Ein Verbot von Minaretten, Muezzins und Vollverschleierung – das sind nur einige der Forderungen der AfD. Die Partei mehrt mit ihren Aussagen die Angst vor fremden Kulturen und Religionen, erhält durch die neuen Thesen von Thilo Sarrazin womöglich momentan sogar noch Rückenwind. Dementsprechend hitzig wird bei "Maischberger" diskutiert.
Eine interessante Runde unter anderem mit der AfD-Politikerin
Was ist das Thema?
Am Wochenende will die AfD ihr Grundsatzprogramm verabschieden. Aussagen wie "der Islam gehört nicht zu Deutschland" sollen darin enthalten sein. Auch Thilo Sarrazin nutzt den aktuellen Erfolg der Partei und hat sein neues Buch "Wunschdenken" veröffentlicht, das unter anderem mit der Flüchtlingspolitik, dem Bildungssystem und dem Euro abrechnet. Bekommt die AfD dadurch inhaltlich zusätzlich Rückenwind und wie gefährlich sind die deutschen Rechtspopulisten? Darüber diskutierte die Runde bei "Maischberger" am Mittwochabend.
Wer sind die Gäste?
Thilo Sarrazin (ehem. SPD-Politiker): Der Einwanderungskritiker sagt: Hätte man auf ihn gehört, gäbe es die AfD gar nicht. Die aktuelle Einwanderungspolitik sei der größte Fehler der deutschen Nachkriegspolitik. Auch wenn es zwischen der AfD und ihm einige Überschneidungen gibt, so ist Sarrazin mit der Partei nicht zu hundert Prozent glücklich: "Man muss Themen kritisch ansprechen, aber darauf achten, sich zu unbeherrschten Emotionen aus der rechten Ecke auf Distanz zu halten." Die Aussage der AfD "Der Islam gehört nicht zu Deutschland" könne unter keinen Umständen in ein Parteiprogramm aufgenommen werden – die Muslime, die in Deutschland leben, gehören für ihn sehr wohl zu Deutschland. Allerdings werde die Kraft der Gesellschaft derzeit überfordert, so Sarrazin. Der Anteil der unterschiedlichen Mentalitäten in Deutschland steige, sodass sich Deutschland "bis zur Unkenntlichkeit" verändern könnte – "das ist meine tiefe Sorge", so Sarrazin.
Gregor Gysi (Die Linke, ehem. Parteivorsitzender): Gysi warnt: In der Bevölkerung herrsche eine abstrakte Angst vor Flüchtlingen und dem islamischen Glauben. "Deshalb steht Aufklärung an erster Stelle." Er fordert Integrationslehrer, die Kenntnisse der Flüchtlinge feststellen, Deutsch vermitteln, Gesetze und Jobs vermitteln.
In seinen Augen radikalisiere die AfD sich ständig. Gysi erklärt den Erfolg der Partei so: "Sie macht das Spiel, immer zu provozieren und dann zu relativieren, um hoffähig zu bleiben." Er unterstellt der AfD, dass sie mit Aussagen wie "der Islam gehört nicht zu Deutschland" das Grundrecht auf Glaubensfreiheit und mit ihrer Abschiebungsidee das Asylrecht abschaffen möchte. Die Rechtsentwicklung muss in seinen Augen gestoppt werden.
Beatrix von Storch (stellvertretende Parteivorsitzende der AfD): Sie fordert ein Verbot von Minaretten, Muezzins und der Vollverschleierung. Zudem will sie das Kopftuch im öffentlichen Dienst verbieten.
Die AfD-Politikerin bestätigt, dass Sarrazin und die AfD ähnliche Thesen vertreten und lädt den ehemaligen SPD-Politiker in die Partei ein.
