Der Diesel-Skandal bewegt auch 2019 die Gemüter. Frank Plasberg versuchte sich bei "Hart aber fair" an einer Bestandsaufnahme. Dabei geriet der Cheflobbyist vom Verband der Automobilindustrie arg in Erklärungsnöte, während ein CDU-Staatssekretär die eigene Regierung überraschend hart anging.

Eine Kritik

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Der Deutschen liebstes Kind durchlebt eine schwere Zeit. Ob manipulierte Pkw, nervende Fahrverbote oder die Forderung nach einem Tempolimit: Autofahrer müssen sich aktuell mit vielen unangenehmen Dingen beschäftigen.

Was war das Thema bei "Hart aber fair"?

Besonders für Dieselfahrer bricht 2019 eine schwere Zeit an. Bald können sie mit dem Euro-5-Diesel bestimmte Hauptverkehrsstraßen in vielen Städten nicht mehr durchqueren. Und sie bekommen beim Kauf eines neuen schadstoffärmeren Wagens bzw. der Nachrüstung ihres alten Pkw keine angemessene Unterstützung der Automobilindustrie.

Frank Plasberg diskutierte in seiner zweiten Sendung des Jahres unter dem Titel "Grenzwerte geschätzt, Motoren manipuliert: Ein Land im Diesel-Wahn?" mit seinen Gästen. Dabei geriet vor allem der Vorsitzende des Verbandes der Automobilindustrie unter Druck.

Wer waren die Gäste?

Prof. Dr. Dieter Köhler: Der Lungenfacharzt kritisierte, dass die Debatte über die Stickoxid-Grenzwerte "unwissenschaftlich" geführt werde. "Ich hätte keine Bedenken, an der schmutzigsten Straße Stuttgarts zu wohnen, auch nicht bei geöffnetem Fenster. Nur der Lärm würde mich stören", erklärte der Mediziner. Der Grenzwert von 40 Mikrogramm sei nicht gefährlich. Ein Raucher nimmt laut Köhler über 200.000 Mikrogramm pro Kubikmeter auf, wenn er eine Zigarette konsumiert. "Und er fällt ja nicht tot um." Ein Einspieler zeigte, dass beim Kochen von Spaghetti auf zwei Gasflammen nach 15 Minuten 1.500 Mikrogramm erreicht werden.

Oliver Wittke (CDU): Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie überraschte mit seiner Kritik an der Regierung. Einen Brief des Kraftfahrtbundesamtes, der Geschädigten empfiehlt, ein neues Auto zu kaufen und rechts oben den Hinweis enthält, sich bei weitergehenden Fragen "ausschließlich" an die Hotlines von BMW, Daimler und VW zu wenden (unter Nennung von Telefonnummern und Mail-Adressen), kommentierte er so: "Ich halte das für skandalös. Einen solchen Brief kann man einfach nicht versenden. Wenn ich Bundesverkehrsminister wäre, wüsste ich, wie ich darauf reagieren würde." Wittke versuchte aber auch, Ruhe in die Debatte zu bekommen. In den letzten 20 Jahren seien die Stickoxid-Werte halbiert worden.

Cem Özdemir (B'90/Grüne): Der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses übte scharfe Kritik an der Automobil-Industrie und stellte einige deutliche Forderungen auf. "Wir Deutsche, die wir vor 120 Jahren das Auto erfunden haben, müssen auch dafür sorgen, das neue Auto zu erfinden. Und das muss emissionsfrei fahren." Doch dafür seien ein anderer Verkehrsminister und eine mutigere Autoindustrie nötig. Özdemir zeigt sich angriffslustig, diskutierte aber manchmal am Thema vorbei.

Bernhard Mattes: Der Vorsitzende des Verbandes der Automobilindustrie hatte einen schweren Stand, auch weil Plasberg ihn immer wieder mit unangenehmen Aussagen oder Einspielern konfrontierte. Diesel-Fahrverbote will Mattes am liebsten durch eine "Verhältnismäßigkeitsprüfung" umgehen. Soll heißen: Die Verbote sollen aufgehoben werden können, wenn der Grenzwert nur knapp überschritten wird. Mattes' Strategie, von den Verfehlungen der eigenen Industrie abzulenken und stattdessen ihre Investitionen in Elektromobilität zu betonen, war durchschaubar. Aussagen, wonach die Autobauer alles tun würden, um die Luft sauber zu bekommen, waren wenig glaubwürdig.

