grünen einen Kurswechsel an. Bei "
Das war das Thema bei "Markus Lanz"
Die Grünen stecken in einer tiefen Krise. Nach den Wahlniederlagen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg entschied sich die Parteispitze um Ricarda Lang und Omid Nouripour jüngst dazu, zurückzutreten. Doch ein neuer Erfolgskurs der Partei ist noch nicht zu erkennen.
Grund genug für Markus Lanz, am Mittwochabend eine Bestandsaufnahme der Partei zu machen, die zu Zeiten von "Fridays for Future" noch als unaufhaltsam galt.
Das waren die Gäste
- Andreas Audretsch, Grünen-Politiker: "Ich will, dass wir die soziale Frage neu stellen."
- Helene Bubrowski, Journalistin: "Die Grünen trauen sich an Themen wie die Verschärfung des Bürgergeldes nicht ran."
- Tanja Schweiger, Kommunalpolitikerin: "Uns fällt die Gesellschaft auseinander und da braucht es eine klare Linie."
- Rüdiger Maas, Generationenforscher: "Sehr viele junge Leute in Ost und West sagen mittlerweile: 'Die Grünen machen uns Angst'."
Das war der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Bei "Markus Lanz" erklärte Grünen-Politiker Andreas Audretsch zunächst selbstbewusst, dass sich in Deutschland dringend etwas ändern muss, da die Infrastruktur marode sei: "Wir haben einen riesigen Investitionsbedarf", sagte Audretsch streng. Der Grünen-Politiker forderte daher: "Ich wäre sehr dafür, dass wir die Schuldenbremse reformieren. Dass wir dann sagen: "Wir legen ein großes Investitionsprogramm auf (...) und wir machen gleichzeitig Klimaschutz."
Der Politiker ergänzte: "Wir haben noch ein Problem - und das heißt auf Bundesebene
Audretsch konterte mit einem knappen "Nicht alles". Lanz stichelte weiter: "Aber fast alles. Das ist nicht ihr Ernst! Friedrich Merz ist Oppositionsführer. Sie sind Teil der Regierung. Entschuldigung!" Statt einzulenken, wetterte Audretsch weiter: "Wir haben in der Regierung eine Person, die sagt, das geht nicht. Das ist
Der Grünen-Politiker bezeichnete Friedrich Merz, Markus Söder und Christian Lindner daraufhin als "das Sand im Getriebe" und die Personen, "die die Blockade aufstellen dafür, dass wir das angehen". Markus Lanz fragte fassungslos: "Sonst wird's uns besser gehen?" Als Audretsch mit "absolut" antwortete, platzte es aus dem ZDF-Moderator heraus: "Stopp! Nochmal ganz kurz: ein Ministerpräsident, ein Oppositionsführer und die kleinste Partei, die jetzt in Brandenburg hinter der Tierschutzpartei ist?"
Audretsch geriet daraufhin ins Schwimmen, als er sagte: "Analysieren Sie die Lage, Herr Merz... Herr Lanz!" Der Moderator konterte unbeeindruckt: "Wissen Sie eigentlich, was Sie da gerade sagen? Es ist Ihre eigene Regierung, (...), die an dieser Schuldenbremse festhält! Das ist nicht Herr Merz. Der findet das auch ganz knorke, aber er hat es nicht zu entscheiden. Sie haben das zu entscheiden!" Lanz stellte weiter klar: "Wenn das Wohl und Wehe dieses Landes von dieser einen Person abhängt, in dem Fall Christian Lindner, gehen Sie doch raus."
Ein Vorschlag, den Audretsch nicht unkommentiert ließ: "Die Situation würde nicht besser werden, wenn wir rausgehen würden." Stattdessen müsse ein "Konsens in der Gesellschaft" erreicht werden. "Die Frage, die wir uns doch stellen müssen, ist: Kommen wir als Gesellschaft an den Punkt, zu erkennen, dass es sinnvoll ist, dass, wenn das Dach kaputt ist, (...) man es saniert, bevor es durchtropft und dann der ganze Dachstuhl kaputt ist? (...) Wenn wir das hinkriegen, dann kann es in Zukunft auch besser werden."
Das war das Rede-Duell des Abends
Die Debatte wurde hitziger, als Generationenforscher Rüdiger Maas mit Blick auf Audretsch fragte: "Wie wirkt denn das für Sie, dass ein Drittel der jungen Menschen Angst vor Ihrer Partei hat?" Der Grünen-Politiker antwortete verhalten: "Ich glaube, die Antwort darauf ist sehr komplex."
Lanz gab sich damit jedoch nicht zufrieden und hakte nach, ob es an dem Menschenbild der Grünen und der Tatsache liege, dass Themen wie das Bürgergeld "bei den Leuten richtig was getriggert" hat. "Leistung lohnt sich eben nicht mehr", sagte Lanz in Bezug auf das Gefühl der arbeitenden Gesellschaft.
