Wie präzise hat die FDP den Bruch der Ampel provoziert? Bei "Markus Lanz" bezog Christian Dürr am Mittwoch Stellung zum aufgetauchten "D-Day"-Papier. Der FDP-Fraktionschef geriet dabei in Erklärungsnot, als er vom ZDF-Moderator über seine Kenntnis des Papiers befragt wurde.
Rund einen Tag nach dem Bekanntwerden eines detaillierten Papiers zum Ausstieg aus der Ampelkoalition traten sowohl der FDP-Generalsekretär als auch der Bundesgeschäftsführer der Liberalen zurück. Christian Lindner äußerte sich bereits zu dem FDP-Strategiepapier und beteuerte, es nicht zur Kenntnis genommen zu haben.
Das waren die Gäste
Christian Dürr , FDP-Fraktionschef: "Das Papier war ein Fehler."- Henrike Roßbach, Journalistin: "Das Glaubwürdigkeitsproblem ist groß."
- Rüdiger Bachmann, Ökonom: "Ich bin entsetzt vom Verhalten der FDP."
- Kristin Helberg, Nahost-Expertin: "Noch nie haben so viele Syrer in bitterer Armut gelebt."
Das war der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Noch bevor Markus Lanz am Mittwochabend eine Frage stellen konnte, machte Christian Dürr deutlich, dass rund 80 Prozent der Bürger schon vor dem eigentlichen Scheitern der Koalition über ein Ende der Ampel sinniert hätten. Lanz unterbrach den FDP-Politiker schmunzelnd: "Sie versuchen schon wieder, den Kampf ums Narrativ zu gewinnen." Der ZDF-Moderator sprach daraufhin das "D-Day"-Papier an und versuchte herauszufinden, inwieweit der Bruch der Ampel "von langer Hand geplant" war.
Dürr betonte energisch, dass die FDP keinesfalls ein Ende der Koalition herbeiführen wollte, sondern lediglich mehrere mögliche Szenarien skizzierte, um bestmöglich vorbereitet zu sein. "Wo ist denn das akribische Papier, in dem die FDP versucht, zu kommunizieren, dass sie in dieser Ampel bleibt?", konterte Journalistin Henrike Roßbach überrascht. Sie ergänzte streng: "Das Papier gibt es halt nicht!"
Auch Ökonom Rüdiger Bachmann bezweifelte, dass die FDP jemals ernsthaft über den Erhalt der Ampel diskutiert hat. In Bezug auf das FDP-Wirtschaftspapier sagte er wütend: "Wenn ich in der Koalition bleiben will, dann schreibe ich doch nicht so ein Papier, das im Grunde genommen FDP pur ist." Laut Bachmann könne dies "auch der gesunde Menschenverstand" nicht verstehen.
Während Christian Dürr irritiert die Stirn runzelte, wiederholte er schwammig, dass seitens der FDP mehrere Strategien erarbeitet wurden. Als Lanz ihn konkret fragte, wo das Papier versteckt ist, in der über die Weiterarbeit in der Koalition geschrieben wird, redete sich der FDP-Mann um Kopf und Kragen. "Das Ziel war, dass man zu wirtschaftlichen Veränderungen kommt", so Dürr. Er fügte hinzu, dass das Ziel der FDP gewesen sei, "dass wir das in der Bundesregierung umsetzen".
Lanz hakte daraufhin nach, ob
Der ZDF-Moderator stichelte unbeeindruckt weiter: "Sie haben ja auch lange Zeit überlegt, wie man die Koalition beendet." Ein Vorwurf, auf den der FDP-Mann nicht weiter eingehen wollte: "Wir haben darüber gesprochen, wie man die Arbeit der Koalition verändert und wenn das nicht gelingt, dass die Koalition dann auch zu Ende ist." Dürr ergänzte: "Wir haben natürlich keine Bestandsgarantie abgegeben." Laut des Politikers hätte die FDP auch freiwillig die Koalition verlassen, wäre es zu keiner Einigung im Haushalt gekommen: Den Stillstand hätte man "dem Land nicht mehr zumuten" können, so Dürr.
Das war das Rede-Duell des Abends
Mit Blick auf die "D-Day Ablaufpyramide" erklärte Markus Lanz streng: "Man unterstellt Ihnen, dass Sie etwas vorbereitet haben, was zwangsläufig zum Ende führen musste." Eine Aussage, gegen die sich Dürr deutlich wehrte: "Nein, das wollten wir ausdrücklich nicht. Wir wollten wirklich Veränderungen!"
