Nicht nur mit seiner erneuten Kanzlerkandidatur, sondern auch mit seinem jüngsten Besuch in der Ukraine sorgte Olaf Scholz für kritische Schlagzeilen. Bei "Markus Lanz" versuchte SPD-Politiker Peer Steinbrück, den Bundeskanzler zu verteidigen. Als es um den vermeintlichen "Angstmacher-Kanzler" ging, wich er jedoch aus. Bei einer weiteren Frage des ZDF-Moderators platzte ihm der Kragen.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Die deutsche Wirtschaft steckt bereits seit längerer Zeit in der Krise. Immer mehr Firmen denken mittlerweile über Kurzarbeit nach oder müssen sogar Arbeitsstellen komplett abbauen. Markus Lanz nahm dies am Dienstagabend zum Anlass, über ein mögliches Mentalitätsproblem zu debattieren, das in Deutschland allgegenwärtig sei.

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Zudem beleuchtete Lanz den überraschenden Ukraine-Besuch von Olaf Scholz, für den der Bundeskanzler mächtig Kritik einstecken musste.

Das sind die Gäste

  • Peer Steinbrück, SPD-Politiker: "Das, was da gerade von meiner Partei kommt, um den Standort zu retten, reicht bei Weitem nicht."
  • Sonja Álvarez, Journalistin: "Ich kann nur davor warnen zu glauben, dass zwischen uns und dem Paradies die Schuldenbremse steht."
  • Martin Richenhagen, Manager: "Ich habe nicht den Eindruck, dass Herr Scholz jetzt tatsächlich Angst verbreiten will."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

ZDF-Moderator Markus Lanz stellte zu Beginn der Sendung die Frage: "Warum steckt Deutschland plötzlich so tief in der Krise?" Mit Blick auf die industrie- und standortpolitischen Herausforderungen des Landes gab Journalistin Sonja Álvarez zu: "Wir sind (...) auf einem sehr dramatischen Weg und es muss eigentlich ganz dringend jetzt etwas passieren." Dem stimmte Martin Richenhagen, der langjährige CEO des US-Landmaschinenherstellers AGCO, zu.

Er ergänzte nachdenklich: "Vielen Unternehmen geht es tatsächlich sehr schlecht." Als Ursache für die deutsche Wirtschaftskrise nannte Richenhagen unter anderem "ganz schlechte politische Rahmenbedingungen" sowie "falsche Entscheidungen". Markus Lanz nickte und fügte hinzu, dass seit Mai "fast 80.000 Jobs verloren gegangen" seien und das letzte durchschlagend erfolgreiche deutsche Startup-Unternehmen - SAP - vor 52 Jahren gegründet worden sei. Sonja Álvarez bezeichnete dies als "große Misere" und sprach den kürzlich veranstalteten Krisengipfel im Kanzleramt an, der zwar "wichtig" sei, aber den Blick nicht ausreichend nach vorne richte. "Da tun wir einfach viel zu wenig", sagte Álvarez streng.

Grund genug für Markus Lanz, zu fragen: "Haben wir ein Mentalitätsproblem?" SPD-Politiker Peer Steinbrück antwortete prompt, dass Deutschland nicht nur ein "Produktivitätsproblem", sondern definitiv "auch ein Mentalitätsproblem" habe, denn: "Wir richten uns gerne bequem in einer permanenten Gegenwart ein - in der Annahme, dass wir darüber unseren Wohlstand und unser Sozialniveau halten können." Dies sei laut Steinbrück "natürlich nicht zutreffend". Er mache daher "der Politik den Vorwurf, dass sie die Dimensionen und Konsequenzen der Zeitenwende nicht ausreichend erklärt" habe.

Gleichzeitig mache Steinbrück aber "uns allen als Zivilgesellschaft auch den Vorwurf, dass wir es nicht begreifen wollen". Unternehmer Martin Richenhagen merkte daraufhin an, dass viele Deutsche zu "langsam" und "pessimistisch" seien. "Es bröckelt bei uns", sagte der Manager mahnend. Sonja Álvarez sah zudem auch "ein Ambitionsproblem". Die Journalistin brachte ihren Frust zum Ausdruck, als sie sagte: "Deutschland ist eine Teilzeit-Republik. (...) Wir haben über die 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich diskutiert." Álvarez weiter: "Wir zahlen Prämien, damit Leute eine Weiterbildung machen. Gibt es demnächst eine Prämie dafür, dass wir überhaupt morgens aufstehen?"

Ein Satz, auf den Lanz überrascht konterte: "Das ist jetzt sehr hart, was Sie sagen."

