Vor dem EU-Flüchtlingsgipfel will Frank Plasberg abklopfen, ob die Vorstellungen der Europäer, vor allem von Österreichern und Deutschen vereinbar sind. Das Ergebnis in seiner Runde lässt einen wenig harmonischen Gipfel am Donnerstag erwarten.
Was ist das Thema?
Ende der Woche steht der EU-Gipfel zur Flüchtlingspolitik an. Die deutsche Kanzlerin
Wer sind die Gäste?
"Nur dann können wir Sicherheit garantieren." Sie verteidigt den Beschluss einer Obergrenze von 37.500 Asylsuchenden pro Jahr energisch. "Wir setzen unsere Maßnahmen nicht gegen Europa, sondern für ein Mehr an Europa", meint sie.
"Österreich ist Tempomacher und –setzer." Ihre Haltung ist für deutsche Zuseher konsequent und umstritten zugleich. "Zäune signalisieren den Leuten, zu überlegen, ob sie sich auf den Weg machen", sagt sie. Jüngst hat Österreich einen solchen Zaun an der Grenze zu Slowenien gebaut.
Es ist ein Szenario, das in Deutschland bis dato unvorstellbar ist. Und weiter: "Wir müssen sie immer wieder zurück bringen in die Türkei. Dann überlegen sie es sich nochmal. Ideal wäre ohnehin, würden Asylanträge außerhalb Europas gestellt." Kritik aus der Runde, eine solche Obergrenze sei nicht umsetzbar, will sie nicht gelten lassen.
"Wir werden intensiv in Abschiebungen investieren", erklärt die 51-Jährige. "Und wir werden Asylanträge über Jahre nicht bearbeiten, dann gibt es auch keinen Familiennachzug." Sie könne schließlich "keinem Österreicher erklären, warum in Kroatien im Vorjahr 200 Asylanträge gestellt wurden und in Österreich über 90.000". Mikl-Leitner polarisiert mit ihrer Wortwahl. Ein Beispiel: "Wenn von Flüchtlingen Gewalt ausgeht, wird unsere Polizei dagegen halten."
Peter Györkös, ungarischer Botschafter in Deutschland. Er redet moderat, vertritt aber streng die Devise seiner Regierung: Wir wollen keine Flüchtlinge. "Es ist ein deutsches Problem, weil 99 Prozent der Migranten nach Deutschland wollen", sagt er. Warum?, fragt ihn
Kaki Bali, Chefredakteurin der linken Sonntagszeitung "Avgi" in Athen. Sie war von April bis Oktober 2015 Beraterin im Büro des griechischen Premierministers Alexis Tsipras. In der Talk-Show kommt sie kaum zu Wort, spielt dann die humanitäre Karte.
"Es wäre einfach ein, zwei, drei Millionen Flüchtlinge auf einem Riesen-Kontinent zu verteilen", sagt sie und verteidigt ihre Heimat gegen Vorwürfe, an den Außengrenzen überfordert zu sein. Auf die eingangs gestellte Frage hat sie eine klare Antwort: "Frau Merkel ist nicht allein. Es gibt immer noch die Allianz der guten Menschen."
"Die Griechen haben wir allein gelassen an der Außengrenze, die Türken mit 2,5 Millionen Flüchtlingen. Jetzt beginnt europäische Politik damit, dass wir die Schlepper im Nato-Gewässer bekämpfen" sagt er und meint in Richtung der EU-Partner: "Der Rückzug ins nationale Schneckenhaus ist falsch. Da werden viele Ungarn und viele Österreicher zustimmen." Mikl-Leitner nickt nachdenklich.
Rolf-Dieter Krause, Leiter des ARD-Studios Brüssel.
Glänzt mit Insider-Wissen aus den EU-Institutionen. Er kommt mit seiner Kritik von vorn und spart niemanden aus. Die "Klug-Schnacker im Osten" seien an der Reihe, zu zeigen, was für europäische Bündnispartner sie seien. Und weiter: "In der österreichischen Regierung reden die Sozialdemokraten anders als die Christdemokraten."
Regierungschef Werner Faymann sei "Frau Merkel dankbar dafür, dass sie das Ventil geöffnet hat". Beim Reden seien ohnehin alle groß, "beim Tun bekleckern sie sich alle nicht mit Ruhm". Es ist sein etwas unkonventionelle Antwort auf die Frage, ob die Deutschen beim Flüchtlingsgipfel allein dastehen werden.
Was war das Rede-Duell des Abends?
Krause gegen Györkös. "Die Flüchtlinge sind in Ungarn richtig mies behandelt worden, menschenunwürdig", sagt der Journalist. Das bringt den Botschafter auf die Palme. "Zehntausende junge Männer sind an den Grenzen angekommen und haben alle Schwächen unseres Systems ausgenutzt", meint er.
"Bitte ein bisschen Fairness." Krause droht, dass die deutsche Regierung ihren Wählern keine Solidarität mehr mit den Ungarn verkaufen könne. "Wenn Deutschland alleine ist, wird man das bei uns registrieren." Der ARD-Mann echauffiert sich über Györkös Begriff der Zwangsverteilung. Er sagt: "Einen demokratisch gefassten Beschluss als Zwangsverteilung zu bezeichnen, ist eines Diplomaten unwürdig."
Was war der Moment des Abends?
Als sich Mikl-Leitner und Laschet hochschaukeln. Beide gehören den Christdemokraten an, wenn auch in unterschiedlichen deutschsprachigen Ländern. "Österreich hat gut damit geholfen, Flüchtlinge in Busse zu packen und nach Deutschland zu fahren", sagt Laschet vorwurfsvoll. "Wenn wir bei Salzburg die Grenze dicht machen, hat Österreich ein Problem." Mikl-Leitner wirkt sichtlich angegriffen. "Deutschland schickt tagtäglich 200 bis 300 Flüchtlinge zurück. Da kommen wir unter Druck", meint sie. "Wir werden Flüchtlinge zurückhalten. Und ja, da kann es zu Rückstaus in Slowenien und Kroatien kommen."
Wie hat sich Plasberg geschlagen?
Sehr gut. Er ist teils witzig, moderiert souverän. Als Mikl-Leitner erklärt, bei Grenzschließungen einen Rückstau auf dem Balkan in Kauf zu nehmen, fragt er dreimal nach, ob sie dafür selbst dramatische Bilder wie im Herbst 2015 hinnehmen würde. Er fragt so lange, bis die Innenministerin halbwegs aussagekräftig antwortet.
Was ist das Ergebnis?
Die Vorstellungen von Österreichern und Deutschen liegen in der Flüchtlingspolitik weit auseinander. Gemeinsam europäisch ist auf gar keinen Fall. Österreicher, Ungarn, Griechen – niemand dürfte Merkels Vorschlag folgen, diese am Ende tatsächlich allein dastehen. Der Gipfel dürfte spannend werden, polarisierend und wenig harmonisch.
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