Maas nickte und fügte hinzu, dass auch die fehlerhafte Kommunikation der Grünen zur Krise der Partei beigetragen habe. "Es kommen lauter Worte, aber es kommt keine Erklärung", sagte der Generationenforscher streng. Audretsch stellte daraufhin klar, dass sich die Debattenkultur in Deutschland in den letzten Jahren massiv verändert hat. Eine Aussage, die Lanz wütend machte: "Ich will das nicht so stehen lassen. Es hat sich verändert die Rahmenbedingungen! Es hat sich verändert, dass Heizen richtig relevant und teuer geworden ist. Es hat sich verändert, dass Wohnen richtig teuer geworden ist. Deswegen ist dieser Vergleich, der ist nicht zulässig!"
Der Grünen-Politiker versprach daraufhin schwammig, an Maßnahmen zu arbeiten, "dass Arbeit sich lohnt". Man wolle "dieses Problem im System" verändern, um Löhne anzuheben, damit Menschen gerne auch wieder zur Arbeit gehen, "weil sie etwas mit nach Hause nehmen, wo man dann auch das Gefühl hat, dass am Ende man das Häuschen abbezahlen kann, dass man am Ende sich was leisten kann", sagte Audretsch.
Eine Aussage, die Lanz erneut irritierte: "Vom Mindestlohn zahlen Sie kein Häuschen ab, das können Sie vergessen!" Journalistin Helene Bubrowski ergänzte daraufhin, dass es nicht reiche, nur "auf die Seite der Arbeit zu schauen und die Löhne zu erhöhen". Auch eine "Verschärfung des Bürgergeldes" müsse in Betracht gezogen werden, um mehr Menschen in Arbeit zu bringen.
Ein Vorschlag, mit dem Audretsch nicht einverstanden war. Er kritisierte, dass man "ein Dreieck aus unteren Lohngruppen, Menschen im Bürgergeld und Geflüchteten" immer gegeneinander ausspiele, wenn man über soziale Fragen und über Gerechtigkeitsfragen rede. "Und das ist eine toxische Debatte für diese Gesellschaft", so Audretsch.
Ein Vorwurf, den Lanz nicht akzeptieren konnte: "Das ist nicht toxisch. Wir beschreiben Realitäten!", erklärte der Moderator. "Ehrlich gesagt, für das Toxische daran haben Sie gesorgt. Darf ich das mal so klar sagen? Nicht Sie persönlich, aber Ihre Politik. Sie haben daraus dieses toxische Gebräu gemacht." Während der Politiker mit einem beleidigten "Das teile ich nicht" reagierte, sagte Generationenforscher Maas: "Ich würde das schon teilen, weil ja auch jeder dritte Mensch Angst vor Ihnen hat, vor Ihrer Partei." Darauf konterte Audretsch genervt: "Das ist wirklich zu einfach, also ich bitte Sie!"
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Markus Lanz schaffte es mehrmals, Grünen-Politiker Andreas Audretsch in Erklärungsnot zu bringen. So fragte er ihn beispielsweise: "Wie viele Kohlekraftwerke betreiben wir augenblicklich in Deutschland?" Als Audretsch mit der schwammigen Aussage "Ich kann Ihnen keine Zahl der Kohlekraftwerke sagen. Wir bauen die Kohleverstromung ab" antwortete, konterte Lanz stichelnd: "Wir haben so viel Kohleverstromung gerade wie (...) lange nicht mehr!"
Das war das Fazit bei Markus Lanz
Generationenforscher Rüdiger Maas machte bei "Markus Lanz" deutlich, warum sich viele Jugendliche nicht mehr mit den Grünen identifizieren können. Themen wie Doppelmoral, Abgehobenheit, aber auch ein zu großer Einfluss in das Leben der Wähler seien "die Vorwürfe, die immer wieder kommen". Hinzu komme, dass viele junge Menschen sagen würden, dass die Politik der Grünen nicht die Realität widerspiegle, die man gerne hätte.
Grünen-Politiker Andreas Audretsch sah dies jedoch anders und stellte klar: Die Art und Weise, in der man Politik mache, sei nicht von Doppelmoral geprägt. Dennoch gab er kleinlaut zu, dass man sich die Frage stellen müsse, wie man es besser machen könne, denn: "Jeder macht Fehler."
Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels wurde ein Text verwendet, der aus einer vergangenen Sendung von "Markus Lanz" stammt. Wir haben den veralteten Text durch die korrekten Absätze ersetzt. Es betrifft die Abschnitte "So hat sich Markus Lanz geschlagen" und "Das war das Fazit bei Markus Lanz". © 1&1 Mail & Media/teleschau
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