- Ein wenig Redundanz, aber auch spannende neue Aspekte: Am Montagabend brachte Frank Plasberg mit pro-russischer Propaganda, Gewöhnungseffekten im Westen und militärischen Lösungen auf dem Schlachtfeld auch neue Punkte in der Debatte zur Sprache.
- Einig war sich die Runde, dass ein schnelles Kriegsende nicht in Sicht ist. Eine bedeutende Warnung sprach Publizist Ralf Fücks aus.
Russische Truppen haben vor Kiew ein Bild des Grauens hinterlassen. Nach ukrainischen Angaben sind nach Abzug der Soldaten mehr als 1.200 Leichen geborgen worden. Gleichzeitig werden Angriffe auf Wohnviertel in Charkiw vermeldet. Tschetschenien-Chef und Putin-Verbündeter Ramsan Kadyrow kündigte weitere Angriffe auf ukrainische Städte an.
Das ist das Thema bei "Hart aber fair"
Eine Frage, die wohl kaum jemand beantworten kann, stand über der Sendung bei
Das sind die Gäste
Christoph Reuter: Der Kriegsreporter vom "Spiegel" berichtete: "Ich war auch in Syrien und in Afghanistan, ich kenne viele Gesichter des Krieges. Putins Truppen töten Zivilisten, bringen Frauen, Kinder und Alte um. Sie handeln wie Terroristen, nicht wie eine Armee." Er habe Kriegsbilder in Europa, wie sie derzeit um die Welt gehen, nur für möglich gehalten, "wenn der Islamische Staat oder Al-Qaida versucht hätten, den größtmöglichen Anschlag zu begehen". Das wichtigste sei nun, dass die Ukraine schnell die Waffen bekomme, die sie brauche.
Alexander Graf Lambsdorff (FDP): "Wir haben uns in Deutschland daran gewöhnt, immer zu sagen, es gibt keine militärische Lösung. Das stimmt nicht", betonte der FDP-Außenpolitiker und stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Die Lösung in der nächsten Phase sei eine militärische. "Es muss auf dem Schlachtfeld entschieden werden", so Graf Lambsdorff. Man werde noch mehr Waffen liefern und alle wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland so schnell wie möglich beenden.
Ralf Fücks: "Die Bundesregierung handelt immer noch zu zögerlich", kritisierte der Leiter der Denkfabrik "Zentrum Liberale Moderne" und Grünen-Mitglied Fücks. Zwar habe sich die Regierung in den letzten Wochen für deutsche Verhältnisse enorm bewegt, das Muster heiße aber immer noch "zu wenig und zu langsam". "Es ist immer noch nicht wirklich klar, dass die Ukraine auch für uns kämpft – für unsere Sicherheit, für unsere Freiheit, für die europäische Sicherheit", fand Fücks. In Bezug auf ein Gas-Embargo mauere sich Deutschland in ein "Katastrophenszenario" ein, welches uns handlungsunfähig mache.
Petra Pinzler: Die Korrespondentin der "Zeit" war sich sicher: "Wir müssen das tun, was Putin am meisten schadet und nicht nur das, was moralisch richtig scheint". Dabei treffe man Putin mit einem Gasembargo nicht so sehr, wie man sich selbst schade. Man müsse auch an die Durchhaltefähigkeit der eigenen Wirtschaft und Verbraucher denken, sonst drohe eine "Verteilungsdebatte, wie wir sie noch nie erlebt haben".
Margarete Klein: Die Russland- und Militärexpertin der "Stiftung Wissenschaft und Politik" warnte: "Es droht ein langer und brutaler Krieg." Wenn es zu Verhandlungen komme, sei es für die Ukraine entscheidend, dies aus einer Position der Stärke heraus tun zu können. "Der Widerstandswille der ukrainischen Streitkräfte und der Bevölkerung ist nach wie vor groß", analysierte sie. Es sei ratsam, militärstrategisch längerfristig zu denken und ukrainische Soldaten für künftige Waffensysteme auszubilden.
Das ist der Moment des Abends bei "Hart aber fair"
Der Moment des Abends bestand aus einer wichtigen Warnung. Publizist Fücks sagte: "Ich hoffe sehr, dass in Europa nicht so ein Ermüdungseffekt einsetzt, der sagt: Wir machen Minsk 3." Dann würde man den Krieg nur entlang der Eroberungen der russischen Truppen einfrieren und den künftigen Status der Ukraine Verhandlungen überlassen.
"Das würde bedeuten, dass die Waffenstillstandslinie die künftige Grenze zwischen Russland und der Ukraine wird", zeigte er auf und betonte: "Natürlich muss verhandelt werden. Aber wir müssen die Bedingungen klar haben, die für uns akzeptabel sind für einen Friedensschluss." Kriegsreporter Reuter pflichtete ihm bei: "Putins militärisches Vorgehen darf nicht belohnt werden, dergestalt, dass man sagt: Dann soll er halt behalten, was er erobert hat." Das Signal an Putin wäre fatal, man dürfe sich außerdem nicht verfrüht auf Verhandlungen einlassen.
Das ist das Rede-Duell des Abends
Den Auftakt für ein bezeichnendes Streitgespräch gab FDP-Politiker Lambsdorff mit seiner Betonung, die Bundesregierung habe eine wahre Zeitenwende eingeleitet. "Ich habe die Koalitionsverhandlungen geführt", sagte er. Man habe hart um Rüstungsexportkontrollen und Waffenlieferungen gerungen. "Wenige Monate später spüren wir aus der Gesellschaft und auch aus dem Deutschen Bundestag einen enormen Druck auf die Bundesregierung, Waffen zu liefern", so Lambsdorff.
Journalistin Pinzler reagierte: "Ich verstehe, dass Sie die Ampel verteidigen müssen. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass wir einen Bundeskanzler haben, der dafür mal vor vier Wochen Worte gefunden hat und seitdem keine mehr". Lambsdorff wehrte sich: "Der Bundeskanzler ist vom Naturell niemand, der die Show sucht." Pinzler tat das ab: "Sie lenken von der Diskussion ab, die wir in diesem Land brauchen. Müssen wir nicht vielmehr darüber reden, in welcher Wirklichkeit wir uns jetzt wiederfinden und ist das nicht auch die Aufgabe eines Regierungschefs?", fragte sie.
So hat sich Frank Plasberg geschlagen
Keine einfache Aufgabe: Nach über einem Monat des Krieges in der Ukraine ließ es sich kaum vermeiden, auch diesmal manche Fragen zu wiederholen. "Was ist die russische Strategie?", "Können die Ukrainer gewinnen" und "Wo verläuft die Grenze zur Kriegspartei" – all das hat man schon einmal gehört. Plasberg gelang es aber auch, tiefer ins Detail zu gehen: "Unter welchen Bedingungen können die Ukrainer gewinnen?", wollte er ebenso wissen wie "Welche Waffen braucht die Ukraine genau?"
Das ist das Ergebnis bei "Hart aber fair"
Dass der Krieg in der Ukraine noch lange dauern wird, fürchtete die gesamte Runde. Streitpotenzial gab es an diesem Abend wenig. Schade allerdings, dass die Gäste manche Anstöße, die Plasberg ihnen gab, nicht weiter vertieften: Über die Frage, wann und wo die Unterstützung des Westens enden wird, hätte es sich ebenso gelohnt länger zu diskutieren wie über die pro-russische Community in Deutschland oder die Verhandlungsoptionen mit einem Kriegsverbrecher.
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