In Deutschland polarisiert nach dem Vorstoß von Thomas de Maizière die Debatte über die vermeintliche Leitkultur. Das gilt auch für die aktuelle Sendung bei Sandra Maischberger. Ein Journalist wirft dem Bundesinnenminister vor, Muslime zu brandmarken. Auch ein CSU-Politiker muss sich heftiger Kritik erwehren. Eine Rezension.
Thomas de Maizière hat nochmal nachgelegt. Nach seinen Thesen zur deutschen Leitkultur im Interview mit der "Bild am Sonntag", sagte der Bundesinnenminister nun im Gespräch mit der "Kölnischen Rundschau": "Die Diskussion zeigt, dass es einen großen Bedarf gibt. Was ich angestoßen habe, wird ein Dauerthema bleiben."
Joachim Herrmann mit scharfer Kritik konfrontiert
Die Diskussion wird am Mittwochabend auch bei
"Ganz Deutschland diskutiert: Integration, Integration, Integration. Es muss doch aber zumindest darüber geredet werden, wo hinein integriert wird", meint
SPD-Politikerin attackiert Thomas de Maizière
Chebli, 38 Jahre jung, sie Berliner Staatssekretärin, ihre Eltern pakistanische Migranten, sieht das ganz anders. "Wer will nicht Leistung, wer will nicht Allgemeinbildung?", fragt sie zu den aufgeführten Punkten des Bundesinnenministers und attackiert dessen Vorschläge: "Wir gehen davon aus: Die einen sind die rechten Deutschen und die anderen die unrechten Deutschen. Die einen sind die Herren im Haus, die anderen sind die Gäste.“
Es werde "ein Machtkampf zweier älterer Herren auf dem Rücken ganz vieler Menschen“ ausgetragen, sagt sie und meint damit de Maizíère und den anwesenden Herrmann, der gequält lächelt. Den Vorwurf des angeblichen Machtkampfes um das Innenministerium in einem möglichen weiteren Kabinett unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU), hatte Jörges eingebracht.
Stern-Journalist legt nach
"Warum tut de Maizière das nur?", fragt der "Stern"-Autor und beantwortet seine Frage selbst: "Das Leitpapier hat einen deutlich anti-islamischen Charakter. De Maizière spaltet das Land. Er will die Konservativen und Rechten mit der CDU wieder vereinen", meint Jörges harsch, "und zwar, weil jetzt Wahlkampf ist. Herr Herrmann ist für den Stuhl des Innenministers vorgesehen, da schlägt Herr de Maizière mit den Flügeln“.
Auch da lächelt Herrmann gequält, und auch dann, als Chebli wiederum dem Bundesinnenminister Stimmungsmache vorwirft: "De Maizière weiß, was sich im Kopf vieler Deutscher abspielt. Es geht gegen Muslime.“ Jörges und Chebli spielen sich förmlich den Ball zu.
Stimmungsmache gegen Muslime?
Der Journalist schildert, dass die ersten Muslime, die er kennengelernt habe, türkische Bergarbeiter im Ruhrgebiet gewesen seien. "Die müssen sich jetzt auf irgendeinem Papier von irgendeinem Referenten aus dem Ministerium vorhalten lassen, sie wären nicht fleißig", wettert der 65-Jährige und teilt munter gegen Herrmann aus.
Es gebe nirgends mehr Burka-Trägerinnen in Deutschland als in München auf den Prachtstraßen Leopoldstraße oder Maximiliansstraße, argumentiert der Journalist und wiederholt seine These: "Es ist ein Wahlkampfpapier, um rechte Wähler zu gewinnen.“
Mit Burka ist freilich die Vollverschleierung von einzelnen muslimischen Frauen gemeint. De Maizière hatte angeprangert, dass diese nicht zu Deutschland passe. Weit verbreitet ist das Tragen der Burka in Deutschland tatsächlich nicht. Und bei vollverschleierten Frauen auf den Münchner Prachtstraßen handelt es sich tatsächlich in der Regel um wohlhabende Touristinnen aus den Golfstaaten. An dieser Stelle wird die Kritik der angeblichen Stimmungsmache nachvollziehbar.
Joachim Herrmann sieht nicht gut aus
Jörges hat aber noch nicht zu Ende argumentiert. "In unserem Land gibt es Millionen, die mit Hass und Hetze durch die sozialen Netzwerke ziehen. Das sind weitgehend Biodeutsche“, sagt er und wird erneut deutlich: "Da sagt dieser Innenminister nichts darüber."
Wieder klingt der Vorwurf heraus, das Leitpapier des Bundesinnenministers habe einen anti-islamischen Einschlag. Auch hier sind die Bedenken von Jörges verständlich.
Gegen Ende der Sendung wird Herrmann von Moderatorin Sandra Maischberger mit einem einstigen Faux-pas seinerseits konfrontiert. Beim Polit-Talk "Hart aber fair" hatte der 60-Jährige sich 2015, wie in einem Einspieler gezeigt wird, vor einen Bayern gestellt, der dunkelhäutige Mitbürger als Neger bezeichnet hatte.
Herrmann versucht, sich bei Maischberger herauszureden. Wirklich gut sieht er dabei nicht aus. Das gilt für den ganzen Abend und nicht zuletzt – in Abwesenheit – für de Maizière. Den Vorwurf, diese Debatte bewusst im Wahlkampf platziert zu haben, wird dieser schwer loswerden. Das ist das greifbarste Ergebnis dieser Sendung.
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