"Sind Krankenhäuser gefährlich für Patienten?", wollte am Mittwochabend Sandra Maischberger von ihren Gästen wissen und die Antwort fiel besorgniserregend aus: Zu viele unnötige Operationen, zu wenig Personal und Geld vor Gesundheit lautete das ernüchternde Fazit.
Krankenhäuser sind dazu da, um kranke Menschen wieder gesund zu machen. So jedenfalls war mal die Idee. Das Bild vom aktuellen Zustand in deutschen Krankenhäusern, das die Runde am Mittwochabend bei
Zu viele Operationen, überlastete Ärzte und Krankenschwestern, Profit über Gesundheit: Die Kritik am deutschen Klinikwesen kocht immer wieder hoch. "Sind Krankenhäuser gefährlich für Patienten?", fragte deshalb Sandra Maischberger am späten Mittwochabend.
Mit diesen Gästen diskutierte Sandra Maischberger:
Eckart von Hirschhausen , Arzt und TV-Moderator- Maike Manz, ehemalige Chefärztin
- Bernhard Albrecht, Wissenschaftsredakteur beim "Stern"
- Gerald Gaß, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft
- Jana Langer, Krankenschwester, schrieb Brandbrief an
Angela Merkel - Karin Maag (CDU), Gesundheitspolitscher Sprecherin der Unionsfraktion
Unnötige Operationen
Es ging von Beginn an markig los. Eckart von Hirschhausen wurde zum Einstieg zu seiner Knieoperation befragt, deren Notwendigkeit er selbst anzweifelt.
Darauf angesprochen reagierte Hirschhausen mit einem Feuerwerk an Statements: "Wir brauchen viel mehr wissenschaftliche Studien über das, was tatsächlich das beste Behandlungskonzept ist und das ist oft nicht das, was die meiste Rendite bringt. Jeder, der nicht bei drei auf dem Baum ist, kriegt heutzutage ein neues Knie und eine neue Hüfte eingehämmert."
"Stern"-Journalist Albrecht hat bei seinen Recherchen in vielen Gesprächen mit Ärzten festgestellt, dass es häufig nicht um das Patientenwohl, sondern um ökonomischen Druck und Gewinn gehe. "Ich habe den Eindruck, wir Patienten kommen in die Notaufnahme und haben bereits ein Preisschild auf der Stirn."
Auch die ehemalige Chefärztin Maike Manz sieht manche ihrer Kollegen kritisch: "Ich glaube, dass man als Arzt nahezu jeden Patienten an einen Ort hin argumentiert bekommt, wo man ihn haben möchte."
Gerald Gaß will das Ganze differenzierter aufschlüsseln: "Wir haben höhere Operationsraten in einigen Gebieten. Das hat viele Gründe. Der erste ist: Deutschland ist das zweitälteste Volk der Welt nach Japan und mit Alter ist auch medizinischer Versorgungsbedarf verknüpft. (…) Der zweite Punkt ist: Wir haben einen sehr guten Zugang. Wir haben kaum Wartezeiten."
Als Problem sieht Gaß aber, "dass konservative Behandlungen (…) nicht so gut abgebildet sind in unserem Kalkulationssystem. Weil sprechende Medizin nicht so gut zu erfassen ist in Kostenstellenberichten und Ähnlichem. Das ist eine Problematik der Kalkulation."
Man könne aber durch mehr Aufwand im Vorfeld sicher auch viele Operationen vermeiden, erklärte Gaß.
Eckart von Hirschhausen fordert ein generelles Umdenken hin zu einem mündigen Patienten, der beraten wird, aber auch selbst nachfragt, um gemeinsam zur besten Lösung zu kommen. Sein Schlüssel ist dabei Kommunikation: "Die Zukunft der Medizin ist weiblich, teamorientiert, kommunikativ."
Fallpauschalensystem
Ein großes Problem, da war sich die Runde einig, liege im derzeitigen Fallpauschalensystem, weil es falsche Anreize liefere. "Die betriebswirtschaftliche Logik beißt sich oft mit dem Willen des Arztes, nicht direkt zu operieren", erklärt Ärztin Manz hierzu.
Auch Gerald Gaß sieht Probleme, insbesondere bei kleinen Krankenhäusern, die mehr Patienten bräuchten, um sich zu finanzieren: "Wir brauchen eine Strukturveränderung in der deutschen Krankenhauslandschaft. Und wir brauchen Veränderungen im Abrechnungssystem."
Für kleinere Krankenhäuser fordert Gaß deshalb eine Vorhaltefinanzierung, um die Versorgung der Patienten ohne Gewinn-Druck zu gewährleisten.
Personalmangel und Zeit
Hier kam vor allem Krankenschwester Langer zu Wort. Bereits als sie vor 25 Jahren mit ihrem Beruf anfing, habe es Personalmangel gegeben und sie habe sich damals bereits maßlos überfordert gefühlt.
Seitdem habe sich aber nicht wirklich etwas verbessert: "Die Zeit ist das Maßgebliche, was uns fehlt. Wir laufen im Gesundheitssektor auf eine riesige Katastrophe zu und niemand reagiert!"
Der Schlagabtausch des Abends
Es war eine leidenschaftliche, aber durchaus sachliche Diskussion am Mittwochabend. Nur einmal, relativ am Anfang rauchte es gewaltig zwischen Eckart von Hirschhausen und Gerald Gaß.
Als es um falsche Behandlungsanreize ging, erzählte von Hirschhausen über die Fallpauschalen: "Eine Intensivstation bekommt für Frühchen umso mehr Geld, je leichter die sind. (…) Da sieht man eine Verzerrung des Wettbewerbs, dadurch dass Kinder früher geholt werden, weil sie dann lukrativer sind."
"Das ist aber jetzt ein harter Vorwurf", urteilte Maischberger und Gerald Gaß wurde noch deutlicher: "Dass Kinder früher geholt werden, damit sie leichter zur Welt kommen, damit man sie höher abrechnen kann, dafür haben Sie wirklich keinen Beleg. Das wäre ein Straftatbestand, eine Körperverletzung. Wenn Sie jemanden kennen, der das tatsächlich macht, kann ich Ihnen nur empfehlen, diese Person anzuzeigen."
So schlug sich Sandra Maischberger
Sandra Maischberger zeigte am Mittwochabend, wie man eine Talkrunde auch moderieren kann: ruhig, zurückhaltend und mit dem richtigen Gespür für die Situation.
Maischberger war gut im Thema, ließ Unbekanntes für den Zuschauer erklären, fiel nicht ins Wort, unterbrach aber, wo es nötig und ließ laufen, wo es passend war. Gleichzeitig war Maischberger kritisch, fragte aber auch immer wieder nach Lösungen und Alternativen.
Das Fazit
Ob ein Krankenhausaufenthalt in Deutschland wirklich immer gefährlich ist, dieses harte Fazit lässt sich auch nach dem Abend bei "Maischberger" nicht ziehen.
Dass es aber erhebliche Defizite bei Behandlungsanreizen, der Personaldecke und in der Kommunikationskultur gibt, dieses Fazit lässt sich durchaus ziehen.
Umso besser klingt die Botschaft, die Karin Maag ganz am Ende über die Finanzierung von Verbesserungen aussprach. "Das Geld ist vorhanden."
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