Das ist das Rede-Duell des Abends

Hitzig wurde es, als Markus Lanz den Ukraine-Besuch von Olaf Scholz ansprach. Peer Steinbrück stellte sich zunächst selbstbewusst hinter den Kanzler: "Die Ukraine befindet sich in einem sehr prekären Zustand. (...) In dem Augenblick einen solchen Besuch zu unternehmen, (...) halte ich für richtig." Die Kritik, dass Scholz mit seinem Besuch in der Ukraine bereits Wahlkampf betreibe, halte Steinbrück "für falsch, denn dann müsste der Bundeskanzler morgens im Bett bleiben und dürfte gar nichts mehr tun".

Lanz konterte irritiert: "So einfach? Sie sagen, das hat alles nichts mit Wahlkampf zu tun?" Der SPD-Politiker reagierte genervt: "Was macht das für einen Sinn? Wollen Sie ihn zur Passivität verurteilen?" Statt einzuknicken, stichelte Lanz weiter: "Nein, passiv war er vorher - und zwar viel zu lange."

Markus Lanz, Talk-Runde
Markus Lanz (l.) wollte von der Talk-Runde wissen, ob Deutschland ein Mentalitätsproblem habe. © ZDF / Cornelia Lehmann

Peer Steinbrück ließ sich darauf jedoch nicht ein und wiederholte streng: "Die Ukraine befindet sich in einem prekären Zustand. (...) Dann einen direkten Besuch dort mit Absprachen auch über weitere Waffenlieferungen zu machen, ist ja nicht falsch." Lanz sah Scholz' Umgang mit der Ukraine dennoch kritisch und unterstellte dem Kanzler, mit seiner Rhetorik Kriegsangst zu schüren. Dem konnte Peer Steinbrück nicht ganz widersprechen und formulierte vielsagend: "Da hat jeder seinen eigenen Stil."

Der ZDF-Moderator ließ daraufhin nicht locker und wollte von Peer Steinbrück wissen, ob er im Gegensatz zu Scholz Taurus-Lieferungen an die Ukraine zugestimmt hätte. Als Steinbrück nickte, hakte Lanz nach: "Und wie erklären Sie sich, dass der amtierende Kanzler das nicht macht?" Der frühere Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat erwiderte schroff. "Das kann ich Ihnen nicht beantworten, weil ich nicht der amtierende Kanzler bin."

Unternehmer Martin Richenhagen nahm dies zum Anlass, die erneute Kanzler-Kandidatur von Olaf Scholz anzusprechen und zu fragen: "Was will Scholz eigentlich? Fehlt ihm (...) jegliche Selbsterkenntnis und warum klammert er sich so an diesen Job? Er müsste doch gemerkt haben, dass er es nicht kann. Dann hätte er doch sagen können: Wenn ich es nicht kann, dann muss ich jetzt mal überlegen, wie kann ich meinen besten Mann in diese Position bringen?"

Eine Aussage, auf die Steinbrück trocken reagierte: "Nein, das setzt eine Art von Selbstreflexion voraus, die Sie gar nicht unterstellen können." Während Lanz laut auflachte, gab Martin Richenhagen fassungslos zu: "Das wäre ja dramatisch." Peer Steinbrück setzte jedoch noch eins drauf, als er sagte, dass Scholz sich nicht als denjenigen sehe, "der es nicht kann. Sondern er sieht sich als denjenigen, der es besser kann".

"Kann er es besser?", wollte Lanz prompt wissen. Darauf antwortete Peer Steinbrück energisch: "Ich verteile doch jetzt keine Zensuren für den Spitzenkandidaten einer Partei, der ich angehöre! Das können Sie ja nicht erwarten, wenn ich kein Parteiausschlussverfahren an den Hals kriegen will!"

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz schaffte es, innerhalb der Sendung nicht nur den Ukrainekrieg und die Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz näher zu beleuchten, sondern auch tiefer in die deutsche Wirtschaftskrise einzutauchen. Am Ende der Sendung resümierte der ZDF-Moderator zufrieden: "Das war inspirierend. Viel gelernt heute."

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Besonders Olaf Scholz' Rhetorik mit Blick auf den Krieg in der Ukraine sorgte bei "Markus Lanz" für jede Menge Gesprächsstoff. Auch Peer Steinbrück musste zugeben: "Ich halte das Spiel mit Angst für völlig falsch, weil im Zweifelsfall Angst dazu führt, dass man sich zurückzieht und gar nichts tut." Markus Lanz hakte daraufhin interessiert nach: "Verströmt Scholz dieses Gefühl von Unsicherheit?"

Während Peer Steinbrück vorsichtig sagte, dass es "jedenfalls schwammig" sei, stellte Sonja Álvarez klar, dass Scholz "vom vermeintlichen Friedenskanzler auf einmal zum Angstmacher-Kanzler" werde. Eine Aussage, die Lanz nachdenklich stimmte: "Ich möchte ehrlich gesagt keinen Kanzler haben, bei dem ich spüren kann, dass er Angst hat." Dass diese Angst jetzt plötzlich in der politischen Kommunikation eine Rolle spiele, empfinde der ZDF-Moderator daher als "fatal".  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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