Das Thema Migration spaltet die Gemüter im deutschen Wahlkampf. Bei "Markus Lanz" entbrannte am Mittwochabend eine Grundsatzdiskussion zwischen Tino Chrupalla und Gregor Gysi, als es um AfD-Pläne zur "Remigration" ging.
Das Thema der Runde
"Deutschland streitet über den richtigen Weg raus aus der Krise", erklärte
Die Gäste
- Linken-Politiker
Gregor Gysi zeigt sich schockiert über die gemeinsame Abstimmung von AfD und Union: "Der Damm ist gebrochen." - Der AfD-Co-Vorsitzende
Tino Chrupalla verspricht, mit seinem Wahlprogramm dem Mittelstand zu helfen: "Unter der Federführung der AfD würde in Deutschland ein neuer Wind wehen." - Journalistin Antje Höning sieht in der gemeinsamen Abstimmung von AfD und Union einen taktischen Fehler seitens des Unions-Kanzlerkandidaten
Friedrich Merz : "Wie kann man strategisch eigentlich derart ungeschickt sein?" - Journalist Nikolaus Blome warnt vor einer Schwarzmalerei nach den Abstimmungen im Bundestag: "Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass sich das parlamentarische System mit neuen Mehrheitsverhältnissen auseinandersetzen muss."
Der Special Guest
Zugeschaltet per Video-Screen äußerte sich ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen zu einem ganz anderen Thema: Donald Trumps Ankündigung, die USA werde "die Kontrolle über den Gazastreifen übernehmen". Bei "Markus Lanz" sagte er: "Der Plan von
Das Wortgefecht
Linken-Politiker Gregor Gysi und AfD-Politiker Tino Chrupalla gerieten beim Thema Migration heftig aneinander. Gysi unterstellte dem AfD-Co-Vorsitzenden "eine gewisse Ungenauigkeit", die "ungenaues Denken" voraussetzen würde, wenn es um die Debatte zur deutschen Asylpolitik gehe. Ein Vorwurf, den der AfD-Mann nicht unkommentiert ließ: "Das BSW hat auch in dieser Richtung, was Migration angeht, einen wesentlich größeren Weitblick als die Linke. Also von daher kann ich ja eigentlich auch nur jedem Linken-Wähler empfehlen, eher das BSW (...) zu wählen als Ihre Partei."
Gregor Gysi kritisierte daraufhin die Abschiebungspläne der AfD. Der Linken-Politiker wurde emotional, als er offenbarte: "Wenn meine Großmutter nicht im nicht-besetzten Teil Frankreichs Asyl bekommen hätte, hätte sie die Nazi-Zeit nicht überlebt." Ein Argument, das Tino Chrupalla zurückwies: "Das können Sie doch nicht vergleichen mit der heutigen Zeit, Herr Gysi. Entschuldigung! Das sind wieder Vergleiche, die unsachlich sind." Gysi blieb dennoch bei seiner Meinung: "Es gibt Menschen auf der Welt, die wirklich schlimm politisch verfolgt werden. Es gehört zu unserer Verantwortung, dass wir ihnen Asyl geben."
Im gleichen Atemzug verurteilte der Politiker die Migrationspolitik der AfD und warnte vor dem konsequenten Schließen der deutschen Grenzen: "Dann kriegen wir lauter Illegale, die arbeiten schwarz." Chrupalla konterte prompt: "Die sind doch schon hier, Herr Gysi." Der Linken-Politiker hielt dagegen: "In viel größerem Umfang. Sie würden das verursachen." Laut Gysi brauche es "eine geordnete Zuwanderung".
Zudem stellte der Linken-Politiker die Forderung auf, lieber die Fluchtgründe zu bekämpfen, statt gegen Geflüchtete vorzugehen. Ein Aspekt, der laut Gysi bislang viel zu kurz gekommen ist - auch in Bezug auf den Krieg in der Ukraine: "Es gab nicht eine Waffenstillstands-Initiative durch einen NATO-Staat."
