Egal, ob es nach Vertretern der Opposition oder der Boulevardpresse geht: Die Ampel-Koalition unter Olaf Scholz scheint nichts richtig machen zu können. Auch Maybrit Illner fragt ein wenig tendenziös: "Ampel in der Krise – kein Plan, kein Geld, kein Vertrauen?" Aber ist wirklich alles so schlecht, wie immer behauptet?
Mit einem "Deutschlandpakt" will Bundeskanzler
Mit diesen Gästen diskutierte Maybrit Illner:
Christian Lindner (FDP). Der Bundesfinanzminister sagt über die aktuellen Umfragewerte: "Ich schlage vor, stärker über die Probleme als über die Umfragen zu sprechen." Gleichzeitiger Wohlstand bei weniger Arbeit gebe es nicht, erklärt Lindner und stellt fest: "Zugleich haben wir auch strukturelle Probleme, die ehrlich gesagt, nicht erst seit gestern bestehen, sondern schon länger. Fachkräfteeinwanderung. Aus der Kernenergie und der Kohle ist Deutschland ausgestiegen unter Führung der Union, ohne, dass der Einstieg in Alternativen klar gewesen wäre."- Eva Quadbeck. Die Chefredakteurin des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) sagt über das Verhältnis zwischen Regierung und Bürgern: "Es ist tatsächlich etwas ins Rutschen gekommen in Deutschland und da bin ich sehr der Meinung, dass man sich die Umfragen genau angucken sollte und genau hinhören sollte, was die Leute über die Regierung sagen, weil nur so wird man sie wieder erreichen."
Ricarda Lang (Die Grünen). Die Parteivorsitzende sagt: "Ich glaube, dass wir ein starkes Land haben mit einer starken Wirtschaft", übt aber auch Selbstkritik in puncto Streitkultur in der Regierungskoalition: "Wir sollten nicht die eigene Partei, sondern das ganze Land nach vorne stellen."- Verena Bentele. Die Präsidentin des Sozialverbands VdK sagt: "Eine Herausforderung ist sicherlich, dass viele Menschen einiges derzeit nicht wirklich verstehen", etwa das Gebäudeenergiegesetz. "Also haben wir für die Ampel Erklärarbeit gemacht", so Bentele. Ein anderes Problem sei, "dass manche, sehr pauschale Aussagen nicht so richtig zielführend sind: 'Jetzt war's mal mit Sozialreform, das muss jetzt hier ein Ende haben', ist natürlich für Leute, die tatsächlich Unterstützung brauchen – die haben wir nun mal im Land – eine Aussage, die bringt auch wirklich nichts."
Carsten Linnemann (CDU). Der CDU-Generalsekretär kritisiert an diesem Abend die Regierungskoalition im Allgemeinen und Bundeskanzler Scholz im Besonderen: "Er negiert die aktuelle Situation. Ich habe das Gefühl, dass er im Kanzleramt sitzt und nicht mit den Bürgern redet."
Die Klarstellung des Abends:
Natürlich kommt an diesem Abend auch das Gebäudeenergiegesetz zur Sprache. Hierzu erklärt Christian Lindner noch einmal: "Weil gerade gesagt wurde, was passiert morgen oder am 1. Januar des nächsten Jahres: nichts. Weil, wenn keine kommunale Wärmeplanung vorliegt, dann bleiben alle Erfüllungsoptionen offen. Und man muss auch sagen: Wer ein neues Haus baut oder eine kaputte Heizung ersetzen muss, der muss auch investieren. Der Unterschied ist nur: Wir haben jetzt zukünftig eine höhere Förderung als in jetzt geltenden Regeln."
Der polemischste Moment des Abends:
Dass Carsten Linnemann in puncto Kritik nicht auf der Piccoloflöte spielt, sondern an der Pauke steht – geschenkt. Als neuer CDU-Generalsekretär ist er eben für lautstarke Attacken zuständig und dafür hat er die bekannten Standard-Sprüche wie "Das Einzige, was man geschafft hat, ist, an einem Gesetz zu arbeiten in Sachen Legalisierung von Drogen" mitgebracht, mit denen etwa auch Partei-Kollege Jens Spahn durch die Polittalkshows zieht. Das ist erst einmal nicht ungewöhnlich, schließlich soll so der politische Gegner gelabelt werden. Man muss es nur oft genug öffentlich wiederholen, irgendwann glauben es die Leute.
