Frank Plasberg diskutiert mit seinen Gästen, ob der Islam per se eine gewaltverherrlichende Religion ist. Die Positionen sind verhärtet. Die Debatte zeigt: Muslimische Gemeinschaften sind gefordert, mehr Verantwortung zu übernehmen.
Was ist das Thema?
Die Anschläge von Paris und Brüssel sollen erst der Anfang gewesen sein. Radikale Islamisten drohen mit weiteren Attentaten, versetzen Europa in Angst, erklärt ARD-Journalist
Er stellt die Frage nach dem Religionskrieg - und warum sich der Islam so gut zum Verführen eigne.
Wer sind die Gäste?
Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA)
Seine Behörde kenne die Bedrohungslage in Deutschland: "Wir lassen gewaltbereite Gefährder nicht aus dem Augen", schildert er, "wollen wissen, wann sie wieder kommen, was sie planen."
Die Landeskriminalämter würden nach einem einheitlichen Definitionsverfahren ständig Informationen zu diesen Gefährdern sammeln, erklärt er. Münch warnt jedoch: "Was wir in Deutschland machen, ist nicht europäischer Standard", meint er und verweist auf Netzwerke, die sich über die Grenzen der Staaten hinweg bilden.
Potentielle Gefährder würden nach einem M-Schema eingegrenzt: männlich, Muslim, Misserfolg. Er fordert, dass sich muslimische Gemeinden stärker in die Debatte einbringen, was man dagegen tun kann.
Der Islam sei nicht grundsätzlich böse, meint sie. Der sogenannte "Islamische Staat" sei "eine Ideologie, keine Religion. Der Islam ist keine gewalttätige Religion".
Göring-Eckardt verweist darauf, dass es nur ein Prozent gewaltbereite Muslime in Deutschland gebe. Und sie verweist auf den Nordirland-Konflikt, denn "auch dort wurde im Namen der Religion getötet" - und zwar der christlichen.
Michael Wolffsohn, Historiker und Publizist
Für ihn ist der Islam keine friedliche Religion. Der Islam schreibe unter anderem "von Juden als Schweinen und Affen, die man töten kann".
In der islamischen Welt sei die Distanzierung nicht vorhanden, sagt der Wissenschaftler, "was man aus dem Koran wörtlich nimmt und was nicht. Da hat der Islam ein Problem."
Die Geschichte sei geändert worden, aber nicht die Interpretation der Texte. "Da hängt der Islam noch zurück."
Abdassamad El-Yazidi, hessischer Landesvorsitzender des Zentralrats der Muslime
Er wehrt sich gegen eine Stigmatisierung des Islams. Verständlich. "Wir sollten uns darauf einigen, dass wir Extremismus nicht zulassen. Dem einen Namen zu geben, damit lösen wir das Problem nicht", meint er. "Wir sind nicht alle potentielle Terroristen."
Seine These: Menschen töten genauso im Namen Jesu.
Constantin Schreiber, Moderator von "Marhaba – Ankommen in Deutschland" (n-tv)
Er bringt Flüchtlingen mit seinem TV-Format Deutschland näher. "Ich vermisse einen klaren Standpunkt der Islamgemeinschaften", sagt der junge Journalist und meint in Richtung von El-Yazidi: "Ich vermisse auf ihrer Webseite auch nur einen einzigen Hinweis dazu."
Dennoch macht er der islamischen Welt keinen Vorwurf. Es gebe eine sehr lebhafte Debatte in der arabischen Welt über eine Mitschuld, erklärt er, die in gleicher Intensität geführt werde.
Dominic Musa Schmitz, Buchautor "Ich war ein Salafist"
Er konvertierte mit 17 zum Salafismus, heute warnt er vor radikalem Islam. Plasberg will wissen, warum er konvertierte. "Ich konnte da die Überzeugung finden, die mir keiner zuvor gab", schildert er und erzählt, wie ihn ein Bekannter dazu verführte: "Er hat irgendwas ausgestrahlt, was mich neugierig gemacht hat. Er brachte mir Bücher etc."
Seine Mutter habe ihn nicht mehr fassen können, sagte: "Bitte spreng dich nicht in die Luft!". Im Salafismus wiederum greife die Gehirnwäsche, erklärt er. "Zweifel würden das neue Weltbild infrage stellen und man stünde wieder bei null. Man ist überzeugt davon, dass das der einzige Weg ist."
Plasberg fragt, wann die Entscheidung fiel, auszusteigen. "An dem Punkt, als ich realisiert habe, dass ich nicht mehr weiß, was mich als Dominic auszeichnet und die Ideologie mich voll eingenommen hat", erklärt er.
Für ihn gibt es keinen Zweifel: "Der Islam ist heutzutage militanter. Das Gefühl von Ausgrenzung treibt viele in die Radikalität."
Was war das Rede-Duell des Abends?
Wolffsohn gegen El-Yazidi. Beide diskutieren eifrig darüber, ob es Spuren von Gewalt in Koran und Islam gibt. Wolffsohn beharrt darauf, El-Yazidi wehrt sich, tut dies allerdings etwas schwammig.
Wolffsohn wiederum hat etwas Oberlehrerhaftes, verzettelt sich in zu vielen Fremdwörtern. Es ist eine schwere und anstrengende Diskussion.
Was war der Moment des Abends?
Als Plasberg an seine Kollegin Brigitte Büscher übergibt - dann ist die Zuschauer-Meinung gefragt. Die Interaktion ist das große Plus des Formats im Vergleich zu anderen Polit-Talks.
Und die Meinungen zeigen diesmal, wie gespalten das Land bei der Frage ist, inwieweit der Islam Mitschuld am Terror trägt - und wie radikal die Meinungen zu diesem Thema sind.
Wie hat sich Plasberg geschlagen?
Als Moderator in der Debatte stark. "Ich finde lebhafte Diskussionen toll, verstanden werden sie aber nur in Reihenfolge", sagt er einmal. Doch seine Sendung hat diesmal eine markante Schwäche.
Was Dominic Musa Schmitz schildert, ist wirklich spannend - aber er hat dasselbe fast wörtlich auch schon in einer anderen Sendung erzählt. Wo bleibt da der Mehrwert, fragt man sich. Oder anders: Hat es sich die ARD an diesem Punkt zu einfach gemacht?
Was ist das Ergebnis?
Dass mit dem Vorurteil aufgeräumt werden muss, der Islam sei eine gewaltverherrlichende Religion. Passivität kann an der Stelle nach hinten losgehen. Hier sind alle gefordert: Politik, Gesellschaft, aber nicht zuletzt auch muslimische und islamische Gemeinschaften.
Die deutliche Kritik in der Sendung zeigt: Da kommt zu wenig. Dabei ist Initiative auch von Religionsgemeinschaften besonders in diesen politisch turbulenten Zeiten gefragt.
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