Die Aussage, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre, erklärt sie so: Der Islam sei oftmals nur eine politische Ideologie, die AfD differenziere zwischen dem politischen und dem individuell gelebten Islam. Der religiöse und individuell gelebte Islam sei nicht das Problem und vollkommen legitim. Es gehe der Partei ausschließlich um die falsche politische Ideologie, die von vielen Anhängern des Islam verbreitet werde. Ihre Partei ist für von Storch der Heilsbringer in Sachen Islam-Debatte: "Der gute Beitrag der AfD ist, dass es jetzt schon mal eine Diskussion über den Islam gibt, denn wir hatten noch keine Partei, die sich damit kritisch auseinandergesetzt hat."
Elmar Brok (Europaabgeordneter, CDU): Auf die Frage
Die Aussage der AfD sieht er als Angriff auf die Religionsfreiheit: "Sagt die AfD, dass der gesamte Islam nicht zu Deutschland gehört, ist das mit dem Grundgesetz nicht vereinbar und wir erklären damit Teile unserer Gesellschaft für verfassungsfeindlich und machen Integration unmöglich." Für ihn ist die AfD eine Partei mit alten Ideen, die zu einer Spaltung und zu Gewalt in der Gesellschaft führt.
Albrecht von Lucke (Politikwissenschaftler): Der Politikwissenschaftler sieht die AfD als Übersetzung von Sarrazin, die noch einen Schritt weiter gehe: "Wenn Frau von Storch sagt, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört, dann ist das eine Radikalisierung, weil etwa fünf Prozent der Bevölkerung damit faktisch außerhalb der Gesellschaft gestellt werden." Die AfD betreibe in seinen Augen eine "Politik der Entdifferenzierung" und würde mit der getätigten Aussage, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört, eben im ersten Schritt nicht differenzieren, dass es sich für die Partei angeblich nur um den politischen Islam handelt.
Er wirft auch Thilo Sarrazin und die AfD in einen Topf: "Er praktiziert Entdifferenzierung. Im Nachhinein werden direkte Aussagen dann wieder abgeschwächt."
Für von Lucke hilft die AfD den Islamisten. Denn diese wollen in seinen Augen eine Polarisierung in den westlichen Ländern schaffen, um Muslime an die Wand zu stellen, die sich daraufhin radikalisieren, weil sie sich ausgegrenzt fühlen.
Was war der Moment der Sendung?
Es war zu erwarten, dass Gregor Gysi, der als politischer Gegenpol zu Beatrix von Storch eingeladen war, mit der AfD-Politikerin hart ins Gericht gehen würde: "Ihr Programm ist asozial. Die ganze Haltung zu Europa, zu Flüchtlingen und dem Islam ist falsch. Es ist abenteuerlich, was sie hier machen", so der Linke-Politiker Gysi.
Mit einem geforderten Verbot von Minaretten, Muezzins und Verschleierung greife die AfD die Religionsfreiheit an. Ein Verbot sieht er als höchst gefährlich an: "Wenn Sie das durchsetzen würden, wäre das in den islamistischen Staaten die Begründung, die christlichen Kirchen zu verbieten. Wir können uns einen Religionskrieg im 21. Jahrhundert überhaupt nicht leisten."
Was ist das Ergebnis?
Es wurde viel durcheinandergeredet und am Ende blieb die Runde in zwei Lager gespalten. Das Lager Beatrix von Storch und Thilo Sarrazin – und dann noch der Rest der Runde.
Politikwissenschaftler und Publizist Albrecht von Lucke bringt den Erfolg der AfD in der Runde auf den Punkt: "Die AfD wäre ohne das Versagen der anderen Parteien nicht zu erklären", so von Lucke. Der AfD wurde in seinen Augen vor allem durch die Zerfahrenheit der CDU/CSU einiges an Wahlpublikum zugespielt. Damit habe die Partei die Macht bekommen, die politische Diskussion zu bestimmen. Vor allem die Attacken Seehofers auf die Kanzlerin hätten den Eindruck vermittelt, dass die regierende Partei keine Lösungen in Sachen Flüchtlingspolitik parat hätte. Und hier bildete sich der Nährboden für die AfD.
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