Doch zwischendrin überdreht Linnemann und wettert gegen alles, was seinen Puls höher treibt – oder bei seiner Klientel gut ankommt: "Die Bundesjugendspiele sollen abgeschafft werden, weil keiner mehr eine Ehrenurkunde bekommen darf, der DFB denkt darüber nach, dass Tore nicht mehr zählen. Was ist los in diesem Land? Wir brauchen mal wieder Anstrengung und Leistung!"
Linnemann hätte sich allerdings auch über anderes echauffieren und beispielsweise sagen können: "Die Menschen laufen wieder rechten Parteien in die Arme, unsere Kinder haben im Angesicht der Klimakrise Angst um die eigene Zukunft, die Tafeln werden dem Ansturm der Bedürftigen nicht mehr Herr, während die Reichen noch reicher werden. Was ist los in diesem Land?" Hat er aber nicht. Stattdessen redet er über Ehrenurkunden.
Immerhin will Verena Bentele die Stichworte Anstrengung und Leistung noch einmal gerade rücken und Linnemanns Polemik so nicht stehen lassen und unterbricht
So schlug sich Maybrit Illner:
Nicht so gut. Zumindest was das Handling der Beiträge und das Timing ihrer Unterbrechungen anbelangt. Auf der einen Seite lässt Illner Fragen unbeantwortet, auf der anderen Seite unterbricht sie ihre Gäste dann, wenn die gerade Wichtiges erklären – für den Zuschauer ist beides nicht hilfreich.
So fragt Illner beispielsweise Carsten Linnemann, warum denn aus der Enttäuschung über die Ampel weder Begeisterung für die CDU noch für Friedrich Merz geworden ist. Linnemann hat eine ausführliche Antwort, die aber nichts mit der Frage zu tun hat. Stattdessen redet Linnemann über das Heizungsgesetz, über die Legalisierung von Cannabis, Christian Lindner, Migration oder Olaf Scholz – und Illner lässt ihn machen.
Gleichzeitig – und das ist für den Zuschauer am schlimmsten – unterbricht sie ihre Gäste immer dann, wenn deren Beiträge inhaltlich Informatives versprechen, egal, ob es Carsten Linnemann, Christian Lindner oder Verena Bentele ist.
Das Fazit:
Also, wie steht es nun um die Ampel? Leistet die Regierung gute Arbeit oder ist die zum Teil schrille Kritik von Boulevard-Medien und der Opposition gerechtfertigt? Das wollte Maybrit Illner an diesem Abend herausfinden, aber eine Antwort bleibt die Diskussion schuldig – und das mit Anlauf.
Denn zum einen war ein solcher Ausgang aufgrund der Gästeliste erwartbar. Ricarda Lang und Christian Lindner verteidigten selbstverständlich die Entscheidungen der Regierung und erklärten ihre Politik und ebenso selbstverständlich übte Carsten Linnemann als Vertreter der Opposition Kritik – zumindest, wenn man es sehr wohlwollend ausdrückt. Denn Linnemann verließ ein ums andere Mal die Sachebene und operierte mit mitgebrachten Sprüchen wie "Sie müssen einfach mal machen!" oder er müsse etwas "auch als Bürger sagen".
Natürlich verlangen Opposition und Bürger zu Recht, dass die Ampel-Koalition die Probleme des Landes anpackt und das alles ohne öffentlichen Streit und mit der Geschlossenheit, die sie nach der Wahl ausstrahlte. Und natürlich darf das jahrelange Fahren auf Verschleiß unter Merkel nicht als Ausrede herhalten, nichts oder Dinge nur zögerlich zu tun.
Aber die Untätigkeit der vergangenen Jahre gehört dazu, denn nur wenn man den Zustand, in dem die Ampel das Land übernommen hat, einpreist, kann man die Arbeit der Regierung auch sinnvoll bewerten. Ein Auto, das jahrelang weder Inspektion noch Reparatur erlebt hat, ist nicht mal eben so auf die Schnelle repariert. Die Liste der Dinge, um die man sich hätte kümmern müssen, ist genauso lang wie die Liste der Dinge, die – und das darf man nicht vergessen – insbesondere die Grünen jahrelang angemahnt haben. Vom Umbau der Energieversorgung, des Verkehrs oder der Landwirtschaft, um nur ein paar zu nennen.
Ein "einfach mal machen" greift da also viel zu kurz und auch Verena Bentele will sich nicht mit der Vereinfachung durch plakative Sprüche abfinden. So sagt sie in Bezug auf einen angeblich ausufernden Sozialstaat: "Die Geschichte ist schon ein bisschen komplexer, als nur zu sagen: Die Menschen gewöhnen sich daran, dass hier jeder nur was kriegt, der es vielleicht nicht unbedingt braucht." Aber Komplexität war an diesem Abend nicht von allen gewollt.
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