Bei "Hart aber fair" geht es am Montagabend um Steuern und Finanzpolitik. Hessens grüner Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir und AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen geraten bei der Frage nach dem digitalen Meldeportal für Steuervergehen heftig aneinander.
Knapp 24 Stunden nachdem sich bei Anne Will alles um das Thema Finanzen gedreht hatte, wurde am Montagabend in der ARD erneut über Geld gestritten.
"Schulden, Sparen oder Steuern hoch: Wer redet im Wahlkampf ehrlich übers Geld" wollte
Im Vorfeld hatte die "Hart aber fair"-Redaktion vier deutsche Städte besucht, in Naumburg, Aachen, Bremen und Neuburg sprachen sich die Bürgerinnen und Bürger im Einspieler für eine stärkere Besteuerung der Reichen aus.
Die "Süddeutsche Zeitung" hat die Parteiprogramme ausgewertet und kam zu dem Ergebnis, dass die Linke, die Grünen und die SPD tatsächlich Menschen mit geringen und mittleren Einkommen steuerlich entlasten wollen: Während FDP, CDU und AfD vor allem die Reichen entlasten wollen.
Genug Reibungspunkte gab es am Montagabend also auf jeden Fall.
Das waren die Gäste bei "Hart aber fair":
Carsten Linnemann (CDU): Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU Bundestagsfraktion ist außerdem der Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion. Linnemann will eine Staatsreform und die Wirtschaft entfesseln. Der Unionspolitiker regte sich über Faxgeräte in Gesundheitsämtern auf und forderte ein Digitalisierungsministerium.Lars Klingbeil (SPD): Der Generalsekretär der Sozialdemokraten wich den Fragen nach möglichen Koalitionspartnern aus, wie es zuletzt auch schon KanzlerkandidatOlaf Scholz und der Parteivorsitzende Norbert Walter-Borjans mit großer Entschlossenheit getan hatten. "Wir kämpfen für eine starke SPD", sagte Klingbeil und: "Wir werden nach dem 26. September schauen."Jörg Meuthen (AfD): Der Bundessprecher der Alternative für Deutschland und Abgeordnete im Europaparlament machte gar keinen Hehl daraus, dass seine Partei reichen Menschen bei den Steuern nicht tiefer in Tasche greifen möchte. "Man sollte die Kuh, die man melken will, nicht schlachten", erklärte der Wirtschaftsprofessor.- Tarek Al-Wazir (Bündnis 90/Grüne): Der Grünen-Politiker ist Wirtschaftsminister in Hessen und der Vize von Ministerpräsident Volker Bouffier. Al-Wazir stellte klar, dass die Grünen mehr in Klimaschutz investieren wollen, als alle anderen Parteien und bei den Steuern vor allem Gering- und Mittelverdiener entlasten wollen. Auch Al-Wazir gab sich bei der Frage nach möglichen Koalitionen unverbindlich: "Das entscheiden am Ende die Wählerinnen und Wähler."
- Cerstin Gammelin (Süddeutsche Zeitung): Die Journalistin ist die stellvertretende. Redaktionsleiterin im Parlamentsbüro Berlin der SZ. Gammelin saß in der Mitte der Männerrunde und teilte nach beiden Seiten aus. Erstes Opfer waren der CDU-Politiker Linnemann und sein Wunsch nach der Entfesselung der Wirtschaft. "Das ist eher eine Ausrede, wenn man 16 Jahre an der Macht war, und es immer noch etwas zu entfesseln gibt", sagte Gammelin.
Das war der Schlagabtausch des Abends bei „Hart aber fair“:
In Baden-Württemberg wurde kürzlich unter dem grünen Finanzminister Danyal Bayaz eine Meldeplattform eingerichtet, bei der online anonym Steuerverstöße gemeldet werden können. Der Aufschrei bei einigen Politikern und Medien war groß, von Denunziantentum, Spaltung der Gesellschaft und einem Steuerpranger war die Rede.