Lanz wollte dies nicht ganz glauben und hakte nach: "Warum schreibt man das dann so auf?" Dürr entschuldigte sich daraufhin bei dem ZDF-Moderator für die "kommunikativen Fehler" rund um das "D-Day"-Papier, indem er zugab: "Das war ein Fehler und zu Fehlern bekennt man sich", sagte Dürr, "und deswegen ist der Generalsekretär zurückgetreten." Er fügte gleichzeitig hinzu: "Wofür ich mich nicht entschuldige, ist, dass wir vorbereitet waren auf verschiedene Szenarien!" Dies gehöre laut Dürr zur "Professionalität von Politik dazu".
Das Ablenkungsmanöver des FDP-Politikers schien jedoch nicht zu funktionieren, denn Lanz fragte prompt: "Wann haben Sie zum ersten Mal dieses Papier gesehen?" Dürr antwortete trocken: "Das Papier habe ich gesehen, als es veröffentlicht worden ist." Als der ZDF-Moderator überrascht reagierte, ergänzte Dürr: "Ich wusste nicht, dass es existiert."
Lanz bezweifelte jedoch, dass der Bundesgeschäftsführer das Papier aufgeschrieben hat, ohne zumindest Christian Lindner darüber zu informieren. "Wofür macht er das? Schreibt er das in sein Tagebuch?", so der ZDF-Moderator. Dürr antwortete patzig: "Um vorbereitet zu sein!" Als Lanz dem FDP-Mann unterstellte, "dass das nicht glaubwürdig ist", platzte es aus Dürr heraus: "ich kann Ihnen ja nur das schildern, was abgelaufen ist."
Er werde sich im Nachhinein jedoch "nicht zu einzelnen Mitarbeitern äußern, weil ich glaube, die Politik muss die Verantwortung übernehmen und nicht Mitarbeiter". Lanz ließ sich davon nicht beirren und fragte weiter: "Wusste Christian Lindner von der Existenz dieses Papiers?" Dürr sagte genervt: "Er hat sich dazu ja auch geäußert." Eine Aussage, auf die Lanz konterte: "Er hat gesagt, er hat es nicht zur Kenntnis genommen."
Plötzlich redete sich Dürr wieder um Kopf und Kragen: "Ich will jetzt keine Wortklauberei betreiben, Herr Lanz!" Als der ZDF-Moderator sich damit nicht zufriedengab, sagte der FDP-Politiker plötzlich: "Man würde es ja dann kennen, wenn man es auch genutzt hätte." Dieser Satz sorgte für eine sichtliche Irritation bei dem Moderator: "Was ist das jetzt? Das ist jetzt wieder die Sache mit der Kenntnis."
Dürr ruderte überraschend zurück: "Nein, ich habe doch gerade gesagt, dass ich es nicht kannte. Ich weiß nicht genau, auf welche Wortklauberei Sie jetzt hinauswollen!" Lanz ließ jedoch nicht locker: "Sie sagen, man kennt etwas erst dann, wenn man es nutzt?" Dürr dementierte wütend: "Nein, das habe ich nicht gesagt! Ich habe gesagt, ich kannte es nicht!" Als der ZDF-Moderator mit einem schmunzelnden "gut" reagierte, sagte Dürr laut: "Ich sage sehr deutlich, ich kannte es nicht, Herr Lanz! Dem ist nichts hinzuzufügen!"
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Zu Beginn der Sendung hoffte Markus Lanz auf ein "klärendes" und auch "sehr ehrliches Gespräch" mit Christian Dürr. Sein Wunsch blieb jedoch in weiten Teilen unerfüllt, da sich der FDP-Politiker an mehreren Stellen um Kopf und Kragen redete. Lanz blieb daher am Ende nichts anderes übrig, als zuzugeben: "Wir haben Sie jetzt einmal durch die Mangel getrieben."
Das war das Fazit bei "Markus Lanz"
Trotz mehrfacher Sticheleien blieb Christian Dürr bei seiner Aussage, dass er vom "D-Day"-Papier seiner Partei nichts wusste. "Wenn Sie das nicht kannten, warum ist dann fast alles genau so abgelaufen, wie es in diesem Papier steht? Ist das Zufall?", wollte Lanz dennoch wissen. Dürr dementierte jedoch: "Ist es ja gerade nicht! Da ist ja eine Überlegung für eine Rede abgebildet, die gar nicht gehalten worden ist. Und das Szenario (...), was dort beschrieben worden ist, ist ja nicht das, was real passiert ist."
Lanz konterte trocken: "Weil Scholz Sie vorher raugeschmissen hat. Das ist passiert." Das Kommunikations-Desaster der Partei schockte nicht nur den ZDF-Moderator, sondern auch Ökonom Rüdiger Bachmann. Er sagte kritisch: "Für mich ist das einfach unseriös!" Ein Vorwurf, den Christian Dürr offenbar nicht auf sich sitzen lassen wollte: "Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir in Deutschland an einer Situation sind, in der Fehler quasi verboten werden!" © 1&1 Mail & Media/teleschau
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