Die Unsicherheit der Bürger ist nach den Übergriffen in der Silvesternacht in Köln und anderen deutschen Großstädten weiterhin groß. Weil viele den Schutz und die Sicherheit in ihrem Land nicht mehr gewährleistet sehen, befinden sich Bürger und Staat in einer gefährlichen Vertrauenskrise. Aber was ist Hysterie und was berechtigte Angst? Auch nach der Sendung wird der Zuschauer von Moderator Frank Plasberg und seinen Gästen mit dieser Frage allein zurückgelassen.
Was ist das Thema?
"Schutz und Sicherheit, das ist eines der besten Versprechen, die ein Staat machen kann." So eröffnete Moderator
66 Prozent der Deutschen befürchten laut einer in der Sendung angeführten Umfrage, dass die Kriminalität durch die Flüchtlinge steigen wird. Auch der Umsatz mit Pfeffersprays, Schreckschusspistolen sowie Elektroschockern spricht eine deutliche Sprache und soll sich in 2015 im Vergleich zum Vorjahr in etwa verdoppelt haben.
Ein besseres Registrierungssystem für Flüchtlinge sowie eine größere Polizeipräsenz könnten hier für mehr Sicherheit sorgen, so die Runde.
Wer sind die Gäste?
Hier sieht der Politiker Staat und Gesellschaft in der Pflicht, Lösungen zu finden. Seine Auffassung: "Wir müssen wissen, wer in unser Land kommt."
Wenn einreisende Flüchtlinge richtig erfasst und registriert würden, könnten sie bei Straffälligkeit auch einfacher wieder abgeschoben werden. Dazu fehlen Bosbach zufolge aber teilweise wichtige Abkommen mit anderen Ländern.
Rüdiger Thust (Vorsitzender des Bund Deutscher Kriminalbeamter Köln, Leiter des Einbruchsdezernats der Kripo Köln): Er plädiert für mehr Polizeipräsenz und schnellere Urteile. Denn: Das Vertrauen in den Staat müsse dringend wieder hergestellt werden.
Den Anstieg bei den Pfefferspray-Verkäufen sieht er als ein Alarmsignal für Verantwortliche und Politik. Ein deutliches Zeichen dafür, dass sich bei den Bürgern ein Verlust des Sicherheitsgefühls einschleiche.
Um Vertrauen und Sicherheitsgefühl wieder herzustellen, sei es absolut notwendig, dass die Polizei funktioniere, sagt Thust.
Emitis Pohl (Geschäftsführerin einer Werbeagentur in Köln und Mutter von zwei Töchtern): Die Mutter von zwei Töchtern hat seit der Silvesternacht Angst, alleine aus dem Haus zu gehen – auch wenn sie nicht von den Übergriffen betroffen war. Sie hat für sich und ihre Töchter Pfefferspray gekauft, um sich besser schützen zu können.
In der Sendung spricht die gebürtige Iranerin einerseits davon, nicht alle Flüchtlinge in einen Topf zu werfen, äußert aber auch dahingehend, dass "diese Menschen" nicht bereit seien, sich zu integrieren. Was sie ansonsten als Teilnehmerin für diese Runde qualifiziert, bleibt unklar.
Samy Charchira (Diplom-Sozialpädagoge, der sich ehrenamtlich um jugendliche Migranten in Düsseldorf kümmert): Angstmacherei löse kein einziges Problem und führe nur zu Generalverdacht, sagt Samy Charchira.
Der Sozialpädagoge betont, dass es konkrete Lösungsansätze wie beispielsweise in Belgien brauche, wo Rückführungsabkommen mit anderen Staaten geschlossen werden, um straffällig gewordene Asylbewerber einfacher in ihr Heimatland abschieben zu können.
Er appelliert zwar dafür, jungen und teils perspektivlosen Menschen eine Chance geben, steht aber auch dafür ein, dass jeder für seine begangenen Straftaten belangt werden muss.
