Am Sonntagabend war Wirtschaftsminister und Spitzenkandidat der Grünen, Robert Habeck, bei Caren Miosga zu Gast. Habeck zeigte sich aufgeräumt, selbstkritisch und zurückhaltend, aber dennoch von sich und seiner Politik überzeugt. Damit präsentierte sich Habeck nicht nur inhaltlich, sondern vor allem persönlich als Gegenentwurf zu Söder oder Merz.
Bei der SPD herrscht bezüglich der Kanzlerkandidatur nun endlich Klarheit, bei allen anderen Parteien sowieso schon. Einer der Kandidaten für den Kanzlerposten ist
Das ist das Thema bei "Caren Miosga"
Israel, Ukraine, Sudan,
Das sind die Gäste
Robert Habeck (Die Grünen): Der Bundeswirtschaftsminister und Vize-Kanzler erklärt unter anderem, wann das Auseinanderdriften der Koalition begann. Anfangs habe man sich darauf geeinigt, auch die Frage, wie man heizt, in den Weg zur Klimaneutralität einzubeziehen. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine wurde dieses Heizungsgesetz dann aber vorgezogen, denn nun sei es nicht mehr nur um Klimaschutz, sondern um das Abwenden der Gasmangellage gegangen: "Dann wurde aus einem Klimaschutzgesetz ein Energiesicherungsgesetz."
Der tatsächliche Bruch der Koalition begann laut Habeck mit der Haushalts-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Man habe immer sehr unterschiedliche Vorstellungen in der Finanz- und Wirtschaftspolitik gehabt, was aber am Anfang nicht die dominierende Rolle gespielt habe. Es galt, gesellschaftliche Probleme zu lösen oder nach dem Überfall Russlands ein Sondervermögen für die Bundeswehr zu schaffen. "Als das Geld weg war, also als das Verfassungsgericht da war, haben wir gemerkt, dass die alte Verabredung nicht mehr passte und die neue drohte, uns zu zerreißen", so Habeck.
Über die Möglichkeit, damals einen neuen Koalitionsvertrag zu schließen, sagt Habeck: "Es hätte nichts gebracht." Zu weit habe man in der Frage auseinander gelegen, ob man mit einer "Notlage" reagieren soll: "Das ist der entscheidende Punkt gewesen, wo diese Regierung nicht mehr weiterkam. Man hat sich dann noch ein Jahr durchgeschleppt", erzählt Habeck.
Ursula Weidenfeld: Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin und sagt über Habeck: "Ehrlich gesagt hätte ich ihn wahrscheinlich lieber als Kanzler, als noch nochmal als Wirtschaftsminister." Weidenfeld kritisiert, dass Habecks Politik der Belohnungen durch Subventionen nur funktioniere, wenn man lediglich ein Problem habe. Gleichzeitig sagt Weidenfeld über den Unionskandidaten: "Ich bin mir ehrlich gesagt gar nicht sicher, ob Herr
Albrecht von Lucke: Der Politikwissenschaftler ist bei der Wirtschaftspolitik Habecks näher am Minister als Ursula Weidenfeld. Beim Thema staatlicher Investitionen prophezeit von Lucke
So hat sich Robert Habeck geschlagen
Robert Habeck zeigte sich am Sonntagabend selbstkritisch, zum Beispiel hier. "Ich hab mich intensiv befragt, ob ich überhaupt noch der Richtige bin nach diesen Jahren und der Erfahrung, ein Angebot zu machen und meine Antwort ist: ja", erklärt Habeck, worüber er in den Sommerferien dieses Jahres nachgedacht habe. Bei der Frage, welches der größte Fehler beim Heizungsgesetz war, antwortet Habeck: "Einer der Fehler war, dass wir die von meiner Seite geplante soziale Förderung, nicht dann gleich mit veröffentlicht haben. Die war aber geplant."
Auf Miosgas Nachfrage ob diese soziale Förderung wirklich geplant gewesen ist, zeigt sich Habeck aber auch kritisch der politischen Konkurrenz gegenüber: "Die war durchgerechnet und geplant, aber beide Koalitionspartner, SPD und FDP, wollten sie nicht." Und als ihm in einem Einspieler vom Wirtschaftsjournalisten Christian Schlesiger zu viele Subventionen vorgeworfen werden, verteidigt sich Habeck so: "Verwunderlicherweise hat er vergessen, dass die Förderprogramme, die Subventionsprogramme für Intel und die Halbleiterfabriken, für die Wasserstofftransformation, für die Stahlindustrie, ups, von der Großen Koalition kommen. Das hat ja die Union gemacht."
Gleichzeitig zeigt sich Habeck aber auch zurückhaltend, denn er lässt viele Situationen ungenutzt, in denen er den politischen Gegner noch deutlicher hätte angehen können. Zum Beispiel Olaf Scholz. Der macht derzeit mit seiner "Besonnenheit" Wahlkampf, keine Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern zu wollen. Habeck ist bekanntlich für eine Lieferung und gesteht dem Kanzler auch dessen Besinnungszeit zu, nur habe diese "permanent zu Entscheidungen geführt, die wir später revidiert haben. Und Entscheidungen, die man revidiert, hätte man natürlich auch vorher schon treffen können." Habeck hätte Scholz auch wesentlich deutlicher fehlenden Weitblick oder Verzögerungstaktik vorwerfen können.
Gleichzeitig nimmt Habeck Scholz insofern in Schutz, als dass er die Schwierigkeit der Entscheidung feststellt. Man brauche Besonnenheit und einen kühlen Kopf, denn: "Wir sind alle per Amtseid dem Wohle des deutschen Volkes verpflichtet. Alle Entscheidungen müssen sich von der Sicherheit und dem Frieden für Deutschland ableiten." Dennoch, oder genau deshalb, würde er der Ukraine aber die Marschflugkörper liefern.