Al-Wazir sprang seinem Parteikollegen natürlich bei. "Ich glaube, dass der Kampf für Steuergerechtigkeit die Gesellschaft am Ende zusammenführt", sagte er, im Moment sei "der Ehrliche der Dumme." Außerdem gebe es die Möglichkeit, anonym per Brief oder Fax Steuersünder zu melden, in anderen Bundesländern schon länger. "Und wenn der Grüne das in Baden-Württemberg dann digitalisiert, ist das Blockwart-Mentalität", echauffierte sich Al-Wazir.
Doch genau diese Blockwart-Mentalität unterstellte Jörg Meuthen Al-Wazir und den Grünen. "Man stelle sich das einmal vor, anonyme Anzeigen von Nachbarn, die können sich jetzt gegenseitig denunzieren", sagte der AfD-Politiker: "Wenn ich meinen Nachbarn nicht leiden kann und ein fieser Typ bin, melde ich meinen Nachbarn beim Finanzamt und sage, dass ich den Eindruck habe, dass der sich seinen Rasen schwarz mähen lässt."
Dann müsse das Finanzamt das aufgreifen, führte Meuthen weiter aus und befürchtete, dass Deutschland zu einem "Schnüffelstaat" werde. Genau dies sei "der tiefe Geist der Unfreiheit", der durch das ganze Parteiprogramm der Grünen wabere. Und die SPD mache dabei noch mit.
"Das ist grober Unfug", entgegnete Al-Wazir noch, der Rest ging in einem lautstarken Stimmengewirr unter. "Eine Steuerfahndung wird erst dann tätig, wenn es ein begründeter Verdacht ist. Sie glauben doch nicht, dass die Steuerfahndung kommt, wenn Sie sagen, dass ihr Nachbar den Rasen schwarz mähen lässt", entgegnete Al-Wazir, nach dem Plasberg die Gemüter etwas beruhigt hatte. Viel mehr gehe es nur darum, wirklich große Fälle von Steuerhinterziehung aufzudecken.
Moment des Abends bei "Hart aber fair":
Dieser gehörte definitiv Carsten Linnemann. Die Umfragewerte der CDU sind schlecht, entsprechend aggressiv und kämpferisch präsentierte sich der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag.
Immer wieder unterbrach er die anderen Talkgäste, beschwerte sich aber, wenn er selbst unterbrochen wurde. Als Plasberg am Ende der Sendung fragte, mit wem die Gäste am Wahlabend ein Glas Sekt trinken wollen, antwortete Linnemann: "Ich würde mit Herrn Al-Wazir anstoßen und noch Herr Lindner noch dazu holen."
Ein klares Bekenntnis zu einer Jamaika-Koalition, so etwas hört man im Moment in dieser Deutlichkeit selten.
So hat sich Frank Plasberg geschlagen:
Der Talkmaster hatte über weite Strecken leichtes Spiel, da vornehmlich tatsächlich über Finanzpolitik und Parteiprogramme gesprochen wurde und nur an einzelnen Punkten heftig gestritten wurde.
Einen großen Moment hatte Plasberg allerdings, als Jörg Meuthen sich über den sogenannten Steuerpranger der Grünen aufregte und Plasberg ihn mit den anonymen Meldeportalen der AfD für parteikritische Lehrerinnen und Lehrer konfrontierte.
"Das waren die Landesverbände, das kam nicht vom Bundesverband", verteidigte sich der Bundessprecher der Alternative für Deutschland plötzlich relativ kleinlaut.
Das Fazit:
Die 60 Minuten "Hart aber fair" waren unterhaltsamer Politik-Talk. Da über weite Strecken tatsächlich verbindlich über Steuer- und Finanzpolitik diskutiert wurde, konnten die Wählerinnen und Wähler einiges über die Absichten der Parteien erfahren.
Auffällig war die Zurückhaltung von Lars Klingbeil, die SPD als derzeit in den Umfragen führende Partei ist offenbar darauf erpicht, möglichst keine Fehler zu machen. Ganz im Gegensatz zur CDU, deren Vertreter derzeit jede Gelegenheit nutzen, um gegen die Konkurrenz zu schießen.
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