Ingo Lindemann (Fachanwalt für Strafrecht, Verteidiger eines mutmaßlichen Diebes aus der Silvesternacht): Der Anwalt spricht davon, dass es sich bei den meisten Straftaten weniger um Intensivtäter, sondern mehr um Kleinkriminelle handle – und diese "Auswüchse" hätte der deutsche Rechtsstaat im Griff.
Angst ist seiner Meinung nach ein schlechter Ratgeber, um Kriminalität zu bekämpfen. Das Problem ist seines Erachtens, dass die Täter nach der Haft entlassen und nicht abgeschoben werden können, weil sie oftmals keine gültigen, offiziellen Papiere haben.
Wie hat sich Plasberg geschlagen?
Vor allem im Umgang mit Dauergast Wolfgang Bosbach zeigte sich Plasberg routiniert. Als dieser nicht über ein an ihn gesandtes Schreiben eines Polizeibeamten sprechen wollte, aus Angst, er würde damit den Fremdenhasser-Stempel aufgedrückt bekommen, reagierte der Moderator flapsig: "Das geht nicht. Umgangssprachlich könnte man sagen: Sie können nicht jemanden heiß machen und dann von der Bettkante stoßen." Er nagelte Bosbach darauf fest, das Schreiben auf seiner Homepage zu veröffentlichen.
Den Rest der Sendung war es nicht zu überhören, dass sich der Moderator schwer tat, die thematisch heikle Diskussion in geregelte Bahnen zu lenken. Doch er hatte noch einen großartigen Moment – als ihn seine eigene Social-Media-Beauftragte beinahe aus dem Konzept brachte.
Als Zuschauermeinungen Lösungen des Problems aufzeigen sollten, las Brigitte Büscher diesen Kommentar vor: "Es wird Zeit für ein liberales Waffenrecht." Plasberg entglitten kurz die Gesichtszüge ob der Auswahl des Vorschlags – inmitten der AfD-Diskussionen über Waffengebrauch gegen Flüchtlinge wirkte er sichtlich irritiert.
Er schüttelte sich kurz, und ehe aus der Panne ein Eklat werden konnte, lächelte er die Auswahl des Kommentars weg: "Sie lesen schon, was in Amerika los ist, wo es dieses liberale Waffenrecht gibt. […] Würde ich mir nochmal überlegen".
Was war der Moment der Sendung?
In der Sendung wurde deutlich, dass Unsicherheit und Angst oftmals durch Gerüchte im Internet geschürt werden. Ein Einspieler zeigte drei junge Menschen, deren Aussagen seit Wochen im Netz gleichermaßen für Fassungslosigkeit, Entsetzen und Belustigung sorgen. Von einem NDR-Kamerateam gefilmt, erzählt ein Mädchen im Beisein von zwei Freunden von Gerüchten, dass Flüchtlinge andere Menschen vergewaltigen und sogar essen.
"Eine Fünfjährige wurde gegessen. Von Flüchtlingen. Lebendig. Stand auf Facebook." Zwar ergänzt ihr Freund, dass es nicht sicher sei, ob das stimmt – da dürfte dem ein oder anderen Zuschauer aber bereits der Mund vor Fassungslosigkeit offen stehen geblieben sein.
Was ist das Ergebnis?
In einem Punkt waren sich die Gäste einig: Die Polizei wurde "kaputtgespart". Unterbesetzung bei steigenden Anforderungen bemängelte der Kriminalbeamte Rüdiger Thust und auch Sozialpädagoge Samy Charchira sprach sich für mehr Polizeipräsenz aus. Auch darüber, dass das Abschiebesystem zu kompliziert sei, herrschte allgemeiner Konsens.
Durch die oftmals unbekannte Identität der Straftäter sei auch kein Herkunftsland zu ermitteln. Die Täter könnten so also nicht abgeschoben werden. Wie berechtigt das mangelnde Sicherheitsgefühl vieler Bürger ist, konnte an diesem Abend aber nicht so recht beantwortet werden.
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