Einen Tag nach den neuen Enthüllungen über weltweite Steuerflucht waren die Paradise Papers natürlich Thema bei "Hart aber fair" in der ARD: Wie schafft es ein Konzern wie Nike, in Deutschland kaum Steuern zu zahlen? Welche Konsequenzen haben die Enthüllungen? Und wie viele Nullen hat eigentlich eine Billion?
Es ist ein riesiger Schatz, der da in den Steuerparadiesen lagert. Doch es gibt keine Schatztruhen, sondern Briefkastenfirmen, und keine Schatzkarten, sondern riesige Datensammlungen, in denen Journalisten in mühsamer Kleinarbeit nach den Geldverstecken der Reichsten dieser Welt suchen.
Doch sie werden fündig und die Datenleaks aus den Paradise Papers tragen viele prominente Namen - von globalen Unternehmen wie Apple oder Nike bis zu Privatpersonen wie US-Handelsminister Wilbur Ross, Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton oder der Queen.
Steuerverstecke und verschachtelte Firmen sind ein abstraktes Thema. Daher versucht es Moderator
Wie funktioniert die globale Steuerflucht?
Für den Journalisten Georg Mascolo, der als Leiter des Rechercheverbands von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung die Paradise Papers analysiert hat, ist die Sache klar: Das meiste Geld von Nike fließt dank diverser Steuerschnäppchen durch mehrere Länder. Beispielsweise würden die Markenrechte in einer eigenen Firma gehalten.
Das dabei entstehende Firmengeflecht hat irrwitzige Folgen: "Nike zahlt Geld an Nike, damit Nike Schuhe verkaufen darf, wo Nike draufsteht", beschreibt es Mascolo unter dem ungläubigen Lachen der Zuschauer. Aber: "Ganz viele solcher Praktiken sind legal."
Und eigentlich sind sie auch keine Überraschung. "Diese Steuermodelle sind bekannt", sagt Johanna Hey, Leiterin des Instituts für Steuerrecht an der Universität Köln. "Ganz häufig nutzen sie amerikanische Unternehmen." So türmen sich beispielweise auf den Bermudas Reichtümer in Billionenhöhe auf. Eine so astronomische Zahl, dass niemand in der Runde auf Anhieb weiß, wie viele Nullen sie hat. Zwölf sind es, nebenbei bemerkt.
"Wir haben aus den Luxemburg Leaks gelernt"
Aber auch in Europa gelingt es vor allem den kleinen Ländern, mit Steuervorteilen große Unternehmen anzulocken. 2014 machten die "Luxemburg Leaks" deswegen Schlagzeilen. Bei "Hart aber fair" versucht der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn, sich von dem Image reinzuwaschen.
Ob es ihn ärgere, dass das Nachbarland Niederlande jetzt zur Steueroase geworden sei, stichelt Plasberg. Doch Asselborn beteuert: "Wir haben aus den Luxemburg Leaks gelernt." Sein Land habe keine Briefkastenfirmen mehr, jede Firma müsse nun beweisen, dass sie in Luxemburg Aktivitäten habe.
Dennoch versucht er, Verständnis für sein kleines Land zu wecken. Firmen wie Amazon oder Ferrero seien wichtige Arbeitgeber. Zudem sei Deutschland nicht unschuldig: "Deutschland darf nicht glauben, dass hier nur alles Lämmer sind und außenrum nur Wölfe."
Welche Folgen haben die Paradise Papers?
Ob die Enthüllungen der Paradise Papers rechtliche Konsequenzen haben werden, bleibt abzuwarten. Recherche-Journalist Mascolo betont jedenfalls, dass nach der Linie der "Süddeutschen Zeitung" die Daten nicht herausgegeben werden und beruft sich auf den Informantenschutz. Die Aufgabe der Journalisten sei es, das öffentliche Interesse zu vertreten und eine Debatte anzustoßen. Denn: "Dieses Steuermodell ist nur erfolgreich, weil ihnen Anonymität zugesichert wird."
Michael Meister (CDU), Staatssekretär beim Bundesfinanzminister, sieht das anders. "Es wäre hilfreich gewesen, die Daten zu bekommen", meint er im Hinblick auf die Panama Papers. Für Meister können die Steuerschlupflöcher aber nicht im Alleingang geschlossen werden. "Was wir brauchen, sind international abgestimmte Vorgehensweisen", sagt er. "Bisher habe ich den Eindruck, dass Druck funktioniert."
Sven Giegold, Grünen-Abgeordneter des EU-Parlaments, fordert Mindeststeuersätze innerhalb der EU und Kontrolle über gar nicht oder nur teilweise versteuerte Geldströme aus der EU. Eine leichte Aufgabe ist das nicht: "In Europa ist es schwer, Einigkeit in Steuerfragen zu schaffen."
"Zertifikat für gute Steuerzahler"
Für Steuerrechtsprofessorin Hey haben die Enthüllungen der vergangenen Jahre immerhin eine Transparenz-Offensive auf den Weg gebracht. Deutschland habe aufgrund seiner relativ harten Vorschriften sogar eine Voreiterrolle: "Andere Staaten schreiben bei uns die Regeln ab."
Mehr Austausch zwischen den Finanzbehörden hält sie für sinnvoll. Doch mehr öffentlich einsehbare Daten seien für den Verbraucher wegen der fehlenden Verständlichkeit kaum von Nutzen. Deswegen schlägt Hey eine Art "Zertifikat für gute Steuerzahler" vor.
Die aktuellen Enthüllungen werden ihrer Meinung nach jedoch keinen Einfluss auf das Konsumentenverhalten haben: "Ich glaube nicht, dass auch nur ein Schuh weniger von Nike verkauft wird oder eine Bestellung weniger bei Amazon eingeht."
Auch würden alle Firmen immer Steuerstrategien haben. "Die Frage ist, wie aggressiv diese sein darf", betont Hey. Die nun diskutierten Steuermodelle würden sich auf lange Sicht jedenfalls nicht lohnen: "Zu risikoreich."
Der ehrliche Steuerzahler ist der Dumme?
Trotzdem dürften sich viele Steuerzahler derzeit ziemlich dumm vorkommen. "Gehören Sie noch zu den Bürgern, die ganz normal ihre Steuern zahlen?", fragt Plasberg am Beginn seiner Sendung ganz provokant. "Dann verdienen Sie wohl zu wenig."
Auch der Journalist Mascolo appelliert vehement an die Moral. Denn was passiert mit einer Gesellschaft, in der normale Menschen nicht mal eine Kinokarte kaufen können, ohne Steuern zu zahlen, sich aber die Superreichen dieser Pflicht entziehen können?
"Es ist zutiefst ungerecht", wettert Mascolo. Gewinnmaximierung sollte nicht das einzige Ziel sein: "Wir müssen den Satz 'Das gehört sich nicht' wieder lernen."
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