Seit der Islamisten-Demo in Hamburg wird in Deutschland wieder heftig über das Thema Integration debattiert. Bei "Markus Lanz" warnte Politologe Hamed Abdel-Samad am Donnerstag vor einem gescheiterten Multikulturalismus und lieferte sich ein hitziges Wortgefecht mit SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner.

Eine Kritik
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Laut Verfassungsschutz steht die Gruppe "Muslim Interaktiv" im Verdacht, junge Menschen zu radikalisieren. Bei "Markus Lanz" warnte Politologe Hamed Abdel-Samad vor einer zu laschen deutschen Justiz und schoss dabei gegen einen vermeintlich gescheiterten Multikulturalismus. SPD-Politiker Ralf Stegner reagierte mit Unverständnis.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Vor fast einer Woche gingen knapp über 1.000 Islamisten in Hamburg auf die Straße und schockten mit Plakaten mit Slogans wie "Kalifat ist die Lösung". Die Hamburger CDU forderte kurz darauf vom Senat, sich für ein Verbot der islamistischen Gruppe "Muslim Interaktiv" einzusetzen. Der Verein gilt als radikal und wird deshalb vom Verfassungsschutz beobachtet. Markus Lanz debattierte am Donnerstag die Verbotsrufe mit seinen Gästen. Gleichzeitig warf er einen Blick nach Russland, wo Gegner von Wladimir Putin in höchster Gefahr leben.

Das sind die Gäste

  • Ralf Stegner, SPD-Außenpolitiker: "Wir müssen die Demokratie wehrhafter machen."
  • Hamed Abdel-Samad, Politologe: "Toleranz gegenüber Intoleranz ist Selbstaufgabe."
  • Leonid Wolkow, Bürgerrechtler: "Das ist nicht Russlands Krieg, das ist Putins Krieg."
  • Sabine Adler, Osteuropa-Expertin: "Putin hat die höchsten Zustimmungswerte in Kriegszeiten."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Als russischer Oppositioneller und einer der engsten Vertrauten von Alexej Nawalny musste Leonid Wolkow insgesamt vier Monate im Gefängnis verbringen. Seit 2019 lebt er in Vilnius im Exil. Dort wurde er am 12. März von zwei Männern angegriffen. Bei "Markus Lanz" erinnerte sich Wolkow daran, wie er kurz vor Mitternacht mit einem Hammer attackiert wurde. Der Auftrag für den plötzlichen Überfall sei laut des Bürgerrechtlers aus Moskau gekommen. "Putin hat das schon vielmals gemacht in verschiedenen Fällen", so Leonid Wolkow nüchtern.

Lanz wollte daraufhin wissen, ob er mittlerweile mehr über die Umstände von Nawalnys Tod wisse. Wolkow wiegelte jedoch prompt ab: "Ich kann nicht viel darüber sagen." Vielmehr nahm der Bürgerrechtler seinen Auftritt zum Anlass, um vor der Brutalität und Unberechenbarkeit Putins zu warnen. "Putin betrachtet die Tatsache, dass die westlichen Länder Rechtsstaaten sind, als die Schwäche, als die Möglichkeit", so Wolkow. Er ergänzte mit ernster Miene: "Putin hat jegliche Meinungsfreiheiten in Russland schon seit Langem verboten."

Eine Steilvorlage für Lanz, der auf die augenscheinliche Passivität der russischen Bevölkerung aufmerksam machte, die das System Putins erst ermögliche. Dazu erklärte Osteuropa-Expertin Sabine Adler: "Natürlich wissen die Russen im Land auch, was vor sich geht. (...) Was sie nicht wissen, ist, was die russische Armee in der Ukraine anrichtet. Denn das wird nicht berichtet." Sie ergänzte: "Das interessiert viele Russen auch gar nicht, was da tatsächlich ihr Land in dem Nachbarland anrichtet." Vielmehr sei es offensichtlich, dass ein Großteil der Bevölkerung hinter Putin stehe. Adler stellte in dem Zusammenhang klar: "Putin hat die höchsten Zustimmungswerte in Kriegszeiten."

Das ist das Rede-Duell des Abends

In Bezug auf die Islamisten-Demo in Hamburg wollte Markus Lanz von Ralf Stegner wissen, was er von der Forderung der CDU halte, die Gruppe "Muslim Interaktiv" zu verbieten. Der SPD-Außenpolitiker antwortete genervt: "Das Maulheldentum, sich hinzustellen und zu sagen, man muss Demonstrationen verbieten, man muss Organisationen verbieten, das kann man machen." Laut Stegner müsse jedoch zunächst "genug Material" gesammelt werden, bevor ein Verbotsantrag gestellt werden könne. "Ich halte von dieser Aufforderungs-Politik wenig", so der SPD-Mann wütend.

