Fußball-Deutschland diskutiert über den Einstieg eines Investors in die Deutsche Fußball Liga. In den Stadien regt sich massiver Protest. Ist er berechtigt? Wie viel ist die 50+1-Regel noch wert? Und: Haben die Fanproteste dem FC Bayern München am Wochenende sogar den Sieg gegen den VfL Bochum gekostet? Im Studio trafen diese Fragen auf einen angesäuerten Martin Kind, einen wütenden Fan-Vertreter und einen Politiker mit einem eindringlichen Appell.
"Nein zu Investoren" liest man derzeit auf Bannern in den Stadien. Bereits seit Wochen ist die Stimmung aufgeheizt: Tennisbälle und ferngesteuerte Autos sorgen für minutenlange Spielunterbrechungen. Damit stellen die Fans sich gegen den geplanten Einstieg eines Investors. Der soll für eine Milliarde Euro 20 Jahre lang acht Prozent der Erlöse der Medien- und Lizenzrechte erhalten. Wie könnte das den Fußball verändern?
Das ist das Thema bei "Hart aber Fair"
Unter dem Titel "Fans vs. Kommerz" diskutierte
Das sind die Gäste
- Martin Kind: Der Geschäftsführer der "Hannover 96 Management GmbH" sprach über die geheime Abstimmung zum Investoreneinstieg: "Die DFL hat eingeladen, acht Wochen später fand die Mitgliederversammlung statt. Keiner dieser Vereine hat je den Antrag gestellt, dass öffentlich abgestimmt wird." Die Vereine hätten das akzeptiert. "Danach gab es sogar noch einmal die Möglichkeit einer Einspruchsfrist", erinnert er. Unter Druck hätten sich Vertreter von Vereinen dann öffentlich geäußert. "Ich lehne das ab, um das ganz deutlich zu machen", so Kind. Eine Zweidrittel-Mehrheit sei ein außergewöhnliches Ergebnis.
Kevin Kühnert (SPD): "Das Stadion-Erlebnis lebt maßgeblich davon, dass Fans anwesend sind", erinnerte der Generalsekretär. Selbst die zweite Bundesliga habe so hohe Zuschauerzahlen wie andere Profiligen nicht. Der Sport lebe von und mit den Fans – "Man muss aber etwas dafür tun, dass es dabei bleibt", meinte er.- Ariane Hingst: "Das ist sehr unbefriedigend", sagte die mehrfache Welt- und Europameisterin über Spielunterbrechungen. Es sei sehr schwer Leistung abzurufen, wenn man hochgefahren und emotional dabei sei und man dann abrupt unterbrochen werde. "Ich kann mir nur ansatzweise vorstellen, wie die Spieler in der Bundesliga sich gerade fühlen", so die Geschäftsführerin Sport beim FC Viktoria Berlin. Kategorisch zu sagen, Investoren würden dem Fußball nicht guttun, sei falsch.
- Markus Babbel: "Wir kommen langsam zu einem Punkt, wo Einflussnahme auf das Spiel stattfindet", meinte der Europameister (1996). Zum FC Bayern München, der am Wochenende dem VfL Bochum nach ursprünglicher 1:0-Führung in der ersten Halbzeit unterlegen war, sagte er: "Ich behaupte jetzt einfach mal, dass sie bis zur Halbzeit noch das zweite oder dritte Tor nachgelegt hätten, weil sie klar besser waren wie die Bochumer", so Babbel. Dann sei die Unterbrechung gekommen und der Trainer habe umstellen können. "Auf einmal war es ein anderes Spiel", meinte Babbel.
- Thomas Kessen: Der Sprecher des Fanverbands "Unsere Kurve" war sich sicher: "Dass hunderte Tennisbälle im Stadion sind, zeigt, wie viele Menschen hinter den Protesten stehen." Dass Bundesliga-Spieler sich genervt von den Unterbrechungen zeigten, verdeutliche nur, dass der Protest wirkt. "Es gibt keine andere Möglichkeit, ehrlicherweise", gab er zu. Der Vorwurf der Fans laute: "Ihr habt das im Hinterzimmer abgestimmt!"
- Mia Guethe: "Ich war überrascht davon, wie positiv die Stimmung im Stadion war", berichtete die Sportjournalistin von "11 Freunde" über ihren letzten Besuch einer Bundesligapartie. "Der Fußball hat – anders als Handball oder Darts – eine gesellschaftliche Relevanz in diesem Land, die mit anderen Sportarten nicht zu vergleichen ist", so Guethe. Der deutsche Fußball sei fan-orientierter als in anderen Ländern, das gelte es zu bewahren.
- Nico Heymer: Der Podcaster meinte: "Für Fans ist samstags 15:30 Uhr die heilige Kuh, die wird nicht angefasst. Der Versuch mit Montagsspielen wurde radikal bestreikt von Fans, bis sie wieder abgeschafft worden sind." Fans seien für ihren Verein bereit, hunderte Kilometer zu reisen – das gehe nicht bei Anstoßzeiten am Dienstag. Während der Corona-Pandemie habe man gelernt, dass Zuschauer auf den Rängen wichtiger seien als Zuschauer vor dem Fernseher.
