Flüchtlinge und Kriminalität: Was sagen die Zahlen? Welche Hintergründe gibt es? Welche Konsequenzen soll man daraus ziehen? All darüber wollte Frank Plasberg bei der jüngsten Ausgabe von "Hart aber fair" diskutieren. Wie Integration gelingen kann, zeigte die Sendung dabei selbst: Indem man - bis auf einen - in aller Sachlichkeit auch über Probleme diskutieren kann.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Die gestrige Ausgabe von "Hart aber fair" war eine gelungene. Dass man das besonders hervorheben muss, liegt nicht zuletzt am Thema. Über "Flüchtlinge und Kriminalität" wird sicher emotionaler diskutiert als über den Länderfinanzausgleich.
Dass eine solche Diskussion aber nicht nur leidenschaftlich, sondern vor allem auch sachlich geht, zeigte am Montagabend "Hart aber fair". Grund für die neue Sachlichkeit waren zum einen die geladenen Gäste und zum anderen ein besonders besonnener Moderator
Das war das Thema des Abends
"Flüchtlinge und Kriminalität – Die Diskussion" nannte die "Hart aber fair"-Redaktion ihre jüngste Ausgabe. Das ist natürlich erst einmal ein sehr weites Feld. Dass daraus überhaupt die versprochene Diskussion werden konnte, lag daran, dass Plasberg das Oberthema auf einzelne Aspekte herunterbrach.
Ausgangspunkt war dabei über weite Strecken die Reportage "Das Mädchen und der Flüchtling", die im Vorfeld der Sendung im Ersten lief. Die Filmemacher untersuchten die Fälle von Darmstadt und Kandel, bei denen junge Flüchtlinge junge Frauen mit Messern attackierten, und fragten, wie es dazu kommen konnte.
Vor diesem Hintergrund wurde am Montagabend bei Plasberg darüber gesprochen, welche Zahlenerhebungen es überhaupt zu diesem Thema gibt, wie diese zu interpretieren sind und welches die Gründe für diese Zahlen sind.
Darüber hinaus ging es darum, welche Folgen diese Erkenntnisse für die Integration Geflohener und für die Politik insgesamt hat oder haben sollte.
Diese Gäste diskutierten mit Frank Plasberg
- Markus Blume (CSU), Generalsekretär
- Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes
Annalena Baerbock (Die Grünen), Parteivorsitzende- Ruud Koopmans, Professor für Soziologie und Migrationsforschung an der Humboldt-Universität Berlin
- Isabel Schayani, Moderatorin des "Weltspiegel", Leiterin der Redaktion WDRforyou
Das waren die Haupterkenntnisse des Abends
Die erste kluge Entscheidung der "Hart aber fair"-Redaktion war es, bei diesem Thema nicht der Parteipolitik das Feld zu überlassen, sondern mit Holger Münch und Ruud Koopmans zwei Vertreter mit wissenschaftlichem und statistischem Hintergrund eingeladen zu haben.
Die zweite kluge Entscheidung war dann, BKA-Präsident Münch mit Vorstellung und Interpretation der Statistik relativ früh zu Wort kommen zu lassen.
Münchs Aussage: Generell gab es 2017 einen Rückgang der Anzahl tatverdächtiger Zuwanderer um vier Prozent und das, obwohl diese Gruppe in der Statistik ausgeweitet wurde.
Aber: Bei gravierenden Straftaten wie Mord, Totschlag oder Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist dieser Tatverdächtigenkreis laut Münch überrepräsentiert: "Insgesamt müssen wir feststellen, dass die Kriminalitätsbelastung deutlich größer ist als bei der Durchschnittsbevölkerung in Deutschland."
Münchs Erklärung: "Der Hauptfaktor, warum das so ist, liegt in der Zusammensetzung der Zuwanderer. Männer begehen in etwa dreimal so viele Straftaten wie Frauen, junge Männer noch deutlich mehr. Und die haben Sie natürlich viel ausgeprägter. Sie haben dreimal so viele junge Männer unter dreißig wie im Durchschnitt der Wohnbevölkerung in Deutschland und damit auch deutlich mehr Straftaten."
Hinzu kämen die Lebenssituationen der Betroffenen, ebenso wie die Bleibeperspektiven.
Trotzdem wies Münch darauf hin, dass man hier auch nach Herkunftsländern differenzieren müsse. Den Wunsch nach Differenzierung, aber in einer generelleren Hinsicht äußerte auch Annalena Baerbock: "Nationalität, Kultur, Religion machen niemanden pauschal zu einem Straftäter. Wir müssen auf Differenzierung achten und auf Integration. Das ist das alles Entscheidende."
Ruud Koopmans bringt noch eine andere Gefahr an, wenn undifferenziert pauschalisiert wird: "Die ganz große Mehrheit ist natürlich nicht gewalttätig. Wenn man die auch dafür bestraft, was die Straftäter tun, dann macht man das Problem nur noch schlimmer. Wenn man die Leute ausschließt, gelingt niemals eine Integration."
Die irritierendsten Aussagen des Abends
Trotz der insgesamt sachlichen Atmosphäre der Runde, versuchte es CSU-Generalsekretär Markus Blume immer wieder mit Bauchgefühl: "Es klang jetzt gerade so an, als wenn man jemanden belohnen sollte, dass er nicht straffällig wird. Dafür kriegt er dann eine Bleibeperspektive", stellte Blume fest, ohne dass das jemand in der Runde behauptet hätte.
Es sollte nicht das letzte Mal an diesem Abend gewesen sein, dass Blume mit gefühlten Wahrheiten wie "subjektivem Sicherheitsempfinden" oder "die Menschen haben das Gefühl" argumentierte.
Wenig später schlug Blume dann wieder die andere Richtung ein. Auf die Frage Plasbergs, wer sich hinter der vermeintlichen Abschiebe-Industrie verberge, antwortete Blume nebulös: "Das sind die, die glauben, dass ihr Gefühl mehr wiegt als das Recht."
So hat sich Frank Plasberg geschlagen
Es ging nicht besonders verheißungsvoll los: "Nicht zu leugnen ist: Junge Männer, geflohen aus Krieg und archaischen Gesellschaften, machen vielen Menschen Angst", stellt der sonst um keine Statistik verlegene Plasberg gleich zu Beginn ohne Nennung eines Belegs oder Zusammenhangs in den Raum.
Das sollte aber Plasbergs einziger Patzer an diesem Abend bleiben, denn der Moderator gab sich sichtlich Mühe, das Thema in sachlichen Bahnen zu halten. Dort nachzuhaken, wo es nötig war und die richtigen Fragen zu stellen. Dabei beließ es Plasberg nicht bei der ersten Frage nach dem Was, sondern stellte auch die wichtigeren Fragen nach dem Warum und dem Wie.
So gelang am Ende eine zwar leidenschaftliche, aber auch weitgehend sachliche Diskussion, bei der das sonst so übliche parteipolitische Gezänk über weite Strecken vor der Tür blieb.
Was ist das Fazit des Abends?
Die Liste der Erkenntnisse des Abends liest sich wie eine Ansammlung von Selbstverständlichkeiten: Benennung der Probleme als erster Schritt zur Lösung. Trotzdem auch die Geschichten des Erfolgs erzählen.
Differenzierung statt Verallgemeinerung, Hinterfragen von Zahlen und deren Interpretation, Versachlichung der Debatte auch und gerade in der Sprache. Integration erfordert Mühe von allen Beteiligten.
Sie kann gelingen, muss es aber nicht immer.
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