Markus Lanz reagierte empört: "Nein, bitte! (...) Das ist doch Mist!" Der ZDF-Moderator fügte wütend hinzu: "Herr Gysi, es ist nicht anständig, irgendeiner politischen Partei in Deutschland (...) zu unterstellen, dass sie nicht an Frieden in der Ukraine interessiert sei." Gysi verteidigte sich und beteuerte: "Das habe ich nicht gesagt." Während der Linken-Politiker daraufhin weiter versuchte, gegen die AfD zu schießen, stichelte Tino Chrupalla unbeeindruckt zurück: "Machen Sie erst mal in Ihrem Laden sauber, bevor Sie mit dem Finger auf uns zeigen. (...) Das ist ja wirklich unerträglich." Eine Aussage, auf die Gysi beleidigt konterte: "Das ist unerträglich, wie Sie sich benehmen."
Die Offenbarung des Abends
Die gemeinsamen Abstimmungen von Union und AfD im Bundestag lösten bei Gregor Gysi auch Tage später noch blankes Entsetzen aus: "Es war eine schlimme Woche. Und zwar aus einem Grund, weil die CDU/CSU zusammen mit der FDP und dem Bündnis Sahra Wagenknecht versucht haben, ein Gesetz durchzubekommen, das sie ohne die AfD nicht hätten durchziehen können." Der Linken-Politiker ergänzte streng, dass es keinen "Zeitdruck" gegeben habe und der Triumph der AfD hätte verhindert werden müssen.
Während Markus Lanz konterte, dass es eventuell schlimmer gewesen wäre, nach der Messer-Attacke von Aschaffenburg "gar nichts" zu tun, verteidigte AfD-Politiker Tino Chrupalla energisch die Entscheidung seiner Partei, den Anträgen der Union zuzustimmen. "Das ist Demokratie!", sagte Chrupalla. Die Bevölkerung habe "sich endlich eine Änderung in der Migrationspolitik nach diesen Anschlägen" gewünscht. Eine Steilvorlage für Markus Lanz, der in seiner Sendung das Wahlprogramm der AfD näher beleuchten wollte.
"Was heißt Remigration?", fragte der ZDF-Moderator nach einem Reizbegriff. Tino Chrupalla antwortete trocken, dass "diejenigen, die remigriert werden müssen", Menschen seien, "die hier in unserem Land nichts zu suchen haben. Das sind diejenigen, wo ein Asylantrag abgelehnt ist und das sind natürlich auch Kriminelle. (...) Die müssen remigriert werden - und zwar sofort". Als Lanz zu dem Thema immer wieder streng nachhakte, räumte der AfD-Co-Vorsitzende ein, dass Migranten natürlich "herzlich willkommen" seien. Nämlich solche, "die einen Arbeitsplatz haben, (...) die hier der deutschen Sprache mächtig sind".
Eine Aussage, die Lanz sichtlich verwunderte: "Die AfD sagt, wir wollen Migration?" Chrupalla reagierte genervt: "Eine Fachkräfte-Migration. Dieser Form stehen wir überhaupt nicht im Wege." Ähnlich schwammig reagierte der AfD-Mann auch auf weitere Aspekte seines Wahlprogramms. Während Journalistin Antje Höning der AfD vorwarf, ein "Steuerprogramm gegen die Armen und gegen die Mitte" entwickelt zu haben, ätzte Chrupalla gegen das Programm der Linken: "Wir spalten nicht zwischen Arm und Reich. (...) Das macht vor allem die Linke." Gregor Gysi reagierte gelassen: "Das verstehen Sie gar nicht, das Wahlprogramm."
Der Erkenntnisgewinn
Bei "Markus Lanz" wurde das AfD-Wahlprogramm teils heftig kritisiert. Journalistin Antje Höning reagierte auf die Forderung, die Grenzen "lückenlos" zu schließen, mit der Warnung, dass die AfD ein "Standortrisiko" darstelle: "Wenn die Grenzen dicht sind, dann ruinieren Sie die deutsche Wirtschaft."
Während Tino Chrupalla die Argumentation als "Unsinn" abtat, kommentierte Gregor Gysi: "Es war für mich eine Zumutung, Ihr Wahlprogramm zu lesen." Die Runde verlor beim hitzigen Schlagabtausch jedoch häufiger den roten Faden, sodass Markus Lanz schließlich ein Machtwort sprechen musste: "Bitte ein bisschen sortiert!" © 1&1 Mail & Media/teleschau