- Marcus Bark: Der Sportschau-Reporter beobachtete: "Es geht um etwas Übergeordnetes und das ist 50+1." Dabei gehe es um die Regel, dass der mitgliedergetragene Verein das Sagen haben müsse, auch wenn die kapitalgetragene Seite viel Geld investiert habe. "Das ist für die deutsche Fanszene eine rote Linie, an der schon gekratzt wurde", so Bark.
- Christoph Breuer: "Das Geld fließt hauptsächlich in die Geschäftsentwicklung, in die mediale Vermarktung. Die Vereine sollen dadurch zukünftig von Mehreinnahmen profitieren", so der Sportwissenschaftler von der Deutschen Sporthochschule Köln über das Milliarden-Investment. "Man hat etwa 100 Millionen Euro vorgesehen, von denen die Vereine profitieren können für Auslandsreisen, weil man gerade auch im Ausland die Vermarktung stärken möchte", erklärte er.
Das ist der Moment des Abends bei "Hart aber Fair"
Klamroth zeigte ein Banner aus der Kurve von Hannover 96, auf dem Martin Kind mit einem Fadenkreuz zu sehen war. Kühnert nahm dazu Stellung. Er solidarisiere sich grundsätzlich mit dem Prostet, aber: "Das geht überhaupt gar nicht. Das überschreitet eine Linie." Kühnert war sich sicher, dass diese Ausdrucksform keinen mehrheitlichen Rückhalt in den Stadien hat. "Nicht jeder, der so etwas hochhält, mag damit meinen, dass man Herrn Kind physisch angreifen sollte, aber es reicht einer, der sich am Ende ermutigt fühlt, so etwas tatsächlich zu machen", appellierte Kühnert. Man könne den Konflikt ohne solche Ausdrucksformen führen.
Das ist das Rede-Duell des Abends
Klamroth versuchte mehrmals aus Kind herauszubekommen, wie er bei der DFL-Versammlung abgestimmt hatte. Ob er sich an die Anweisung seines Vereins Hannover 96 gehalten und mit "Nein" gestimmt habe, drängte der Moderator ihn. Hannover 96 habe eine sehr spezielle Situation mit einem besonderen Vertrag, meinte Kind. "Wir gehen davon aus, dass wir die 50+1-Regel beachten unter Berücksichtigung dieses 96-Vertrages. Das ist meine Antwort", so Kind.
"Herr Kind hat gerade die Möglichkeit sehr einfach sehr viel Schaden vom deutschen Fußball abzuwenden", kommentierte Fan-Vertreter Kessen. Überhaupt an diesem Punkt zu sein, schade dem deutschen Fußball massiv. "Wir reden darüber, ob Herr Kind mit Ja oder mit Nein gestimmt hat, ob er sich an die Weisung des e. V. gehalten hat, oder nicht", sagte er weiter.
"Was änderte es?", wollte Kind wissen. "Dann hätten wir zumindest Gewissheit", entgegnete Kessen. Die demokratische Akzeptanz werde massiv angezweifelt - "insbesondere aufgrund Ihres Verhaltens und Ihrer Rumeierei in der Diskussion danach".
So hat sich Louis Klamroth geschlagen
Unklar war, warum die erste Frage an den politischen Gast der Sendung ging. Schließlich war Kevin Kühnert in seiner Rolle als SPD-Generalsekretär gefühlt am weitesten Weg von der Thematik. "Fußball gehört den Fans – gilt das in Deutschland eigentlich noch?", wollte Klamroth wissen. Besser geeignet hätte sich die spätere Frage an einen Fan-Vertreter: "Ist der Protest fair gegenüber den Spielern?" Insgesamt machte Klamroth aber eine gute Figur. Zu seinen interessantesten Fragen zählten: "Wie weit wollen die Fans es treiben?", "Warum richtet sich der Zorn der Fans so gegen Martin Kind?" und "Warum sind die Fronten so verhärtet?"
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Das ist das Ergebnis bei "Hart aber Fair"
Thematisch frischer Wind mit einem Thema abseits des Bundestags, aber eine Riesen-Runde. Der Runde hätte es keinen Abbruch getan, auf den ein oder anderen Gast zu verzichten. Dann hätte man auch vermieden, dass manche Gäste über große Strecken gar nicht in die Sendung einbezogen waren.
Mitnehmen konnte man vom Montagabend dann aber doch so einiges. Erstens: Die Kommunikation zwischen Führungsebene im Verein und Mitgliedern hat Verbesserungsbedarf, denn Transparenz schafft Akzeptanz. Zweitens: Die Frage "Wem gehört der Fußball?" kennt nicht nur eine Antwort. Und drittens: Die Fans könnten sich mit aggressiver Bildsprache einen Bärendienst erweisen, wenn sie damit das Narrativ füttern, dass man sich mit ihnen nicht an einen Tisch setzen kann.
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