So hat sich Caren Miosga geschlagen
"Herr Habeck, wie darf ich Sie nennen? Spitzenkandidat, Kandidat für die Menschen in Deutschland oder Kanzlerkandidat von Büdnis90/Die Grünen?", stellt
Denn gerade zu Beginn verbeißt sich die Moderatorin in Nebensächlichkeiten. So stellt Miosga immer wieder die Frage, warum Habeck bei der Kommunikation seiner Kanzlerkandidatur so bescheiden auftrete. "Ich weiß gar nicht, ob Bescheidenheit so ein Vorwurf ist", fragt Habeck irgendwann irritiert. Miosga hakt weiter nach, was auch ihre Aufgabe ist, doch man fragt sich, warum sie das Drumherum dem Inhalt so vorziehen.
Doch Miosga verliert sich weiter, etwa, wer damals das Heizungsgesetz an die Presse durchgestochen habe, nach welchem Ereignis genau sich Habeck gefragt habe, ob er noch der Richtige sei oder als sie von Habeck bei schnellen "Küchentischfragen" wissen will, welches Schuhwerk er beim Kochen trägt. Nun hat natürlich die Moderatorin eines solchen Interviews immer das beste Gespür, wie man mit seinen Gästen umgeht, wann welche Frage passt, wie die Stimmung des Gegenüber ist. Gleichzeitig erscheinen solche Fragen doch ein wenig unpassend, wenn man, wie im Titel versprochen hat, klären will, wie grün die Zukunft unter Robert Habeck wird.
Den größten Fauxpas leistet sich Miosga aber ausgerechnet dann, als sie nach wirklich Relevantem fragt. Sie will von Habeck wissen, wie weit man denn mit Klimaschutz bei den Leuten gehen dürfe. Habeck antwortet, man müsse auf die Menschen zugehen, die Dinge einfach gestalten und einen Nutzen in der Gegenwart zeigen, also, dass man damit zum Beispiel Geld spare. Das habe er nicht gut genug kommuniziert, gibt sich Habeck selbstkritisch, kritisiert aber auch, dass die Union die Förderung der Wärmewende einstellen wolle: "Wenn die Union den Plänen der Union folgt, werden die Menschen in Deutschland an der Stelle ärmer werden", so Habeck.
"Das ist der Punkt, an dem ich darauf hinweise, dass wir im Wahlkampf sind und dass Sie das sagen müssen", reagiert Miosga, begibt sich dabei aber auf dünnes Eis. Zwar ist es ihre Aufgabe als Interviewerin, kritisch mit den Antworten ihrer Gäste umzugehen, aber Habeck machte bis hierhin nicht den Eindruck, platte Wahlkampfbotschaften unterbringen zu wollen. Seine Antwort daher gleich als Wahlkampfgetöse abzutun, ist übertrieben. Würde Miosga dieser Logik folgen, bräuchte Sie so ein Gespräch mit egal wem in den kommenden Wochen überhaupt nicht führen, schließlich ist jetzt erst einmal drei Monate Wahlkampf.
Das ist das Ergebnis des Abends
Bislang wurden die Grünen von CDU, CSU, BSW, AfD und Wolfgang Kubicki in einer Mischung aus Irrationalität und politischem Kalkül für alles Schlechte in Deutschland verantwortlich gemacht. So sehr, dass man sich wundern musste, warum die Partei in ihrer Antwort darauf seit Jahren derart defensiv reagiert. Da kann so ein Auftritt von Robert Habeck natürlich eine gute Gelegenheit für eine wehrhaftere Antwort als bisher sein.
Doch markige Sprüche, wie man sie etwa von Friedrich Merz,
Nein, Habeck, das lässt sich nach 60 Minuten sagen, war nicht zum Krawall machen gekommen. Stattdessen zeigt er sich selbstkritisch, etwa, als er erklärt, das verloren gegangene Vertrauen wiedererlangen zu wollen, und zukunftsgerichtet: "Jetzt ist die Frage, was machen wir als Nächstes, was ist dein Plan für Deutschland?", freut sich Habeck über die neue Atmosphäre nach dem Ende der Ampel.
Aussagen wie diese geben einen guten Einblick in die Idee, wie Robert Habeck Politik machen will und er ergänzt diesen Einblick mit einer Anekdote. Angela Merkel habe in einem Interview, auf die Frage, wie sie sich das Ampel-Aus erkläre, mit "Männer" geantwortet. "Ins Schwarze getroffen?", will Miosga wissen. "Ins Graue würde ich sagen", antwortet Habeck und berichtet, wie viel konstruktiver es war, als er einmal mit einer reinen Frauen-Delegation zusammenarbeiten musste. "Merkel hat vieles liegen lassen, viele Konflikte hat sie nicht ausgefochten. Aber sie wusste immer, was sich gehört", so Habecks Urteil über Angela Merkel.
Habecks Problem: Das Zurückhaltende, Reflektierte, Selbstkritische, Erklärende und Konstruktive, ist nicht gefragt in einer Welt, in der das Lärmen, das Sich-auf-die-Brust-trommeln und Marktschreierische regiert. In der nicht der gewinnt, der besser, sondern der lauter ist. Habecks Glück: Es gibt auch Menschen, die auf das Ruhige, Reflektierte, ja das Anständige Wert legen. Ob das allerdings genug für eine Kanzlerschaft sein werden, ist eine andere Frage.
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