Barbara Metz: Die Vizechefin der Deutschen Umwelthilfe zoffte sich vor allem mit Mediziner Köhler und Lobbyist Mattes. Dem einen knallte sie seine Aussagen zur angeblichen Unwissenschaftlichkeit der Stickoxid-Studien um die Ohren, vom anderen forderte sie mehr Einsatz für E-Mobilität.

Heinz-Harald Frentzen: Der frühere Formel-1-Pilot sang ein Loblied auf die Elektromobilität. "Viele Vorurteile sind mittlerweile überholt", sagte Frentzen, der seine drei E-Autos fast komplett aus dem Strom seiner auf dem Hausdach installierten Fotovoltaik-Anlage bezieht. Er fährt mit seinem Wagen ohne Probleme aus NRW in den Südfrankreich-Urlaub, "bei 100 Km/h". Auch Frentzen wünschte sich von Lobbyist Mattes eine Stärkung der E-Mobilität.

Was war das Rededuell des Abends?

Nachdem Mediziner Köhler seine Ausführungen zu den aus seiner Sicht recht harmlosen Stickoxiden beendet hatte, setzte Umwelthilfe-Vize Metz zum Konter an. "Dieser Grenzwert wurde seither mehrfach überprüft, in einer großen Anzahl von Studien", erklärte sie. "Ich kenne jede Menge Pneumologen, die auch im Verband aktiv sind und eine gegenteilige Meinung zu Herrn Köhler vertreten." Doch Köhler ließ sich nicht beirren. In den neueren Studien hätten die Verantwortlichen "nie neue Daten erhoben, sondern immer wieder auf Werte aus alten Studien zurückgegriffen", behauptete er. Leider gab die Sendung keine finale Antwort, wer recht hatte. Eine Aufgabe für Plasbergs Fakten-Checker.

Was war der Moment des Abends?

Ein Einspieler zeigte, dass die Hardware-Nachrüstung für alte Euro-5-Diesel von BMW – die der Konzern für technisch unmöglich erklärte –, tatsächlich kein Problem ist. Aber nur in den USA, mit in Deutschland gefertigten Originalteilen von BMW. Ein ARD-Team montierte das importierte US-Set. Die Folge? Der Stickoxid-Ausstoß des Pkw lag danach sogar unter dem Grenzwert für Euro-5-Diesel. Autolobbyist Mattes war damit einigermaßen blamiert – und berief sich auf unterschiedliche Zulassungskriterien in den jeweiligen Ländern. Plasberg kommentierte die Haltung der Automobil-Industrie mit Sarkasmus: "Wir tun nicht das, was wir können, sondern das, wozu wir im jeweiligen Land gezwungen werden."

Wie hat sich Frank Plasberg geschlagen?

Ein ganz starker Auftritt des Gastgebers, der nicht nur den Autolobbyisten in die Schranken wies, sondern auch Grünen-Politiker Özdemir in die Parade fuhr, wenn der am Ziel vorbeischoss. Zum Beispiel als Özdemir Oliver Wittke noch einen mitgeben wollte, obwohl der Staatssekretär gerade seine eigene Regierung kritisiert hatte. "Ich finde es erst mal bemerkenswert, Herr Özdemir, dass jemand in der Regierung nicht blind so einen Schwachsinn verteidigt", mahnte Plasberg, "sondern einen solchen Hauptsatz spricht." Da solle nicht mehr drauf gehauen, sondern auch mal anerkannt werden.

Was ist das Ergebnis?

Viel Neues kam trotz einer lebhaften Debatte nach 75 Minuten Talk nicht heraus. Die Automobil-Industrie tut nicht mehr als nötig. Die Politik geht (trotz der offenen Kritik des Staatssekretärs) letztlich nicht konsequent gegen die Verfehlungen der Konzerne vor, weil sie zu wichtig für die deutsche Wirtschaft sind. Und die Verbraucher sind angesichts von Fahrverboten und möglichen Kosten für neue Fahrzeuge die Gelackmeierten.

Der Brief des Kraftfahrtbundesamtes sagt letztlich viel über den Stand des Diesel-Skandals aus: Eine staatliche Behörde macht Werbung für jene Automobil-Industrie, die die Verbraucher an der Nase herum geführt hat. Es ist ein Verdienst der manchmal kritisierten Talk-Formate, dass sie am Skandal dran bleiben – und den Verantwortlichen weiter den Spiegel vorhalten.

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