Stegner stellte weiter klar, dass er sich gegen eine Politik wende, "die im Wesentlichen aus öffentlichen Ankündigungen oder Aufforderungen" bestehe, "denn ich habe schon zu oft gesehen, dass solche Anträge vor Gericht scheitern". Sein Gegenvorschlag? "Ich möchte lieber, dass wir ein bisschen länger prüfen, dann sicher sind und das Verbot auch klappt." Eine Aussage, die Lanz stutzig machte: "Bisschen länger?!" Stegner reagierte nüchtern: "Wir sind in einem Rechtsstaat. Das ist bei uns schwieriger." Dieses Argument wollte Hamed Abdel-Samad nicht akzeptieren. Der Politologe kritisierte die Annahme Stegners, "wegen der Demokratie sind uns die Hände gebunden und wir können deshalb nicht Extremisten stoppen".

Laut Abdel-Samad gebe es "ein ernsthaftes Problem", denn "Gesetze und die Verfassung sind dafür da, Sicherheit für die Bevölkerung zu garantieren, die Freiheit der Bevölkerung zu garantieren - und nicht die Freiheit der Extremisten". Sabine Adler stimmte zu und ergänzte: "Ich möchte in dieser Gesellschaft schon nach einem solchen Vorkommnis von der Politik hören: 'Wir haben verstanden'. Und das habe ich noch nicht gehört." Hamed Abdel-Samad ging daraufhin noch einen Schritt weiter: "Ich sehe keinen von diesen Jungs vor Gericht jetzt." Der Politologe sehe dahinter vor allem ein "Problem dieses Multikulturalismus", der in Deutschland "massiv gescheitert" sei und "das Land nicht friedlicher gemacht" habe.

Stegner konterte geschockt: "Das ist Ihr Recht, dass Sie diese Meinung äußern können. Die höre ich ja von Konservativen häufiger." Auf Abdel-Samads Einwand, er sei nicht konservativ, erwiderte der SPD-Mann: "Es ist Ihre Auffassung, zu behaupten, es gäbe sozusagen eine multikulturelle Staatsvorgabe durch die SPD und die Grünen." Dass "bestimmte Formen von Gewalt nicht verfolgt werden" sei jedoch laut Stegner "richtiger Unfug". Daraufhin stellte Abdel-Samad mit ernstem Blick klar: "Diese Jungs, diese Halbstarken, laufen frei auf der Straße, verlangen eine Diktatur in Deutschland und ich lebe seit zehn Jahren unter Polizeischutz und ich muss mich verstecken und ich brauche sieben Polizisten - jedes Mal, wenn ich Brot kaufen gehe. Das hat auch mit dieser Multikulturalismus-Doktrin zu tun!"

Islamisten

1100 Islamisten demonstrieren in Hamburg - Faeser: "schwer erträglich"

Mehr als 1000 Islamisten demonstrieren in Hamburg. Sie rufen "Allahu Akbar" und fordern die Errichtung eines Kalifats. Bundesinnenministerin Faeser hält die Demonstration für "schwer erträglich".

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Besonders zwischen Ralf Stegner und Hamed Abdel-Samad entwickelte sich in Bezug auf die Islamisten-Demo in Hamburg eine hitzige Debatte. Markus Lanz schaffte es, mit spitzen Fragen immer wieder dazwischenzugehen und erklärte abschließend versöhnlich: "Möglicherweise sind Sie ja viel näher zusammen, als es im Moment klingt. Möglicherweise haben wir ein Thema bei der Umsetzung, bei der Durchsetzungsstärke."

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Bei "Markus Lanz" machte Ralf Stegner deutlich, dass unsere Gesellschaft "eine der Meinungsfreiheit" sei. Dennoch müsse man "gegen die Demokratiefeinde stärker auftreten" und "die abschieben, die Gewalttäter sind". Hamed Abdel-Samad sah dahinter jedoch nicht mehr als leere Worte, denn: "Die Islamisten testen die Grenzen und sie merken, es gibt keine Konsequenzen." Dies veranlasste Lanz zu der Frage, was sich hinter dem Kalifats-Wunsch verberge. Hamed Abdel-Samad erklärte mit ernster Miene: "Sie wollen einen Staat, wo die Scharia herrscht. Kalifat bedeutet Geschlechtertrennung. Kalifat bedeutet: Nicht der Mensch, sondern Gott ist der Gesetzgeber. (...) Kalifat bedeutet auch Macht." Er halte daher "alle Islamisten, die sich ein Kalifat wünschen, für rechtsradikal" und äußerte in Richtung Politik die scharfe Kritik: "Toleranz gegenüber Intoleranz ist Selbstaufgabe."   © 1&1 Mail & Media/teleschau

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